Hans Rudolf Reber hat in seiner gut zehnjährigen Karriere als Mitbesitzer eines industriellen Zulieferers den Umbruch eines Gewerbes erlebt: Zusammen mit seinem Geschäftspartner Hans Rudolf Haas machte er sich 1990 per Management-Buy-out mit einer Ascom-Fertigungsstätte selbstständig. «Damals sind wir gleich in die Krise der früheren Neunzigerjahre gerutscht und mussten in einer schwierigen Zeit nach neuen Kunden suchen.»
Die Durststrecke hat Haas und Reber jedoch sportlich gemacht: Der Solothurner Betrieb, der unter dem Namen Polymec Werkzeuge für Spritzguss- und Stanzmaschinen herstellte, wuchs kontinuierlich. Die Qualitätsanforderungen der Kundschaft aus dem Elektro- und dem Medizinaltechnikbereich wuchsen allerdings mit, und die Polymec versuchte, mit hohen Investitionen Schritt zu halten. So stieg das Unternehmen Mitte der Neunzigerjahre in die Eigenproduktion von Stanz- und Spritzgussteilen ein. «Das war nötig, um unseren Kunden getestete Werkzeuge liefern zu können.»
Dank dieser strategischen Weichenstellung überlebte die Polymec auch die Asienkrise unbeschadet, die unter den europäischen Industriezulieferern einen gewaltigen Flurschaden anrichtete. «Die grossen Hersteller drückten die Zulieferpreise und verlangten gleichzeitig immer bessere Lösungen», blickt Reber zurück. Polymec reagierte auf diesen so genannten Lopez-Effekt mit einer Verstärkung des Innovationsmanagements und agiert seither als Lösungsanbieter auf höchstem Qualitätsniveau. «Dafür zahlen Spitzenkunden auch einen guten Preis», bringt Reber die heutige Positionierung auf den Punkt.
Firmen wie die Polymec sind typisch für eine ganze Generation von Industriezulieferern, die in den Neunzigerjahren den Wandel von der verlängerten Werkbank zum Produktionspartner geschafft haben und die ganz nebenbei auch eine über Jahrzehnte gültige Theorie ausgehebelt haben. Nämlich die Theorie, die besagt, dass ein Zulieferer vom Arbeitsüberschuss der Grosskunden lebt – und in Krisenzeiten arbeitslos wird. In der Praxis allerdings sind heute viele Zulieferer konjunkturresistenter als ihre Kunden.
«Bei uns sinkt der Umsatz trotz Krise nur wenig», freut sich Reber. Dies im Gegensatz zu den vermeintlich grossen Namen in der Schweizer Industrie. Kurzarbeit und/oder Entlassungen bei der ABB, bei der Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG), bei der Alu Menziken oder bei Huber + Suhner: Angesichts der Häufung von Entlassungsmeldungen in der helvetischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) berief der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) Ende November sogar eine nationale Pressekonferenz ein. Die Situation in der Schweizer MEM-Industrie, so SGB-Sprecher Thomas Göttin, sei dramatisch.
«Mit dem Nachfrageeinbruch auf den internationalen Märkten für Konsum- und Büroelektronik ist ein wesentlicher Treiber der beispiellosen industriellen Hausse ausgefallen, die wir in den letzten drei Jahren erlebt haben», analysiert Urs Zimmermann, Präsident des Wirtschaftsverbands der Automation, Elektronik, Informatik und Medizintechnik (SAP-Verband). «Momentan befinden wir uns auf der Schattenseite einer zyklischen Bewegung.» Zudem, so Zimmermann, «werden die Zyklen immer härter und kürzer».
Er nennt zwei Gründe: Erstens schlügen die drei grossen Weltmärkte USA, Europa und Japan mehr und mehr im selben Takt, und zweitens führe das andauernd hohe Innovationstempo dazu, dass die Hersteller von Standardprodukten kaum mehr für ihre Lager produzieren könnten. Wenn beispielsweise die UMTS-Pläne der europäischen Telekom-Konzerne nicht vom Fleck kommen, spürt das ein Infrastrukturverkäufer wie Huber + Suhner praktisch unvermittelt.
