In der Schweiz herrscht Ratlosigkeit über die Untätigkeit der griechischen Regierung. Das Krisenland braucht dringend Kapital, die Staatspleite droht. Dennoch lässt der linke Premier Alexis Tsipras eine Menge Geld liegen: Er hat bisher nichts unternommen, um in der Schweiz lagernde Schwarzgelder zu versteuern. Dabei besteht ein entsprechendes Hilfsangebot aus der Schweiz seit über einem Jahr. Es fehlen wenige Schritte von Seiten der Griechen, um die ausstehenden Abgaben einzustreichen.
«Der letzte Kontakt hat im Februar 2014 auf Ministerebene stattgefunden, seitdem haben wir weder von der alten noch von der neuen Regierung etwas gehört», sagt Mario Tuor, Sprecher des Staatssekretariates für internationale Finanzfragen (SIF) und bestätigt damit einen Bericht der «Welt am Sonntag».
Anderthalb Jahre lang hatten die Schweiz und Griechenland verhandelt. Anfang Februar 2014 reiste Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf nach Athen und bekräftigte ihre Gesprächsbereitschaft. Seitdem herrscht Funkstille von Seiten der Griechen.
Die Schweiz in der «moralischen Pflicht»
Das Absurde: Nach seiner Wahl im Januar hat Ministerpräsident Tsipras in seiner ersten Regierungserklärung die Reform des Steuersystems zur Priorität erklärt. Die Elite müsse jetzt zahlen, hiess es. «Wir werden Auslandsüberweisungen in die Schweiz genau überprüfen», führte Nikos Filis die Pläne der griechischen Regierung im Interview mit der «Sonntagszeitung» aus.
Der Syriza-Fraktionschef gab sich in dem Gespräch entrüstet. «Die Schweiz muss erkennen, dass sie in der moralischen Pflicht steht, uns bei den Untersuchungen gegen Steuerbetrüger zu helfen», sagte er. Die Bereitschaft zu helfen, gibt es seitens der Schweiz jedoch seit vielen Monaten. Vielmehr sieht das Eidgenössische Finanzdepartement die Griechen am Zug: Dem hochverschuldeten Staat stehen die gleichen Möglichkeiten offen wie unter anderem Grossbritannien, Österreich oder Italien.
Abkommen zwischen Griechenland und der Schweiz auf Eis
Diese Länder haben Abkommen geschlossen, nach denen sie die Hilfe der Schweiz auf der Suche nach Steuersündern in Anspruch nehmen können, noch bevor ab 2018 der Automatische Informationsaustausch (AIA) umgesetzt wird. Auf Antrag leistet die Schweiz Amtshilfe und ermöglicht auch Gruppengesuche, mit denen ein Land gleich zu mehreren Kontoinhabern Informationen erfragen kann.
Ein solches Abkommen zwischen Griechenland und der Schweiz liegt auf Eis, weil Premier Tsipras sich nicht meldet. Von den aktuell 800 Millionen Franken, die reiche Griechen in der Schweiz heute halten, ist ein Teil unversteuert. Angesichts einer öffentlichen Gesamtverschuldung von fast 320 Milliarden Euro ist ein solche Summe vergleichsweise gering. Dennoch: Bleiben die Griechen untätig, könnten die Vermögenden ihr Geld noch vor dem Inkrafttreten des AIA abziehen. Dann wären diese Steuergelder für Athen endgültig verloren – und die Reichen nicht zur Kasse gebeten worden.