Seit dem 22. Mai dieses Jahres steht mit Josef Ackermann erstmals ein Schweizer der Deutschen Bank vor. Ihrem verstorbenen, fast schon legendären Chef Hermann Josef Abs wird der Vergleich in den Mund gelegt, Gewinne zu erwirtschaften, sei für ein Unternehmen wie das Atmen für den Menschen: kein Selbstzweck, sondern unbedingte Voraussetzung dafür, andere Ziele zu verfolgen. So verwirrend der Rückgriff von Abs auf die selbstverständliche Tätigkeit des Atmens auf den ersten Blick auch sein mag, so wichtig ist gleichzeitig der Hinweis darauf, dass Unternehmen in einer Marktwirtschaft nur dauerhaft existieren und Arbeitsplätze erhalten können, wenn sie Gewinne erwirtschaften. Allerdings stellt man sich heute die Frage, ob die in dem Vergleich enthaltene Rangfolge denn so noch stimmt oder ob sie je gestimmt hat: Sind Gewinne nur eine Nebenbedingung, oder ist die Profitmaximierung das oberste und bei weitem wichtigste Unternehmensziel?

Für William Vanderbilt war diese Frage Ende des 19. Jahrhunderts klar, als er meinte: «The public be damned. I’m working for my stockholders.» Der Nobelpreisträger Milton Friedman schrieb 1970 in der «New York Times»: «There is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition without deception or fraud.»

Die geradezu abenteuerlichen Ereignisse um die Pleite gegangene Enron oder mancher Unternehmen am Neuen Markt in Deutschland, bei denen beispielsweise in einem Fall rund 90 Prozent des Umsatzes schlichtweg erfunden waren, untersteichen die Bedeutung von «ohne Täuschung oder Betrug».

Natürlich kann man sich als diversifizierender Anleger nicht mit hundertprozentiger Sicherheit vor Betrug schützen. Diese Sicherheit kann auch ein Ausbau von staatlichen Stellen und privaten Ratingagenturen nicht garantieren. Man kann aber als Anleger dazu beitragen, dass sich bei den Unternehmen die Spreu vom Weizen trennt. Und gerade hier können Banken durch die Schaffung von Transparenz ihren privaten und institutionellen Kunden helfen. Seit über fünf Jahren gibt es nun das Sustainable Investment, das sich über den langfristigen Erfolg unternehmerischen Handelns aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Perspektive Gedanken macht. Und sowohl das Wachstum in den vergangenen Jahren einerseits als auch die sich häufenden Skandale (verbunden mit Forderungen beispielsweise nach einer besseren Corporate Governance) andererseits sind klare Zeichen dafür, dass dieser Investmentansatz immer bedeutender wird.

Die Rolle der Banken
Banken nehmen in einer modernen Wirtschaft eine zentrale Rolle als Intermediäre ein, indem sie Unternehmen, Privatpersonen oder Ländern Kapital zuteilen oder verweigern. Damit verfügen sie unbestreitbar über einen erheblichen Einfluss. Diese Mittlerrolle hat unzweifelhaft zum stetig steigenden Wohlstand in Marktwirtschaften beigetragen. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch nicht zu übersehen: Eine Kontrolle durch Eigentümer findet kaum noch statt. Während früher Anleger noch wussten, worin sie investierten, ist dies heute auf Grund von breitester Kapitalstreuung und innovativen Finanzprodukten kaum noch der Fall. Im Verwaltungsrat vieler Unternehmen sitzen heute zwar Vertreter von Banken. Sie nehmen jedoch die Interessen ihrer Banken und nicht diejenigen der (Klein-)Aktionäre wahr.