Spurlos ist die Krise der IT- und der Telekommunikationsindustrie auch an der Polymec nicht vorbeigegangen. So litten die Solothurner unter der Beerdigung des Voyager-Projekts durch die lange Zeit hochgelobte Berner Monec. Das Unternehmen hatte ein tragbares Multimediagerät entwickelt, geriet aber in diesem Frühjahr in ein Finanzierungsloch und stellte das Projekt im Sommer stillschweigend ein.
Von Kurzarbeit und Kündigungen ist allerdings bei der Polymec keine Rede. «In den letzten beiden Jahren haben wir Kunden wie die Burgdorfer Disetronic, ein Wachstumsunternehmen aus der Medizinaltechnik, dazugewonnen», erläutert Hans Rudolf Reber. Es verwundert deshalb nicht, dass er durchaus positiv gestimmt in die Zukunft blickt – wie übrigens auch die Mehrzahl seiner Kollegen. Laut einer Umfrage des Zuliefererverbandes Swissmechanic gehen die meisten Verbandsmitglieder optimistisch ins neue Jahr.
Laufend neue Projekte aufgleisen, mit denen sich langfristig Geld verdienen lässt: Auf diese für KMUs typische Agilität setzt auch die Grenchner Firma Rolf Hänggi AG. Das Unternehmen produziert Stanzteile für die Halbleiter- und die Automobilindustrie. «Auch uns hat der Abstieg der Handy-Industrie in Mitleidenschaft gezogen», sagt Vollblutunternehmer Rolf Hänggi, der mit seinem Betrieb vor zehn Jahren gestartet ist. Doch Hänggi hat vorgesorgt, und zwar mit neuen Aufträgen für die Automobilindustrie.
Hintergrund ist eine technische Umstellung in der Verkabelung der Automobile, die sich in den kommenden Jahren weltweit durchsetzen wird: Anstatt aufwändiger Kabelbäume verlegen die Hersteller neu einfache Bussysteme in die Karosserien, die sämtliche elektronischen und elektrischen Geräte mit einem zentralen Industrie-PC verknüpfen. Die ersten Wagen der neuen Generation sind die 7er-Modelle von BMW. Hänggi hat sich frühzeitig mit dem einschlägigen Systemlieferanten in Verbindung gesetzt und liefert seit diesem Herbst die Basisträger für die Chips an den «Ausfahrten» des Bussystems.
Produziert werden die Basisträger unter anderem in den neuen Fertigungskapazitäten, die Hänggi dieser Tage in Betrieb nehmen kann. Mittelfristig soll die Zehn-Millionen-Investition eine Verdoppelung der Produktion ermöglichen, und dies obwohl im Zuge der allgemeinen Verunsicherung auch Hänggi seine Wachstumspläne nach unten korrigieren musste. Von einer Fehlplanung mag er aber nicht reden. «Wer vorwärts machen will, muss investieren», kommentiert Hänggi sein antizyklisches Verhalten. Dabei erhält er Sukkurs von Hans Rudolf Reber: «Wir investieren als Kleinbetrieb jedes Jahr rund anderthalb Millionen Franken in die Aufrüstung der Produktion.»
Eine Produktionsinfrastruktur der Spitzenklasse ist jedoch nur die eine Seite des neuen Zuliefergeschäfts. Die andere besteht im laufenden Ausbau des Ingenieur-Know-how. Sowohl bei der Rolf Hänggi AG als auch bei der Polymec sind praktisch alle Produktionsaufträge mit Engineering-Aufwendungen verbunden. «Wir leisten uns fünf Ingenieure für die Projektentwicklung», sagt beispielsweise Hans Rudolf Reber. Die Zeit der reinen Lohnfertigung ist bei den meisten Hochleistungszulieferern abgelaufen.
Damit tragen Kleinfirmen nicht nur die Verantwortung fürs eigene Geschäft, sondern auch noch für den Erfolg des Kundenprodukts. Denn wenn aus der angepeilten Innovation nichts wird, ist auch ein vertraglich fixierter Teil der Entwicklungsaufwendungen für die Katz. Hans-Rudolf Meyer, Geschäftsleiter des Verbandes der Schweizer Drehteile-Industrie und bis letzten Frühling Sekretär des Schweizerischen Zulieferforums, weiss von Zulieferverträgen, «die man unter dem Gesichtspunkt des Risikomanagements kaum unterschreiben dürfte».
