Plötzlich ist der Profit wichtig. Die eben noch trendigen Dotcoms vermelden seit letztem Frühjahr nur noch Pleiten und Massenentlassungen. Die Technologiemärkte durchlebten im letzten halben Jahr eine Bärenstimmung wie schon lange nicht mehr. Reihenweise nahmen bekannte Dotcoms ihren Laden vom Netz, viele Newcomer schoben den geplanten Börsengang auf. Federn gelassen haben auch die Suchdienste, aber immerhin: Sie haben überlebt. Dies verdanken sie wohl ihrem beträchtlichen Marktanteil am gesamten Internet-Traffic: Stolze 90 Prozent aller Surfer-Besuche gelten nämlich einer Suchdienstadresse.
Dass Traffic allein die Investoren nicht mehr überzeugt, zeigt zum Beispiel Yahoo: Seit dem ungebremsten Fall des Nasdaq letzten Frühling verlor der Titel allein im letzten halben Jahr fast 80 Prozent der Börsenkapitalisierung, obwohl Wall-Street-Analysten im letzten Sommer auf Jahresende grossspurig einen Kursanstieg des Titels auf weit über das Doppelte prognostiziert hatten. Mittlerweile hat selbst Merrill Lynchs Internetguru Henry Blodget die Gewinnaussichten des Webgiganten fürs erste halbe Jahr 2001 he-rabgesetzt. Blodget glaubt zwar, dass der Titel per Ende Jahr wieder auf 60 Dollar steigen würde. Sollte diese Prognose zutreffen, wäre die Aktie gleichwohl noch 190 Dollar weniger wert als im Frühjahr 2000. Der Webschnüffler wäre dann mit seinen 2000 Mitarbeitern und einem Marktwert von rund 44 Milliarden Dollar noch immer anderthalb Mal so viel wert wie General Motors, der grösste Automobilhersteller der Welt mit derzeit rund 388 000 Angestellten.
Yahoo ist bei weitem nicht der einzige Suchdienst, dessen Kurs im Jahr 2000 abtauchte. Web.de verlor über die Hälfte, und Ask Jeeves ist nur noch ein Zehntel so viel wert wie nach dem IPO vor drei Jahren.
Diese Kurskorrektur sehen Analysten als Folge gebremster Erwartungen im Bannergeschäft und des dramatisch abgekühlten Internetfiebers der Anleger. Unsichere Businessmodelle, vage Aussichten auf Gewinn und die Abhängigkeit von Onlinewerbung gaben noch bis vor kurzem nicht den geringsten Anlass auch nur für den Hauch eines Zweifels. Heute bringen solche Voraussetzungen die ganze Branche ins Wanken. Ferner ist der Markt für Suchdienste hart umkämpft: Ständig tauchen neue Anbieter auf, Geschäftsideen, Standards und Technologien mutieren schneller als Grippeviren.
Mit fiebriger Geschwindigkeit werden Suchmaschinen zu Portalen und durchlaufen dabei eine paradoxe Metamorphose: Suchmaschinen sind dazu kreiert worden, Informationen auf fremden Webseiten im Netz mittels Hyperlinks schneller zugänglich zu machen, Portale wollen genau das Gegenteil, nämlich den User so lange wie möglich nicht von der eigenen Site lassen.
Der Portal-Wahnsinn war im letzten Jahr mit marktwirtschaftlichen Kriterien nicht mehr nachvollziehbar: Jeder wollte irgendwie Portal sein. Haarsträubende Businessmodelle und verworrene Partnerschaften lösten einander ab im Schnellzugstempo, alle wollten mitmischeln und glaubten, bei einem IPO dickes Geld zu verdienen.
Dabei sind Portale miserable Geschäftsideen: Ob kostenpflichtige Serviceleistungen, bezahlte Links zu einem Onlineshop oder die prozentuale Beteiligung an verkauften Produkten – letztlich geht es immer nur um die Aufmerksamkeit der Besucher, die beim Klick so genannte Ad-Impressions (ein geladener Banner erzeugt pro aufgerufene Seite eine Ad-Impression) generieren. Verrechnet werden diese Ad-Impressions pro Tausend Stück, meistens für einen Betrag um die 90 Franken.
