Floskeln aus dem Alltag der Unternehmenswelt klingen nicht nur meistens etwas peinlich, sondern sind vor allem dazu da, Klartext zu beschönigen. Dabei ist die Bandbreite der einsetzbaren Wortschöpfungen unendlich.
Von Begriffen, die einen kompetenter erscheinen lassen als man wirklich ist, bis zu Worthülsen, die eine versteckte Botschaft an die Kolleginnen und Kollegen oder ein Misstrauensvotum gegen den Chef beinhalten. Natürlich alles in wohlklingenden Formulierungen verpackt. Was bedeuten die Sätze also und wie werden sie genutzt? Der Überblick.
1. Wir brauchen eine Leadership-Infusion
Wer etwas blumig ausdrücken möchte, dass er mit seinem Chef nicht ganz zufrieden ist oder sich einen neuen Teamleiter wünscht, kann unverbindlich und vor allem unpersönlich von einer dringend nötigen «Leadership-Infusion» schwadronieren.
2. Die Dotted Line zum CTO ist zu schwach
Die Dotted Line bezeichnet in einem Betriebsorganigramm eine fachliche Weisungsbefugnis (im Gegensatz zu einer disziplinarischen). Wenn also ein Abteilungsleiter sagt, dass ihn die Dotted Line zu jemanden stört, dann möchte er die Kompetenz haben, um den Betreffenden zu ermahnen, zu feuern oder zu belohnen. Mit Begriffen wie «Dotted Line» lassen sich Machtgier und der Wunsch nach mehr Befehlsgewalt professionell kaschieren.
3. Go it alone war ein Fehler
Wer einen Alleingang bei einem Projekt oder der Lancierung einer Sache mutig aussehen lassen will, nennt den Vorgang ein «Go it alone». Das klingt besser als Tunnelblick, Beratungsresistenz und Kamikaze-Aktion.
4. Wie languagen wir das?
Eine grosse Zahl von Mitarbeitern wird entlassen? Eine Abteilung wird geschlossen? Eine gute Sprachregelung muss her. Sie sagen natürlich nicht: «Wie beschönigen wir das?» Sondern: «Wie languagen wir das Ding?» Vorsicht: Systematische Beschönigungen machen Sie nicht unbedingt beliebter.
5. Lass es uns townhallen
Eine Entscheidung wurde getroffen, eine grosse Zahl von Mitarbeitern muss informiert werden. Anstatt zu sagen, dass Sie eine Mitarbeiterversammlung einberufen, wird die Info einfach «getownhallt». Darunter kann ein Massen-E-Mail genauso fallen wie eine Versammlung, bei der alle Besucher abstimmen dürfen. Wie so viele Anglizismen und Management-Floskeln erlaubt die Schwammigkeit des «Townhall»-Begriffs, hier keine schnelle Festlegung treffen zu müssen.
6. Der CEO hat eine begrenzte Bandwith
Der Begriff kommt aus der Telekommunikationstechnik und bezeichnet die Menge der Daten, die eine Leitung übertragen kann (auch Bandbreite genannt). Inzwischen hat er es auch in die Büros dieser Welt geschafft. Wenn Sie jemandem kryptisch mitteilen wollen, dass er mit seinen Aufgaben überfordert ist oder nicht mehr richtig priorisieren kann, erwähnen Sie mal seine begrenzte Bandwidth.
7. Ich mache mich mal mute
Wer im Büro endlich Ruhe haben möchte, aber Sätze wie «Nicht stören» oder «Ich schaue jetzt mal in Ruhe ein Facebook-Video» nicht sagen will oder kann, greift auf den Satz «Ich mache mich mal mute» zurück. Das klingt nach kontemplativem Rückzug oder intensiver Hochleistungsphase ohne äussere Einflüsse.
8. Wie changeanfällig ist das Outcome?
Wenn Sie nicht wirklich glauben, was Ihnen der Mitarbeiter da erzählt, vor allem wenn er von unrealistischen Verkaufszahlen oder Ähnlichem spricht, verwenden Sie die Floskel der «Changeanfälligkeit». Damit bleiben Sie neutral, aber drücken dennoch gewisse Zweifel aus.
9. Es reicht nicht mehr, nur zu leapfroggen
Wenn jemand ständig versucht, eine Abkürzung bei einem vorgegebenen Prozess zu nehmen, oder, etwas negativer ausgedrückt, halblegale Schleichwege sucht, dann begeht er im Jargon der Business-Sprache ein «Leapfrogging». Wenn man es so ausdrückt, hat das Überspringen von Regeln, Prozessstufen, Vorgaben aber nicht mehr nur etwas Negatives, sondern durchaus auch etwas Speditives.
10. Wir stretchen die Brand Identity damit aber ziemlich stark
Das neue Marketingprojekt hat nichts mehr mit der Marke zu tun, sondern ist eine abgedrehte Social-Media-Spinnerei? Sie wollen aber auf keinen Fall als innovationsfeindlich oder zu konservativ gelten? Dann geben Sie einfach zu bedenken, dass die Brand Identity etwas zu stark gestretcht wurde. Und dass diese unzulässigen Dehnübungen schnellstens zu beenden sind.
11. Die Skeleton-Crew reicht mir nicht mehr
Eine Skeleton-Crew kann vieles bedeuten, vom Stammpersonal bis zu einer Notmannschaft. Natürlich können Sie die Schwammigkeit des Begriffes entsprechend für sich nützen. Sie haben zu wenig Leute im Team? Beklagen Sie sich über Ihre Skeleton Crew. Jedes Team, egal wie gross es ist, wirkt mit dem Skeleton-Label so, als müsste es dringend aufgestockt werden.
12. Die Servietten der Kantine sind nicht on brand
Wenn Sie darauf hinweisen wollen, dass etwas fehlt, aber Sie nicht pingelig erscheinen wollen, sagen Sie, dass irgendetwas nicht «on brand» ist. Niemand kann dieser wunderbaren Wortschöpfung widersprechen – wer will schon, dass irgendwas im Unternehmensumfeld «off brand» ist.
13. Bitte bereite ein paar Folien auf, die den Prozess plotten
Nacherzählung oder Erklärung braucht ein Manager natürlich nicht. Deshalb liest er Plottings! Das klingt zwar furchtbar, hat aber den Anschein eines tieferen Plans.
14. Der Innovation Lag ist zu gross
Ihr Unternehmen gehört nicht unbedingt zu den einfallsreichsten? Ihr Produkt hat schon lange den Anschluss an die Branchenleader verloren? Beklagen Sie sich über den Innovation Lag. Das klingt fast so mondän wie Jetlag, bedeutet aber nichts anderes, als dass Sie rückständig, innovationsfaul und in wenigen Jahren wahrscheinlich vom Markt verschwunden sind – nur eben etwas professioneller ausgedrückt.
15. Ich glaube wir müssen das Projekt sunsetten
Ein Sonnenuntergang an einem Strand auf den Seychellen. Wer käme auf die Idee, dieses herrliche Bild mit dem Stopp eines Projekts in Verbindung zu bringen? Gewiefte Berater, die mit der Verbindung dieses filmreifen Bildes mit etwas so Brutalem wie einem Marschhalt die Höhe ihrer Kunst erreicht haben.