Doch was die Unternehmen nicht umhaut, macht sie stark. Zumal die Überwälzung der Innovationsanstrengungen auf die Zulieferer auch eine Kehrseite hat: «Die Grossen verlieren immer mehr Produktions-Know-how und können ihre kreativen Zulieferer nicht mehr so stark unter Druck setzen wie noch vor ein paar Jahren», weiss Robert Welna, Direktor von Swissmechanic, dem Branchenverband der mechanisch-technischen Zulieferer. Mit anderen Worten: In puncto Innovation geben heute die Zulieferer den Ton an. In der Computerindustrie ist das schon lange üblich. Die Prozessorleistungen der PCs hängen schon lange nicht mehr von Dell oder Compaq ab. Die Musik macht dort Intel. Und genau so läuft der Trend in der übrigen Industrie. «Oft müssen wir als kleiner Schweizer Zulieferer mit zu den Kunden unserer Kunden, weil die ihr eigenes Produkt nicht mehr verstehen», sagt Rolf Hänggi nicht ohne Genugtuung.
Von Schadenfreude gegenüber den Grossfirmen, welche die Kleinen jahrelang gedrückt haben, ist bei den Zulieferern allerdings nichts zu spüren; vor allem nicht gegenüber den helvetischen Riesen. Und dies durchaus mit Grund, denn auch wenn schon seit Jahren vom so genannten Global Sourcing die Rede ist, existiert noch immer eine regionale beziehungsweise nationale Beschaffungskultur. So schätzt der Branchenverband der schweizerischen MEM-Industrie (Swissmem), dass seine Mitglieder immer noch rund 30 Prozent ihrer Zulieferprodukte in der Schweiz einkaufen.
Was die innovativen Zulieferer aber vor allem fürchten, ist die zunehmende Mühe der helvetischen Grossunternehmen, neue Projekte zu stemmen. Wenn es beispielsweise die Ascom nicht schafft, ihre Powerline-Technologie (Stichwort: Daten über Stromkabel) auf den Märkten durchzudrücken, sinken dadurch auch die Chancen der innovativen Zulieferer. «Es braucht die Grossen», sagt Polymec-Chef Hans Rudolf Reber, der den «schleichenden Zerfall» seines langjährigen Arbeitgebers Ascom mit Sorge beobachtet.
Ohne Schrittmacher mit einem funktionierenden Marketing kann auch der beste Zulieferer nichts ausrichten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Nägeli aus dem thurgauischen Güttingen. Der 22-Mann-Betrieb von Inhaber Thomas Nägeli kommt ursprünglich aus der Stanz-Umformtechnik von Metallwaren. In den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen ein tief gehendes Know-how im Umgang mit faserverstärkten Kunststoffen, so genannten Composites, angeeignet – dank einer intensiven Kooperation mit dem Institut für Konstruktion und Bauweisen an der ETH Zürich. Zum Einsatz kamen die Faserverbundteile unter anderem als Tragflächenenden für die kleinen Passagierflugzeuge von Dornier-Fairchild.
Der Flugzeugmarkt lahmt jedoch nicht erst seit dem 11. September, und deshalb ist ETH-Ingenieur Thomas Nägeli froh, dass im März dieses Jahres die neuen Unterbettgestelle von Bico auf den Markt gekommen sind. Der Grund: Nägeli liefert die Halterungen für den Lattenrost, und die haben es in sich.
Beim ersten Kontakt mit Bico wünschte der Bettenhersteller, der heute in schwedischem Besitz domiziliert, einen Lattenrost aus Composite-Werkstoff. Nägeli dachte aber mit und schlug stattdessen die Entwicklung einer Halterung vor, die sich namentlich dadurch auszeichnet, dass sie auch bei maximaler Belastung noch über Federungseigenschaften verfügt. «Wir sahen eine grosse Chance und wollten mit der Bico vorwärts machen», blickt Thomas Nägeli zurück. Und der Einsatz hat sich gelohnt: Heute macht der Bico-Auftrag die Baisse bei Dornier spielend wett.
