Die Affäre um den «geschönten» Lebenslauf von Yahoo-Konzernchef Scott Thompson hat den US-Internetkonzern schwer getroffen. Bei «frisierten» Lebensläufen von Thompson oder Theodor zu Gutenberg handelt es nicht um ein rein amerikanisches oder deutsches Phänomen. Auch Schweizer Unternehmen erhalten während dem Rekurtierungsprozess manipulierte Lebensläufe. Das bestätigen Coop, UBS und Swisscom «Handelszeitung Online». 

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Weil die betroffenen Firmen die manipulierten Bewerbungsunterlagen nicht systematisch erfassen, können sie die genaue Anzahl nicht beziffern. Allerdings war Detailhändler Coop bereit, über einen Fall im Detail Auskunft zu geben. «Hier wurde ein gefälschtes Dokument noch während dem Rekrutierungsprozess bemerkt. Wir haben es der Schule, von welcher das Abschlusszeugnis gefälscht wurde, daraufhin gemeldet. Damit diese Anzeige gegen den Bewerber wegen Urkundenfälschung erstatten kann», sagt Coop-Sprecherin Denise Stadler. 

Gefälschter Universitätsabschluss

Darüber hinaus meint die Coop-Sprecherin gegenüber «Handelszeitung Online», dass die «Dunkelziffer» im Bereich der «geschönten» Bewerbungen höher sein könnte. «In professionell geführten Vorstellungsgesprächen würden falsche Angaben wohl aber schnell aufgedeckt». 

Neben dem Detailhändler registrierte Philipp Hertig von Egon Zehnder International ebenfalls einen «frisierten» Lebenslauf. «Eine weibliche Bewerberin behauptete damals, über einen Universitätsabschluss und Führungserfahrung in Corporate Communications zu verfügen.» Nach vertiefter Analyse stellte sich jedoch heraus, dass die Angaben nicht zutreffen konnten. 

Yahoo unter Druck 

Anfang Jahr ernannte der US-Internetkonzern Yahoo die Führungspersönlichkeit Scott Thompson zum neuen Konzernchef. Vier Monate später endeckte der Yahoo-Grossaktionär Daniel Loeb jetzt eine Unregelmässigkeit in der Biographie Thompsons. Demnach soll der Top-Manager einen Bachelor-Abschluss in Computerwissenschaten in seinen Lebenslauf geschrieben haben, über welchen er gar nicht verfügt. 

Danach musste der weltumspannende Konzern denn auch einräumen, dass die Angaben über die Qualifikationen seines Vorgesetzten gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC nicht korrekt waren und sprach von einem «unbeabsichtigten Fehler». US-Medienberichten zufolge tauchte der falsche Wissenschaftstitel in seinem offiziellen Lebenslauf aber bereits in früheren Jahren auf. 

Thompson wird sich kaum halten können

Inzwischen wurde eine Untersuchung eingeleitet und Patti Hart reichte ihren Rücktritt als Yahoo-Verwaltungsrätin ein. Der Grund: Sie war massgeblich an der Rekrutierung Thompsons beteiligt. Der Konzernchef selbst beliess es bisher bei einer Entschuldigung an seine Mitarbeiter.

Philipp Hertig von Egon Zehnder International will zum Verhalten von Yahoo-Konzernchef Scott Thompson nicht Stellung nehmen. Dennoch bezweifelt er «im Grundsatz», ob eine Entschuldigung in so einem Fall ausreicht. Der Verwaltungsrat - aber auch der betroffene CEO - müssten sich stets die Frage stellen, ob der Konzernchef den «Aktionären, der Konzernleitung und den Kunden» gegenüber über ausreichend Glaubwürdigkeit verfüge. Letztlich liege die Verantwortung betreffend Rekrutierung, den Einsatz und die Kontrolle eines Konzernchef beim Verwaltungsrat.

Tendenz: Lebensläufe «schön schreiben»

Derweil zeigt sich Hertig im Gespräch von der geringen Quantiät von «frisierten Lebensläufen» in der Schweiz nicht überrascht. «Das Schweizer Pflichtbewusstsein, die Seriosität und Ehrlichkeit lassen solche ethischen Verstösse nicht zu». Das hindere die Stellenbewerber indes nicht daran, am eigenen Lebenslauf herumzuschrauben. So seien die Kandidaten laut Hertig dazu übergegangen ihre Dossiers «schön zu schreiben». Die Kandidaten würden Tätigkeit und Führungszeugnisse anpreisen, welche sie selbst in Tat und Wahrheit nicht «vollständig ausgeführt» hätten. Beispiel: «Ein Topmanager schmückt sich mit den Loorbeeren, in einer früheren Anstellung die vollständige Geschäftsverantwortung über Asien inne gehabt zu haben. Am Ende finden wir heraus: Er trug nur die Mitverantwortung. Die Entscheidungsgewalt lag bei der globalen Division», sagt Hertig.

UBS: Abschlüsse direkt bei Unis bestätigen

Tatsächlich beobachtet auch die UBS bei eingehenden Bewerbungen die Tendenz, Lebensläufe «schön» zu schreiben. «Wir haben festgestellt, dass Bewerber teilweise versuchen, kleinere Lücken - wie kurzzeitige Arbeitslosigkeit oder einen zu kurzen Verbleib in der früheren Firma aufzurunden oder zu strecken.» Aus diesem Grund finde bei der Grossbank immer ein Abgleich von Arbeitszeugnissen und Ausbildungsbestätigungen statt.

Dieses Vorgehen deckt sich mit der Handlungsweise von Coop und Swisscom. Überdies behält sich die Grossbank beim «Plausibilitätscheck» das Recht vor, Diplome und Abschlüsse direkt bei Universitäten bestätigen zu lassen.

Vier-Augen-Gespräche lassen Schwindler auffliegen

Hertig begrüsst dieses Vorgehen und ruft Firmen dazu auf, sich nicht nur auf Lebensläufe und Diplome zu verlassen. «Das persönliche Gespräch sowie Referenzen sind das Wichtigste. Dort können sie auf den Grund gehen: Wie, wo, warum und wann haben sie das Diplom erworben? Welchen konkreten beruflichen Leistungsnachweis haben sie beim letzten Arbeitgeber hinterlassen? Oder: Dürfen wir Referenzen einholen?» Spätestens nach diesen Fragen breche laut Hertig das Lügengebilde zusammen.