Bei allen möglichen Businessmodellen bilden diese Ad-Impressions die einzige ergiebige Geldquelle von Portal-Sites. Denn von den Besuchern bezahlt kaum einer auch nur einen Rappen für angebotene Dienstleistungen. Revenues aus anderen Geschäftsfeldern bleiben verschwindend klein, und Nutzerdaten, die man weiterverkaufen könnte, gibt es keine, es sei denn, der User ist gezwungen, sich zu registrieren.
Die Attraktivität eines Portals muss erhöht werden, um den Traffic zu steigern. Dazu brauchen Portale dringend redaktionelle Inhalte; sie sind bereit, für qualitativ hoch stehenden Content viel Geld zu bezahlen. Hinter vorgehaltener Hand geben viele Portalbetreiber zu, dass ein hoher Prozentsatz ihres Traffic nicht auf ihr Angebot, sondern in erster Linie auf die Grundeinstellungen des Browsers zurückzuführen ist.
Oft wird die Content-Frage nicht oder zu spät gestellt. Mit fatalen Folgen: In einem Bruchteil einer Sekunde hat sich der User zur Konkurrenz geklickt – ihn dann wieder zurückzugewinnen, ist enorm schwierig.
Beispiel Deja.com: In Zeiten, als das Usenet noch nicht mit Spam zugemüllt war, lieferte Deja.com präzise Informationen aus Tausenden von Newsgroups über eine einfache Suchmaske. Mittlerweile hat der Suchdienst der ersten Stunde so viele Shoppingmöglichkeiten implementiert, dass der Link zur Informationssuche auf der Site nur noch mit Mühe zu finden ist. Der User bedankte sich mit freundlichen Grüssen.
Beispiel Altavista: Altavista galt noch vor fünf Jahren als eine der wichtigsten Sites überhaupt und genoss unter Insidern Kultstatus. Mit der Übernahme von Digital Equipment (DEC) durch Compaq, die den Dienst dann für 2,5 Milliarden Dollar an CMGI verschacherte, änderte sich der Webauftritt von Altavista dramatisch: Der Suchdienst wurde dermassen mit Werbung, Shopping-Channels und wirrem Content zugepflastert, dass die Suchenden nur noch das Weite suchten. Zu Beginn des letzten Jahres startete Altavista ihren Portalauftritt mit viel Pomp und einer Megaparty in New York. Die Userzahlen mussten steigen, wollte man bei einem grosszügig geschätzten Onlinewerbemarkt von 3.5 Millarden Dollar im Jahr absahnen können. In diesem Markt werden bereits dreistellige Wachstumsraten prognostiziert. Solche Zahlen halten jedoch Branchenkenner für unrealistisch, ferner bezweifeln sie generell die hochgelobte Popularität von Onlinewerbung. Erste Korrekturen sind schon bemerkbar: Zum ersten Mal seit der Gründung vor fünf Jahren musste der weltweit führende Online-Werbevermarkter Doubleclick noch vor Weihnachten Mitarbeiter entlassen, Real Media hat ihr IPO nun definitv abgesagt, während der auf E-Mail-Marketing spezialisierten 24/7 Media langsam, aber sicher das Geld ausgeht.
Sicher ist: Es werden nur die grössten Portale vom Werbekuchen profitieren können. Hunderte werden leer ausgehen. Zu den Verlierern sollte Altavista nicht zählen: Zur Untersützung butterte CMGI im letzten Frühjahr nochmals 120 Millionen Dollar in eine gross angelegte Werbekampagne, um Surfer auf die Seite zu zerren.
Genützt hat es nichts. Die Userzahlen wuchsen mässig, ein IPO wurde zum zweiten Mal verschoben, und in England, wo Altavista im Providergeschäft Fuss zu fassen versuchte, warteten 250 000 kostspielig umworbene User vergebens auf die versprochene Flatrate. Im letzten Herbst platzte dann die Bombe: Ein Viertel der Belegschaft wurde gefeuert, in England und Deutschland die CEO ausgewechselt, und die eben noch hochgelobte Portalstrategie wurde flugs über Bord geworfen. Altavista wolle sich fortan nur noch auf das Kerngeschäft konzentrieren, hiess es aus Palo Alto. Die Einnahmen sollen hauptsächlich durch die Lizenzvergabe von Suchalgorithmen und Werbung generiert werden. Altavista will Ende Januar 2001 profitabel werden und den dritten Versuch für einen Börsengang dann im April starten. Der Suchdienst plant, im nächsten halben Jahr 35 länderspezifische Sites aufzubauen. Im November lancierte Altavista ihren Ableger in der Schweiz.
