Der Rekrutierungsprozess einer Firma beinhaltet einige rechtliche Stolperfallen. Niemand darf im Prozess diskriminiert werden, der Umgang mit Bewerberdaten unterliegt datenschutzrechtlichen Vorschriften, die Kommunikation mit Kandidatinnen und Kandidaten muss diskret und gleichzeitig nachvollziehbar und transparent erfolgen. Kurz: Die Auswahl neuer Mitarbeitenden ist komplex.

Nicht gerade einfacher machen es Verschärfungen des Datenschutzes wie etwa die seit zwei Wochen gültige Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO), die auch auf die Schweiz ausstrahlt. Für Firmen ergeben sich einige neue Pflichten hinsichtlich Datenspeicherung, Kommunikation mit dem Bewerber und Auswertung der Dossiers. Aber inwiefern müssen sich Schweizer Firmen überhaupt Sorgen machen oder ihr Verhalten anpassen? Immerhin handelt es sich um eine Verordnung der EU.

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Wen betrifft es?

Thomas Geiser, Professor für Privat- und Handelsrecht an der Universität St. Gallen, sieht hier noch einige Unsicherheiten. Er unterscheidet: «Sofern es sich um Schweizer Firmen in der Schweiz handelt und die Bewerber ebenfalls Schweizer in der Schweiz sind, ist die Verordnung soweit ersichtlich gar nicht anwendbar. Sofern es sich bei den Sanktionen um Bussen handelt, dürften diese in der Schweiz nur schwer durchsetzbar sein, wenn es sich um ein Schweizer Unternehmen in der Schweiz handelt.»

Wenn das Unternehmen aber auch Vermögen in der EU hat, kann wohl auf dieses zugegriffen werden, gibt Geiser zu bedenken. Anwendbar ist die Datenschutzverordnung hingegen, wenn die Firma Tochtergesellschaften, Filialen oder Betriebsstätten in der EU unterhält, gezielt Kandidaten mit Wohnsitz in der EU rekrutiert oder der Internetauftritt sich an Kandidaten aus der EU richtet. Das schreibt der Branchenverband der Personaldienstleister in einer Mitteilung.

Dauer der Speicherung

Zudem müssen Firmen bedenken, dass die DSGVO eine Totalrevision des Bundesgesetzes über den Datenschutz ausgelöst hat, in welche einige Punkte der EU-Verordnung einfliessen werden. Das revidierte Bundesgesetz wird voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten. Das heisst: Auch für Firmen ohne jede Tätigkeit in der EU und keinerlei noch in der EU wohnhafte Kandidaten in einem Bewerbungsprozess könnten die strengeren Regeln bald gelten.

Was also ist zu tun? Die Rechte, die der Bewerber in Bezug auf seine Daten im Bewerbungsprozess hat, kreisen vor allem darum, wie lange diese gespeichert werden können und in welchem Mass sie ausgewertet werden dürfen. Die Frage nach der ausreichenden Dauer der Speicherung ist dabei gar nicht so leicht zu beantworten. Denn ein Arbeitgeber muss unter Umständen beweisen können, dass bei einem abgewiesenen Bewerber keine Anstellungsdiskriminierung vorliegt. Je länger er das Dossier und die Gründe der Ablehnung also speichert, desto abgesicherter ist er in einem Rechtsstreit.

Umfangreiches Merkblatt

Aber die verschärften Datenregeln verlangen, dass der Bewerber über die Dauer der Aufbewahrung informiert wird und dass die Daten nach drei bis sechs Monaten zu löschen sind. Genauso wie das neue EU-Recht verbietet nämlich auch das schweizerische Datenschutzgesetz, die Unterlagen unbegrenzt aufzubewahren und für andere Zwecke auszuwerten. Hier ist jede Firma gefordert, eine Policy für die Handhabung der Bewerberdaten zu erarbeiten, die den möglichen Rechtsproblemen wie Diskriminierungsklage und Datenschutzklage ausweicht.

Auch die Schweizer Personaldienstleister gehen aufgrund des strengeren Datenschutzes inzwischen über die Bücher. Der Branchenverband Swissstaffing hat dazu ein achtseitiges Merkblatt an seine Mitglieder verteilt. Er sieht bei Firmen vor allem die Pflicht, einen DSGVO-konformen Internetauftritt mit umfassender Datenschutzerklärung sowie Details über Datenauswertung und -weitergabe zu bieten. Zudem muss der Bewerber in die Datenauswertung explizit einwilligen, wie Boris Eicher, Rechtsanwalt und stellvertretender Leiter des Rechtsdiensts von Swissstaffing, erläutert.

Eine Einwilligung des Kandidaten ist auch für die interne Weitergabe an andere Gruppengesellschaften beziehungsweise Tochterfirmen nötig. Die Information, die Firmen Bewerbern vor deren Einwilligung geben müssen, ist dabei umfassend: Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten, Dauer der Datenspeicherung und Kriterien für die Festlegung der Dauer, das Recht zum jederzeitigen Widerruf der Einwilligung und Details zur eventuellen Datenauswertung durch Dritte oder zur Weitergabe der Daten in Drittländer.