Pilot André Borschberg hat sich gedulden müssen. Fast einen Monat hat es gedauert, bis er die längste Etappe der Erdumrundung in der Solar Impulse 2 angehen konnte. Jetzt hat er bereits drei Viertel der Strecke geschafft – 80 Stunden Dauerflug.

Es gibt kein Zurück mehr: Eine Landung vor dem Ziel in Hawaii ist unmöglich. Borschberg muss die gesamte Distanz von 7900 Kilometer in einem Rutsch schaffen. Sollte es Probleme geben, bleibt Borschberg nur der Absprung mit dem Fallschirm. Noch knapp zwei Tage muss der Pilot durchhalten.

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Der siebte der zwölf Streckenabschnitte ist die Stunde der Wahrheit, die härteste Etappe. Sie zeigt, dass in der Idee, ohne einen Tropfen Benzin einmal rund um den Globus zu fliegen, wohl auch eine Portion Wahnsinn steckt. Wie in jedem wahren Abenteuer.

Ein Flug über fünf Tage, das ist länger als die gesamte erste Nonstop-Weltumrundung per Flieger brauchte. Die Piloten der «Lucky Lady II» im Jahr 1949 konnten nach 94 Stunden auf den Boden zurückkehren.

3.8 Kubikmeter grosses Cockpit

Mindestens 120 Stunden lang muss Borschberg aussharren im gerade mal 3.8 Kubikmeter grossen Cockpit. In dieser Zeit muss Borschberg fit und konzentriert bleiben, ohne aufstehen zu können. Und dabei kann er am Stück maximal 20 Minuten schlafen.

Normalerweise hat ein Mensch, der nicht schläft, die geistige Leistungsfähigkeit eines Betrunkenen. «Die Konzentrationsfähigkeit und die anhaltende Aufmerksamkeit eines Menschen ist durch Schlafentzug empfindlich eingeschränkt», sagt Schlafforscher Hanspeter Landolf von der Universität Zürich. «Eine einzige Nacht ohne Schlaf hat ähnliche Auswirkungen auf die kognitiven Leistungen wie eine Alkoholkonzentration von 0.8 bis ein Promille im Blut.»

Training für den Schlafmangel

Das heisst zum Beispiel: Menschen nicken bei Schlafmangel unkontrolliert weg und gehen mehr Risiken ein. Keine gute Idee, wenn man in einem Ein-Mann-Flieger mit knappen Stromreserven über dem Pazifik segelt.

André Borschberg allerdings hat den Schlafmangel trainiert. In einem Training in Dübendorf haben er und Piccard einen Simultanflug für 72 Stunden absolviert. Sie schliefen dabei im Rhythmus wie Borschberg jetzt während des Fluges, kurz, dafür zehn bis zwölf Mal am Tag. «Wir haben ihre Reflexe und ihre Gehirnaktivitäten während der gesamten Zeit alle zwei Stunden kontrolliert», sagt Raphael Heinzer vom Schlafforschungszentrum Lausanne, der den Test betreut hat. «Ihre Werte waren am dritten Tag nicht schlechter als am ersten.»

Die Flugsimulation in Dübendorf im Video:

Meditation und Selbsthypnose

Borschberg setzt der Extrembelastung während des Fluges spezielle Übungen entgegen. In den Kurzschlaf versetzt sich der studierte Psychiater per Meditation und Selbsthypnose. Seinen Kreislauf hält er mit Yoga fit, sein Yoga-Lehrer kann ins Cockpit zugeschaltet werden.

Weitere Herausforderungen: Eine Klimaanlage im Flugzeug hätte zu viel Energie gefressen, darum schwanken die Temperaturen im Cockpit zwischen minus 20 und Plus 30 Grad Celsius. Einziger Ausgleich, der für den Piloten möglich ist: über seine Kleidung.

Atemluft wie auf dem Mount Everest

Neben den Temperaturen muss André Borschberg auch seine Atemluft regulieren. In einer Höhe von 8000 Metern atmet der Pilot eine ähnliche Luft wie auf dem Gipfel des Mount Everest – darum muss er ab einer Höhe von 3600 Metern Sauerstoff per Maske zuführen.

Die Sauerstoffvorräte muss der Pilot dabei ebenso klug einteilen wie den Strom für den Motor. Die Nacht muss der Flieger mit der am Tag gespeicherten Energie schaffen. Die 630 Kilogramm schweren Akkus machen ein Viertel seines Gesamtgewichtes aus. Bis zu fünf Stunden verbringt die Solar Impulse 2 nachts im Gleitflug, um Energie zu sparen.

Der Flug der Solar Impuls 2 ist ein Wagnis. Wenn sie hoffentlich glücklich in Hawaii auf der Landebahn aufsetzen wird, kann das Team der Weltenflieger gleich zwei grandiose Leistungen feiern: den Triumph der Technik des Solarfliegers. Und den Sieg des Piloten über sich selbst.