Glaubt man Forrester Research, wird nur eine Hand voll Portale die nächsten zwei Jahren überleben. Zwei davon sind gesetzt: Yahoo und AOL. Yahoo war bislang das einzige Portal, das einen minimalen Gewinn verzeichnen konnte, und AOL hat mit Time Warner gute Aussichten, im Entertainmentgeschäft saftige Gewinne einzufahren. Die Zugriffszahlen der beiden Giganten liegen im Bereich von 80 Millionen pro Tag. Doch auch diese Top-Players sind nicht auf Rosen gebettet. Neben massiven Kursverlusten plagen AOL derzeit vor allem in Deutschland massive Probleme. Trotz Werbeaufwand in Millionenhöhe wächst die Mitgliederzahl kaum. Interner Zwist, eine unterschiedliche Kulturauffassung zwischen den Deutschen und dem amerikanischen Management und starke Konkurrenz machen AOL das Leben schwer. Da helfe auch nicht, dass Boris «Bobele» Becker drin sei, wie die Internetzeitschrift «Net-Business» unlängst schrieb. AOL verfügt vorerst zwar noch über einen gewaltigen Vorteil: Der amerikanische Internetdienst ist nicht allein von Einnahmen durch Werbebanner abhängig. AOL generiert den Grossteil des Umsatzes über das Providergeschäft. Doch auch hier dürfte es mit Blick auf die aufkommenden Gratiszugänge nicht einfach werden, Geld zu verdienen – trotz Breitbandzugang und Flatrate.
In Windeseile und mit viel Werbepower hat auch Lycos im letzten Jahr versucht, in Europa besser Tritt zu fassen. Hätte damals die spanische Telefónica-Gruppe den Suchdienst nicht übernommen, wäre er wohl vor die Hunde gegangen. Nun soll es wieder aufwärts gehen: Mit einem starken Ausbau im Content-Bereich will Lycos-Europe-Chef Christoph Mohn sein Portal an Europas Spitze katapultieren. Ein E-Deal mit dem Medienunternehmen Bertelsmann in der Höhe von 110 Millionen Mark ist bereits unter Dach und Fach. Dennoch rechnet Lycos Europe weiterhin mit gewaltigen Investitionen, die in den nächsten fünf Jahren wieder eingespielt werden müssen. «Wir werden über 500 Millionen Euro investieren. Bei Margen im Werbebereich zwischen 70 und 80 Prozent werden wir mit Sicherheit bald die Gewinnzone erreichen», sagt Ingo Rapold, Sprecher von Lycos Europe. So zuversichtlich sehen die Anleger die Zukunft von Lycos derzeit allerdings nicht: Der Titel verlor im November innerhalb weniger Wochen über 50 Prozent an Wert.
Mit leichtem Gepäck reist es sich profitabler durchs Netz. Klein und bescheiden, ist die Strategie vom Webschnüffler Google. Diskreter Auftritt und keine Bannerwerbung, dafür Schnelligkeit und Präzision in den Suchergebnissen sind das Markenzeichen.
So bescheiden der Auftritt im Netz, so unscheinbar sind die Macher selbst: Etwas verloren stehen Google-Chef Sergey Brin und seine Medienverantwortliche Cindy McCaffrey vor den Presseleuten in Zürich. In Ams-terdam will der Suchdienst eine Niederlassung aufbauen. Brin ist jung. Sein Auftreten gleicht eher demjenigen eines Studenten, der seine erste Seminararbeit präsentiert, doch mit seinen 27 Jahren führt der gebürtige Russe als Präsident der Firma bereits 170 Mitarbeiter und managt 55 Millionen Suchabfragen pro Tag.