Natürlich bedarf es Kontrollinstanzen inner- und ausserhalb von Unternehmen. Die oberste Kontrollinstanz ist und bleibt jedoch – aus juristischer und moralischer Sicht – der Eigentümer, im Falle einer Aktiengesellschaft also der Aktionär. Durch die für Kleinsparer vernünftige Zwischenschaltung von Investmentfonds können sie aber heute ihrer Verantwortung gar nicht mehr nachkommen. Es besteht also die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, dass Eigentum und Verantwortung wieder zueinander finden, denn Verantwortung bringt immer auch Kontrolle mit sich.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Diskussion um Strukturen (Stichwort: Corporate Governance) und Transparenz. Gerade weil Aktien als langfristiges Investment beispielsweise für die Altersvorsorge unverzichtbar geworden sind und daher hohe Summen in Unternehmen investiert werden, bedarf es solcher Grundregeln, wie sie Milton Friedman in seinem eingangs erwähnten Zitat postuliert. Und gerade deshalb ist es auch aus Aktionärssicht nicht akzeptabel, wenn ein grundsolides Unternehmen wie Porsche einen Rauswurf aus dem MDax in Kauf nimmt, nur weil sich das (von den Aktionären bestellte) Management weigert, in Zukunft Quartalsberichte zu veröffentlichen und dies ausgerechnet damit begründet, dass die Eigentümer dadurch nur verwirrt würden. Auf Grund der hervorragenden Performance der Aktie hielt sich der Widerstand der Aktionäre in Grenzen. Doch was passiert, wenn der Kurs der Aktie fällt? Werden dann die Aktionäre zu «ihrem» Unternehmen halten, das für sie nur eine Blackbox ist?

Ein verbreitertes Blickfeld
Gerade die Tatsache, dass Finanzdienstleister in letzter Zeit auf Grund vieler spektakulärer Beispiele immer heftiger unter Beschuss geraten (als Beispiele seien geschönte Kaufempfehlungen durch J.P. Morgan, die ruinösen Spekulationen des Börsenhasardeurs Nick Leeson oder der Fall Swissair genannt), zeigt, dass hier ein Handlungsbedarf besteht. Und manche Banken und Versicherungen sind gerade im Prozess des Umdenkens und Umsteuerns hin zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung (häufig kurz: Nachhaltigkeit, auf Englisch: Sustainable Development oder Sustainability).

Unter nachhaltiger Entwicklung versteht man «die Befriedigung heutiger Bedürfnisse, ohne zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu nehmen, ihrerseits ihre Bedürfnisse zu befriedigen.» Ziel ist es, Ökonomie, Ökologie und Soziales in einen langfristig tragfähigen Einklang zu bringen.

Es gibt inzwischen eine grosse Vielfalt nachhaltiger Finanzprodukte, die zwar ebenfalls eine gute Performance erzielen (wollen), dies aber nicht auf Grund ökologischer und sozialer Kosten, die letztlich alle tragen müssen.

Sustainable Investment by Bank Sarasin
Seit inzwischen über zehn Jahren bietet die Bank Sarasin Sustainable Investment an und zählt mit heute über 2,6 Milliarden Franken zu den grössten Anbietern in Kontinentaleuropa. Der Erfolg basiert dabei auf zwei Säulen: Die erste ist ein innovatives, glaubwürdiges, nachvollziehbares und systematisches Research von Unternehmen, Institutionen und Ländern. Hier werden Aktien und Obligationen aus ökologischer, sozialer, aber auch aus ökonomischer Perspektive betrachtet. So machen sich die Analysten Gedanken, ob ein Unternehmen aktiv an ökologische Probleme herantritt und wie es die Bewältigung dieser potenziellen Risiken – lange bevor gesetzliche Regelungen es zwingen – in die Geschäftsstrategie einbindet. Oder wie sich der Umgang mit den Anspruchsgruppen (auch Stakeholder genannt) gestaltet, die über kritische Ressourcen für das Unternehmen verfügen. Es gibt in der Vergangenheit genügend Beispiele, wie der unvorsichtige oder gedankenlose Umgang mit einer Anspruchsgruppe das Image oder eine Geschäftsbeziehung geschädigt und somit den Aktionär echtes Geld gekostet hat. Aus ökonomischer Perspektive wird auf die Solidität und die Tragfähigkeit der Governance-Strukturen des jeweiligen Unternehmens geachtet.

Die zweite Säule des Sarasin Sustainable Investment ist ein aktives Portfoliomanagement. Denn eine ökologische und/oder soziale Nachhaltigkeit ist zwar eine langfristig notwendige Bedingung für eine gute Performance, aber nicht, wie manche behaupten, eine hinreichende. Denn es hat in den vergangenen Jahren wiederholt Unternehmen gegeben, die zwar von manchen Ratingagenturen ökologische und/oder soziale Spitzenbewertungen erhielten, sich aber nicht hinreichend auf die ökonomische Leistung konzentrierten und daher heute der Geschichte angehören. Ein wirklich erwirtschafteter Gewinn ist zwar nicht alles, aber ohne Aussicht auf Gewinn ist alles unternehmerische Handeln nichts.