Bei Nägeli laufen derzeit zehn Engineering-Projekte. Um das Innovationspotenzial seines Unternehmens noch weiter auszureizen, wirkt Nägeli in einem kleinen, regionalen Netzwerk mit. Zusammen mit einem Ingenieurbüro, einem professionellen Projektmanager und einem Maschinenbauunternehmen will er in Zukunft auch grössere Aufträge im Umfeld der Composite-Technologie abwickeln.
Stichwort regionale Netzwerke: Die Triengener Trisa-Tochter Trisonic produziert elektrische Zahnbürsten, und zwar so erfolgreich, dass sie im Herbst neue Mitarbeiter suchte. Anstatt diese nun mühsam zu rekrutieren, übernahm sie zwölf Mitarbeiter vom Luzerner Elektrokomponentenhersteller Schurter, der auf Anfang September Kurzarbeit eingeführt hatte. Vorerst ist der Wechsel bis im nächsten Frühling befristet. Was dann passiert, ist offen.
Gut möglich ist jedoch, dass die zwölf wieder an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren werden. Denn zumindest SAP-Verbandspräsident Urs Zimmermann glaubt am Konjunkturhorizont bereits einen Silberstreifen erkennen zu können. Dabei stützt er sich auf die anziehenden Preise für Speicherchips – «ein sehr verlässlicher Indikator» – sowie auf den guten Start des neuen PC-Betriebssystems von Microsoft. «Wenn auch Grossfirmen auf Windows XP umrüsten, kann das der gesamten Technologiebranche Auftrieb geben.»
Tipps für Zulieferer
Industrielle Produzenten ohne direkten Endkundenkontakt werden immer hartes Brot essen müssen. Schutz gegen den andauernden Preisdruck kann nur eine Strategie geben, die namentlich fünf Aspekte berücksichtigt:
Innovation
Je mehr Produktionswissen und Innovationspotenzial beim Zulieferer liegt, desto weniger leicht ist er für den Kunden zu ersetzen.
Integration
Je tiefer der Zulieferer in die Abläufe des Kunden eingebunden ist, desto besser. Das kann so weit gehen, dass er für ihn Supportleistungen beim Endkunden übernimmt.
Investitionen
Wer seine Produktionsinfrastruktur nicht dauernd auf dem allerneuesten Stand hält, hat langfristig schlechte Karten.
Nischen suchen
Ein KMU sollte nicht auf Massenproduktion setzen. Je spezialisierter die Nische, desto höher ist die Eintrittsbarriere für neue Konkurrenten.
Branchenvielfalt
Jede Branche erlebt andere konjunkturelle Zyklen. Je mehr verschiedene Wirtschaftszweige ein Unternehmen beliefert, desto stabiler ist seine Auftragslage.
Die Durststrecke hat Haas und Reber jedoch sportlich gemacht: Der Solothurner Betrieb, der unter dem Namen Polymec Werkzeuge für Spritzguss- und Stanzmaschinen herstellte, wuchs kontinuierlich. Die Qualitätsanforderungen der Kundschaft aus dem Elektro- und dem Medizinaltechnikbereich wuchsen allerdings mit, und die Polymec versuchte, mit hohen Investitionen Schritt zu halten. So stieg das Unternehmen Mitte der Neunzigerjahre in die Eigenproduktion von Stanz- und Spritzgussteilen ein. «Das war nötig, um unseren Kunden getestete Werkzeuge liefern zu können.»
Dank dieser strategischen Weichenstellung überlebte die Polymec auch die Asienkrise unbeschadet, die unter den europäischen Industriezulieferern einen gewaltigen Flurschaden anrichtete. «Die grossen Hersteller drückten die Zulieferpreise und verlangten gleichzeitig immer bessere Lösungen», blickt Reber zurück. Polymec reagierte auf diesen so genannten Lopez-Effekt mit einer Verstärkung des Innovationsmanagements und agiert seither als Lösungsanbieter auf höchstem Qualitätsniveau. «Dafür zahlen Spitzenkunden auch einen guten Preis», bringt Reber die heutige Positionierung auf den Punkt.
