Immer mehr Erwerbstätige leiden unter Stress an ihrem Arbeitsplatz: In der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2017 gaben 21 Prozent der Befragten an, bei der Arbeit immer oder meistens unter Stress zu stehen. Vor fünf Jahren waren es noch 18 Prozent gewesen.
Besonders signifikant sei der Anstieg bei den unter 30-jährigen Erwerbstätigen, teilte das Bundesamt für Statistik (BFS) am Mittwoch mit. Bei dieser Altersgruppe stieg der Anteil der gestressten Personen von 19 auf 25 Prozent. Aber auch bei den 30- bis 49-Jährigen nahm der Anteil der Stressgeplagten von 18 auf 22 Prozent zu.
Geschlechterspezifische Unterschiede stellte das BFS bei der Befragung keine fest. Auch habe die Stressbelastung in allen Branchen zugenommen. Doch vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen sei der Anstieg von 18 auf 23 Prozent signifikant ausgefallen.
Burn-out-Risiko
Zwar gab jede vierte Person, die bei der Arbeit meistens oder immer unter Stress steht, an, gut oder ziemlich gut mit der Belastung umgehen zu können. Doch auf der anderen Seite fühlte sich die Hälfte (49 Prozent) der sehr oft gestressten Personen bei der Arbeit emotional erschöpft. Diese Erschöpfung wiederum gilt als Warnsignal für ein hohes Burn-out-Risiko.
Auch auf den Gesundheitszustand wirkt sie sich aus: So wiesen emotional verbrauchte Personen sechs mal mehr Anzeichen einer mittelschweren bis schwere Depression auf, als emotional stabilere Personen (24 Prozent gegenüber 4 Prozent), wie das BFS weiter schreibt.
Jeder Zweite betroffen
Insgesamt war 2017 jeder zweite Erwerbstätige von mindestens drei Typen sogenannter psychosozialer Risiken betroffen. Dazu gehören neben Stress auch die Angst um den Arbeitsplatz, hoher Zeitdruck, geringer Gestaltungsspielraum, fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte, Diskriminierung oder Gewalt am Arbeitsplatz und hohe Arbeitsanforderung.
Das entspricht einer Zunahme von 4 Prozentpunkten gegenüber der letzten Befragung 2012. Damals waren es noch 46 Prozent gewesen. Nur gerade 11 Prozent der Befragten gaben an, unter keiner psychosozialer Belastung zu leiden.
Vor allem auch die Angst um den Arbeitsplatz nahm 2017 stark zu. Dieser Faktor wurde von 16 Prozent der Befragten genannt, das sind drei Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren.
Männer (54 Prozent) stehen häufiger unter hohem Zeitdruck als Frauen (50 Prozent) und sie erfahren auch öfter geringe soziale Unterstützung (21 Prozent gegenüber 18 Prozent). Frauen (37 Prozent) ihrerseits haben einen geringeren Gestaltungsspielraum als Männer (30 Prozent), sind emotional eher beansprucht (26 Prozent gegenüber 23 Prozent) und erleben eher Diskriminierung und Gewalt (21 Prozent gegenüber 18 Prozent).
Physische Risiken stabil
Bei den physischen Risiken hingegen blieb die Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten fünf Jahren stabil, nachdem sie von 2007 bis 2012 noch um neun Prozentpunkte zugenommen hatte. So gaben 45 Prozent der Befragten an, mindestens drei schädlichen Faktoren ausgesetzt zu sein.
Am meisten genannt wurden stets gleiche Bewegungen (61 Prozent). Der Anteil der Frauen, die unter dieser Belastung leiden, stieg gegenüber 2012 um vier Prozent. Oft genannt wurden auch schmerzhafte oder ermüdende Körperhaltungen (50 Prozent bei Frauen und 46 Prozent bei Männern). Weiter gehören zu den physischen Risiken das Tragen schwerer Lasten, hohe Temperaturen, starke Lärmbelastung und die Arbeit mit giftigen Produkten.
Gewerkschaften wehren sich gegen Abbau
Angesichts der Ergebnisse der Befragung ist es für die Gewerkschaft Unia und den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) «unverständlich», dass der Schutz der Arbeitnehmenden durch parlamentarische Vorstösse gefährdet werden solle. Dazu gehörten etwa die Erhöhung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und der maximal täglichen Überzeitarbeit, die Aufweichung des Sonntagsarbeitsverbots und die Abschaffung der Arbeitszeiterfassung.
Die Revision des Arbeitsgesetzes soll im Herbst im Ständerat beraten werden. Die Unia werde sich mit allen Mitteln gegen «diese gesundheitsschädigenden Vorstösse wehren», teilte sie mit. Und der SGB warnte, er werde das Referendum ergreifen, sollten die eidgenössischen Räte «diesen Angriff auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden» nicht stoppen.
(sda/ccr)