Während durch das Nachhaltigkeitsresearch eher die langfristigen, strategischen Aspekte der einzelnen Unternehmen (aber auch Länder) untersucht werden, rücken im Portfoliomanagment eher die mittelfristigen Überlegungen in den Vordergrund. Diese umfassen zum einen den Top-down-Ansatz, in den die momentane und erwartete Verfassung der Märkte und Prognosen über das Wachstum, die Zinsen und Währungen einfliessen. Zum anderen kommt ein Stockpicking im Rahmen des Bottom-up- Ansatzes zum Tragen. Bewertungsgrundlage sind hier sowohl quantitative (unter anderem absolutes und relatives P/E, Gewinnwachstum, PEG-Ratio, CFPS, Dividendenrendite, ROE oder andere Rentabilitätskennzahlen und Free Cashflow) als auch qualitative Aspekte (Management, Produktepalette, Gewinnvisibilität, Akzeptanz im Markt und andere). Es wird nach diesem sehr sorgfältig durchgeführten Prozess nur in diejenigen Aktien investiert, welche sowohl als nachhaltig bewertet wurden wie auch finanziell attraktiv erscheinen.

Nachhaltiges Investment erschöpft sich bei uns jedoch nicht nur in einer einmaligen Bewertung eines Unternehmens und dem Kauf von Aktien. Vielmehr belohnen wir die Transparenz von Unternehmen mit einer konstruktiven Kommunikation. So begleiten Nachhaltigkeitsanalysten die untersuchten Unternehmen über die Zeit, geben dem Management bei Besuchen positiven Feedback hinsichtlich des Geleisteten und üben Kritik, wenn beispielsweise selbst gesteckte Ziele nicht erreicht wurden. Sollte dies im schlimmsten Falle dazu führen, dass das Unternehmen im Nachhaltigkeitsrating herabgestuft wird und daher aus dem Portfolio genommen werden muss, wird dies den Unternehmen klar kommuniziert. Als die Volumina nachhaltig verwalteter Vermögenswerte noch relativ gering waren, war die Wirkung einer solchen Ankündigung recht begrenzt. Heute hat sich dies aus zwei Gründen geändert: Zum einen ist damit ein Imgaeverlust verbunden, dessen Kommunikation sowohl nach innen als auch nach aussen nicht mehr leicht ist. Zum anderen haben die Unternehmen den Wert von nachhaltigen Investoren erkannt, denn diese mögen zwar mit ihren Fragen nicht immer bequem sein, bieten aber auf Grund ihres langfristigen Anlagehorizontes einen guten Schutz vor Übernahmen als auch eine Basis für Kapitalerhöhungen zur Finanzierung von Wachstum.

Damit Sarasin Sustainable Investment als Anbieter von Nachhaltigkeitsprodukten den Interessen der Fondsanleger gerecht werden kann, sind wir an Transparenz für alle – insbesondere jedoch für die Eigentümer – interessiert und fordern diese bei unseren Unternehmensbesuchen auch ein. Gerade diese Kommunikationsstrategie hat in den letzten zwölf Jahren immer wieder zum Erfolg geführt, wenn auch häufig unbemerkt von der Öffentlichkeit. Dieses stille Einwirken mag zwar nicht so publicityträchtig sein wie ein donnernder Auftritt auf einer Generalversammlung, erwies sich aber in der Vergangenheit fast immer als der Schlüssel zum Erfolg, Unternehmen zu einer nachhaltigeren und damit erfolgreicheren Wirtschaftsweise zu bewegen.

Fazit: Eine Kontrolle von Unternehmen sollte nicht nur durch externe (egal ob staatliche oder private) Stellen erfolgen, sondern gerade vermehrt durch die Eigentümer, in beschränkterem Umfang durch die Gläubiger und deren Vertreter. Hier setzt genau das nachhaltige Investment an, das nicht nur Zahlen aus der Vergangenheit übernimmt, als Trend für die Zukunft extrapoliert und diese Informationen weitergibt, sondern sich um ein «ganzheitlicheres» Bild von einem Unternehmen bemüht. Ziel dieses (teils recht hohen ) Aufwandes ist es, die finanziellen Chancen und Risiken eines Unternehmen zu identifizieren und zu bewerten – zum Nutzen aller: der Gesellschaft, der Unternehmen und der Investoren.


Zu den Personen
Andreas Knörzer
ist Leiter von Sarasin Sustainable Investment in Basel.
Erol Bilecen ist Marketingassistent der Bank Sarasin in Basel.
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