Firmen wie die Polymec sind typisch für eine ganze Generation von Industriezulieferern, die in den Neunzigerjahren den Wandel von der verlängerten Werkbank zum Produktionspartner geschafft haben und die ganz nebenbei auch eine über Jahrzehnte gültige Theorie ausgehebelt haben. Nämlich die Theorie, die besagt, dass ein Zulieferer vom Arbeitsüberschuss der Grosskunden lebt – und in Krisenzeiten arbeitslos wird. In der Praxis allerdings sind heute viele Zulieferer konjunkturresistenter als ihre Kunden.
«Bei uns sinkt der Umsatz trotz Krise nur wenig», freut sich Reber. Dies im Gegensatz zu den vermeintlich grossen Namen in der Schweizer Industrie. Kurzarbeit und/oder Entlassungen bei der ABB, bei der Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG), bei der Alu Menziken oder bei Huber + Suhner: Angesichts der Häufung von Entlassungsmeldungen in der helvetischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) berief der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) Ende November sogar eine nationale Pressekonferenz ein. Die Situation in der Schweizer MEM-Industrie, so SGB-Sprecher Thomas Göttin, sei dramatisch.
«Mit dem Nachfrageeinbruch auf den internationalen Märkten für Konsum- und Büroelektronik ist ein wesentlicher Treiber der beispiellosen industriellen Hausse ausgefallen, die wir in den letzten drei Jahren erlebt haben», analysiert Urs Zimmermann, Präsident des Wirtschaftsverbands der Automation, Elektronik, Informatik und Medizintechnik (SAP-Verband). «Momentan befinden wir uns auf der Schattenseite einer zyklischen Bewegung.» Zudem, so Zimmermann, «werden die Zyklen immer härter und kürzer».
Er nennt zwei Gründe: Erstens schlügen die drei grossen Weltmärkte USA, Europa und Japan mehr und mehr im selben Takt, und zweitens führe das andauernd hohe Innovationstempo dazu, dass die Hersteller von Standardprodukten kaum mehr für ihre Lager produzieren könnten. Wenn beispielsweise die UMTS-Pläne der europäischen Telekom-Konzerne nicht vom Fleck kommen, spürt das ein Infrastrukturverkäufer wie Huber + Suhner praktisch unvermittelt.
Spurlos ist die Krise der IT- und der Telekommunikationsindustrie auch an der Polymec nicht vorbeigegangen. So litten die Solothurner unter der Beerdigung des Voyager-Projekts durch die lange Zeit hochgelobte Berner Monec. Das Unternehmen hatte ein tragbares Multimediagerät entwickelt, geriet aber in diesem Frühjahr in ein Finanzierungsloch und stellte das Projekt im Sommer stillschweigend ein.
Von Kurzarbeit und Kündigungen ist allerdings bei der Polymec keine Rede. «In den letzten beiden Jahren haben wir Kunden wie die Burgdorfer Disetronic, ein Wachstumsunternehmen aus der Medizinaltechnik, dazugewonnen», erläutert Hans Rudolf Reber. Es verwundert deshalb nicht, dass er durchaus positiv gestimmt in die Zukunft blickt – wie übrigens auch die Mehrzahl seiner Kollegen. Laut einer Umfrage des Zuliefererverbandes Swissmechanic gehen die meisten Verbandsmitglieder optimistisch ins neue Jahr.
Laufend neue Projekte aufgleisen, mit denen sich langfristig Geld verdienen lässt: Auf diese für KMUs typische Agilität setzt auch die Grenchner Firma Rolf Hänggi AG. Das Unternehmen produziert Stanzteile für die Halbleiter- und die Automobilindustrie. «Auch uns hat der Abstieg der Handy-Industrie in Mitleidenschaft gezogen», sagt Vollblutunternehmer Rolf Hänggi, der mit seinem Betrieb vor zehn Jahren gestartet ist. Doch Hänggi hat vorgesorgt, und zwar mit neuen Aufträgen für die Automobilindustrie.
Hintergrund ist eine technische Umstellung in der Verkabelung der Automobile, die sich in den kommenden Jahren weltweit durchsetzen wird: Anstatt aufwändiger Kabelbäume verlegen die Hersteller neu einfache Bussysteme in die Karosserien, die sämtliche elektronischen und elektrischen Geräte mit einem zentralen Industrie-PC verknüpfen. Die ersten Wagen der neuen Generation sind die 7er-Modelle von BMW. Hänggi hat sich frühzeitig mit dem einschlägigen Systemlieferanten in Verbindung gesetzt und liefert seit diesem Herbst die Basisträger für die Chips an den «Ausfahrten» des Bussystems.