Google verkauft in erster Linie Lizenzen für Suchdienste. Das ist per se nichts Besonderes, andere Firmen wie Inktomi, Altavista, Verity, Ask Jeeves machen das auch. Erstaunlich ist vielmehr die rasant wachsende Beliebtheit der Suchmaschine: Der Zuwachs an Traffic verdoppelt sich in jedem halben Jahr.
Die Firma Google mit Sitz in Mountain View, Kalifornien, wurde vor drei Jahren gegründet. Der Start gelang dank einem 100 000-Dollar-Check: Andy Bechtolsheim, Mitbegründer von Sun Microsystems, drückte ihn nach einer kurzen Präsentation frühmorgens auf seiner Terrasse den beiden Stanford-Studenten Larry Page und Sergey Brin für ihren Prototyp in die Hand. Ein Jahr später haben sich Kleiner Perkins Caufield & Bayers und Sequoia Capital mit 25 Millionen Dollar an Google beteiligt.
Nach zwei Jahren hat es Google geschafft, anderen Suchmaschinen die Stirn zu bieten. Wurde Google vor einem Jahr von der Internet-Research-Firma Nielson/e-Ratings nicht einmal erwähnt, rangiert der Suchdienst heute neben Sites wie Altavista, Lycos oder Excite. In Europa hat der Suchdienst seinen Konkurrenten Altavista bereits überholt und liegt auf Platz 23 der am meisten besuchten Internetsites. Während Altavista allein im letzten Jahr 120 Millionen Dollar an Werbung ausgab, ist das Marketing bei Google faktisch inexistent. «Unser Erfolg bei den Usern basiert auf einer reinen Mund-zu-Mund-Propaganda. Ich denke, das ist ein Zeichen für gute Qualität», sagt Birn nicht ohne Stolz. Niedrige Marketingausgaben sind denn auch laut Jefferies-Analyst Toni Bartholet für Portale ein entscheidender Erfolgsfaktor: «Je weniger sie in diesem Bereich ausgeben, umso eher machen sie Gewinne.» Die besten Erfolgsaussichten hat der Suchdienst Google aber wegen seiner Technologie. Unter Kennern figuriert er bereits unter den Top-Sites des Internets. Bereits im letzten Frühjahr wurde Google an der Verleihung der Webby-Awards in San Francisco für die beste technische Leistung ausgezeichnet, in einem umfassenden Test kürte unlängst die Fachzeitschrift «PC Magazine» Google zum besten Suchwerkzeug im Internet: Google sei schnell, verfüge über eine einfache und übersichtliche Suchmaske, hiess es. Ferner liefere Google eine überdurchschnittlich hohe Trefferrate an relevanten Ergebnissen.
In der Tat benötigt Google für Suchergebnisse manchmal nicht länger als eine halbe Sekunde. «Diese enorme Geschwindigkeit erreichen wir dank einem Netzwerk von 6000 Computern», sagt Sergey Brin, «somit sind wir viel schneller als mit einem einzelnen Supercomputer.» Ein weiterer Grund für die Geschwindigkeit sind ferner die fehlenden Werbebanner, auf die Google ganz bewusst verzichtet. Textwerbung, wie sie Google verwende, sei Bannerwerbung überlegen, weil die herkömmlichen Vermarktungsinstrumente für Banner noch kein Targeting zulassen. «Ein Werbekunde kann direkt über unsere Homepage Textwerbung setzen, die dann neben den gewünschten Suchergebnissen erscheint. Somit können gezielt Suchergebnisse mit Werbetexten verbunden werden.»
Das Konzept scheint zu klappen: Immerhin generiert Google einen jährlichen Umsatz von rund 90 Millionen Dollar durch Werbe- und Linzenzeinnahmen. Trotz gegenwärtig fehlendem Profit ist Brin zufrieden mit der finanziellen Lage: «Wir arbeiten zwar noch nicht Gewinn bringend. Doch es ist beruhigend, zu wissen, dass wir dank unseren Zugriffszahlen schon morgen profitabel sein könnten, würden wir heute mit dem Bannervermarkter Doubleclick einen Vertrag unterschreiben.»
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