Die Rechnung ist einfach: Neun Stunden Arbeit, vier Stunden Studium, eine Stunde Arbeitsweg, zwei Stunden für Essen, Bad und Gutenachtkuss – bleiben acht Stunden für Schlaf und null Stunden für Kino, Einladungen, Zeitunglesen, Fernsehen, Beizenbesuch, Sport. Und das zwei bis vier Jahre lang, sechs bis sieben Tage pro Woche. Der Alltag jener Unverdrossenen, die sich berufsbegleitend auf den Abschluss als Master of Business Administration (MBA) oder als Betriebsökonom FH vorbereiten, ist nur mit eiserner Disziplin zu meistern. Alle wissen, worauf sie sich einlassen, doch jeder und jede stellt sich irgendwann die Frage: Lohnt sich der Aufwand überhaupt?
Er lohnt sich. Ohne MBA, sagt Horst Dreher, wäre er heute nicht Supply Chain Manager bei der ABB Industrie, der grössten ABB-Gesellschaft in der Schweiz mit 1500 Mitarbeitern, 650 Millionen Umsatz und einem Beschaffungsvolumen von rund 50 Prozent des Umsatzes. In seiner neuen Funktion beschäftigt er sich mit Outsourcing und Logistik, mit Preisen und Verfügbarkeit der eingekauften Güter. Der Maschinenbauingenieur mit einem Doktortitel der ETH Zürich hatte nach dem Studium bei Ygnis an der Entwicklung einer neuen Generation von Gaskombigeräten (Brenner, Kessel und Steuerung) gearbeitet und wurde bald Entwicklungsleiter und Produktverantwortlicher. Spätestens in dieser Position wurde ihm klar, dass sein betriebswirtschaftliches Rüstzeug mangelhaft war. «Viele Techniker gehen davon aus, dass der Markt schon weiss, warum er das beste Produkt kaufen soll», sagt Horst Dreher. «Dem ist aber nicht so. Die wirklichen Schwierigkeiten bestehen darin, das Produkt auf den Markt zu bringen und zum Erfolg zu führen.»
Er entschied sich für den Executive-MBA-Lehrgang der Universitäten Rochester und Bern und schloss das berufsbegleitende Studium 1998 ab. Im Sommer 1999 verliess er Ygnis, arbeitete im Prozess- und Managementconsulting bei ABB Business Services und kam danach zur ABB Industrie. «Ohne die MBA-Ausbildung wäre ich meiner heutigen Funktion und den verschiedenen Sonderaufgaben gar nicht gewachsen», ist Horst Dreher überzeugt.
In dieser Einschätzung trifft er sich mit Odile Hettler, Leiterin von Verkaufsprojekten im Departement E-Business von Novartis. Sie hatte nach ihrem Pharmaziestudium zuerst als Pharma-Referentin für Zeneca in Strassburg gearbeitet, danach in der klinischen Entwicklung bei Sandoz. «Ich wusste aber immer, dass ich in einem breiteren Feld tätig sein wollte.» Den ersten Schritt tat sie schon zu Beginn des MBA-Sudiums: Sie arbeitete bei Novartis im Portfolio-Management und beschäftigte sich im Rahmen von Entwicklungsprojekten mit Finanzanalysen für die internationalen Projektteams und das Management.
Sowohl Horst Dreher als auch Odile Hettler hätten viele Möglichkeiten gehabt, ein berufsbegleitendes MBA-Studium zu absolvieren. Den Ausschlag für das Programm Rochester-Bern gaben die Beteiligung einer amerikanischen Business-School mit gutem Ruf, der Unterricht an jedem zweiten Freitag und Samstag und das Schwergewicht des Programms in den Bereichen Finanzen und quantitative Methoden. «Mit Kennzahlen zu führen, wurde mir damit enorm erleichtert», sagt Horst Dreher.
Komplimente dieser Art sprechen sich rasch herum. «Rund 300 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich jedes Jahr für die 50 Studienplätze», sagt Claudio Loderer, Finanzprofessor an der Universität Bern und Leiter des MBA-Programms. Rund 150 Bewerber werden auf Grund der eingereichten Dossiers zu einem Interview eingeladen, ein Drittel von ihnen erhält die Zulassung. Das sind viel zu wenige, um den Bedarf der Wirtschaft nach berufsbegleitenden MBA-Programmen zu decken.
