Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland droht zu scheitern. Trotz dieser ablehnenden Haltung der von der Opposition geführten deutschen Bundesländer, will die Regierung in Berlin dem abgeänderten Steuerabkommen mit der Schweiz zustimmen. Der Weg für die Unterzeichnung des modifizierten Vertrags ist frei.
Die deutsche Regierung habe der Schweiz «ihre klare Bereitschaft zur Unterzeichnung der Schweizer Vorschläge» mitgeteilt, gab das Eidg. Finanzdepartement (EFD) am Freitag bekannt. Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf werde das Abkommen nun dem Gesamtbundesrat vorlegen. Dieser muss sein Einverständnis zur Unterzeichnung geben.
Mit der Einwilligung zu den Schweizer Vorschlägen stellt sich die deutsche Koalitionsregierung aus CDU/CSU und FDP gegen die von der Opposition regierten Bundesländer. Diese haben im deutschen Bundesrat, der kleinen Parlamentskammer, gegenwärtig eine Mehrheit. Am Donnerstagabend waren ihre Vertreter zusammengekommen, um ihre Haltung zum Abkommen zu diskutieren. Am nächsten Morgen informierten sie die Bundesregierung, dass sie das Abkommen «in der vorliegenden Form» nicht unterstützen würden, wie das Finanzministerium mitteilte.
Opposition: Viele Schlupflöcher
Nordrhein-Westfalens Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD) sagte am Rande einer Sitzung der Länderkammer: «Wir haben nach wie vor grosse Probleme mit diesem Abkommen.» Die Bereitschaft der Schweiz, die Steuersätze für am deutschen Fiskus vorbei geleitete Schwarzgelder gegenüber der ursprünglichen Einigung zu erhöhen, reiche nicht. Es gebe auch noch zu viele Schlupflöcher.
Damit droht das Abkommen im Parlament zu scheitern. Trotzdem will die deutsche Regierung nun offenbar dem auf dem Tisch liegenden Kompromiss zustimmen. «Kein Abkommen wäre aus unserer Sicht die denkbar schlechteste Lösung», erklärte eine Sprecherin von Finanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin. Nach ihren Worten hat die Schweiz in einer Reihe wichtiger Punkte Entgegenkommen signalisiert.
«Offenbar schätzt die deutsche Regierung, dass sie das Abkommen im Parlament durchbringen kann», sagte Mario Tuor, Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Eine Garantie für die Zustimmung des Parlaments gebe es aber in keinem der beiden Staaten.
Bringt Schäuble das Abkommen durchs Parlament?
Finanzminister Schäuble hofft auf ein Einlenken einzelner Bundesländer, «wenn die eine oder andere Landtagswahl vorüber ist», wie es seine Sprecherin formulierte. Damit spielte sie auf die Wahlen in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an, die im Mai anstehen. In den vergangenen Wochen hatten die Schweiz und Deutschland nochmals Gespräche geführt, nachdem SPD und Grüne Nachbesserungen am Abkommen geforderten hatten. Die Schweizer Seite forderte bis Ende März Klarheit bezüglich der Änderungsvorschläge, damit das Abkommen wie geplant Anfang 2013 in Kraft treten kann.
Die Gegner des Abkommens in Deutschland hatten kritisiert, dass durch die Regelungen für unversteuerte Vermögen deutscher Kunden bei Schweizer Banken ehrliche Steuerzahler benachteiligt würden. Nach Schätzungen von Experten liegen bis zu 200 Mrd EUR an Schwarzgeldern aus Deutschland auf Schweizer Konten.
Das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland war im vergangenen September von Finanzministerin Widmer-Schlumpf und ihrem deutschen Amtskollegen Schäuble unterzeichnet worden. Damals einigten sich die beiden Länder auf eine einmalige Pauschalsteuer von 19 bis 34 Prozent, die deutsche Kunden auf unversteuerte Gelder in der Schweiz bezahlen müssten.
Die vorgeschlagenen Änderungen werden erst bekanntgegeben, wenn der angepasste Vertrag unterzeichnet ist. Der Zeitpunkt der Unterzeichnung ist noch offen.
(muv/chb/sda/awp)