Aber Rochester-Bern ist ja nicht der einzige Anbieter: Seit kurzem hat das weltweit renommierte Institute for Management Development IMD in Lausanne einen Executive-MBA in der Palette; Fachhochschulen und die Universität St. Gallen ergänzten ihr Weiterbildungsangebot mit einem MBA; private Institutionen schneiden sich ein Stück vom Kuchen ab – meistens in Zusammenarbeit mit einer Business-School in den USA oder in Grossbritannien – und jetzt auch die Universität Zürich. Sie hat als Partner die Topschule Stanford in Kalifornien an Bord geholt. Allerdings absolvieren die Studierenden dort lediglich einen Kursblock und erhalten dafür eine Teilnahmebestätigung. Der eigentliche Titel wird nur von der Universität Zürich ausgestellt.
Andere setzen auf Abschlüsse, die auch von den amerikanischen oder englischen Partnerschulen anerkannt sind: Bern kooperiert mit Rochester, die KS Kaderschulen mit der Business-School im schottischen Strathclyde, die GSBA in Zürich mit der State University of New York (SUNY) in Albany. Die Qualität dieser Partner wird aber von den Fachmedien unterschiedlich beurteilt. In der bekanntesten Rangliste der Business-Schools platziert «Business Week» die Universität Rochester auf Rang 21 der US-Schulen, SUNY kommt überhaupt nicht vor. In der «Financial Times»-Rangliste kommt das IMD in Lausanne weltweit auf Platz 11, Rochester auf Rang 33, Strathclyde und SUNY fehlen ganz.
Immerhin gibt es für die Hunderte von Business-Schools in Amerika eine verlässliche Rangliste. Nicht so für die privaten MBA-Anbieter ausserhalb der USA. Auch ein aussagekräftiger Vergleich der Fachhochschulen fehlt. Vielleicht ist es dafür zu früh: Sie sind erst vor zwei Jahren aus den früheren HWV hervorgegangen. Zudem sind die Teilnehmer bei deren Weiterbildungsprogrammen vor allem daran interessiert, ob sich der Unterricht mit dem Beruf kombinieren lässt. Das gilt besonders für die berufsbegleitenden Studiengänge, die zum Ökonomen FH führen. Flavio Caggiula beispielsweise arbeitete von 1995 bis 1999 zu hundert Prozent im Risk-Management von BP, während er sich an der Akad auf den Abschluss als Betriebsökonom vorbereitete. Zu Beginn wendete er für das Studium etwa zwei Stunden pro Tag auf, später vier bis fünf Stunden. Mit Erfolg: Heute leitet er das BP-Tochterunternehmen Union Tank in Zug, das Kreditkarten für Lastwagenchauffeure vertreibt. Des Studierens müde ist Flavio Caggiula noch lange nicht: Als Nächstes will er sich auf das Cambridge Advanced Certificate vorbereiten, danach eine Ausbildung als Finanzplaner und Vermögensverwalter in Angriff nehmen.
Auch Anita Schlatter wollte neben der Ausbildung als Ökonomin an der Akad zu 100 Prozent arbeiten, reduzierte jedoch später auf 80, danach auf 50 Prozent. «Ich habe den Aufwand krass unterschätzt», sagt sie, die auf keinen Fall ihr Leben lang Sekretärin bleiben wollte. Heute arbeitet sie bei der UBS-Tochter Cantrade in der Finanzbuchhaltung.
Der Abschluss als MBA oder Betriebsökonom ist zwar eine günstige Voraussetzung für Beförderungen, aber keine Garantie. Marco Gmür, zuständig für die Ausbildung im Bereich Privat- und Firmenkunden der UBS, betont, die Bank stehe sowohl der MBA- wie der Ökonomenausbildung positiv gegenüber und unterstütze die Mitarbeiter in ihrem Studium und finanziell. Voraussetzung dafür sind allerdings eine gute Leistung und das Potenzial für eine der Ausbildung entsprechende Funktion. Der MBA beispielsweise macht für Angestellte Sinn, die in ihrer Funktion die Strategie verstehen müssen, sie mitgestalten und umsetzen. Viel grösser ist aber der Andrang zu anderen Kursen. «Besonders die ehemaligen kaufmännischen Lehrlinge haben eine hohe Bereitschaft für eine zusätzliche Ausbildung und zeigen eine beachtliche Ausdauer», sagt Marco Gmür. Er ist deshalb glücklich, dass ihnen neben berufsspezifischen Abschlüssen wie dem Bankfachdiplom jetzt auch der Weg an die Fachhochschule und damit zu gelegentlich erstaunlichen Karrieren offen steht. Der Beweis dafür ist UBS-Chef Marcel Ospel. Er hat als Lehrling angefangen.
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