Produziert werden die Basisträger unter anderem in den neuen Fertigungskapazitäten, die Hänggi dieser Tage in Betrieb nehmen kann. Mittelfristig soll die Zehn-Millionen-Investition eine Verdoppelung der Produktion ermöglichen, und dies obwohl im Zuge der allgemeinen Verunsicherung auch Hänggi seine Wachstumspläne nach unten korrigieren musste. Von einer Fehlplanung mag er aber nicht reden. «Wer vorwärts machen will, muss investieren», kommentiert Hänggi sein antizyklisches Verhalten. Dabei erhält er Sukkurs von Hans Rudolf Reber: «Wir investieren als Kleinbetrieb jedes Jahr rund anderthalb Millionen Franken in die Aufrüstung der Produktion.»
Eine Produktionsinfrastruktur der Spitzenklasse ist jedoch nur die eine Seite des neuen Zuliefergeschäfts. Die andere besteht im laufenden Ausbau des Ingenieur-Know-how. Sowohl bei der Rolf Hänggi AG als auch bei der Polymec sind praktisch alle Produktionsaufträge mit Engineering-Aufwendungen verbunden. «Wir leisten uns fünf Ingenieure für die Projektentwicklung», sagt beispielsweise Hans Rudolf Reber. Die Zeit der reinen Lohnfertigung ist bei den meisten Hochleistungszulieferern abgelaufen.
Damit tragen Kleinfirmen nicht nur die Verantwortung fürs eigene Geschäft, sondern auch noch für den Erfolg des Kundenprodukts. Denn wenn aus der angepeilten Innovation nichts wird, ist auch ein vertraglich fixierter Teil der Entwicklungsaufwendungen für die Katz. Hans-Rudolf Meyer, Geschäftsleiter des Verbandes der Schweizer Drehteile-Industrie und bis letzten Frühling Sekretär des Schweizerischen Zulieferforums, weiss von Zulieferverträgen, «die man unter dem Gesichtspunkt des Risikomanagements kaum unterschreiben dürfte».
Doch was die Unternehmen nicht umhaut, macht sie stark. Zumal die Überwälzung der Innovationsanstrengungen auf die Zulieferer auch eine Kehrseite hat: «Die Grossen verlieren immer mehr Produktions-Know-how und können ihre kreativen Zulieferer nicht mehr so stark unter Druck setzen wie noch vor ein paar Jahren», weiss Robert Welna, Direktor von Swissmechanic, dem Branchenverband der mechanisch-technischen Zulieferer. Mit anderen Worten: In puncto Innovation geben heute die Zulieferer den Ton an. In der Computerindustrie ist das schon lange üblich. Die Prozessorleistungen der PCs hängen schon lange nicht mehr von Dell oder Compaq ab. Die Musik macht dort Intel. Und genau so läuft der Trend in der übrigen Industrie. «Oft müssen wir als kleiner Schweizer Zulieferer mit zu den Kunden unserer Kunden, weil die ihr eigenes Produkt nicht mehr verstehen», sagt Rolf Hänggi nicht ohne Genugtuung.
Von Schadenfreude gegenüber den Grossfirmen, welche die Kleinen jahrelang gedrückt haben, ist bei den Zulieferern allerdings nichts zu spüren; vor allem nicht gegenüber den helvetischen Riesen. Und dies durchaus mit Grund, denn auch wenn schon seit Jahren vom so genannten Global Sourcing die Rede ist, existiert noch immer eine regionale beziehungsweise nationale Beschaffungskultur. So schätzt der Branchenverband der schweizerischen MEM-Industrie (Swissmem), dass seine Mitglieder immer noch rund 30 Prozent ihrer Zulieferprodukte in der Schweiz einkaufen.
Was die innovativen Zulieferer aber vor allem fürchten, ist die zunehmende Mühe der helvetischen Grossunternehmen, neue Projekte zu stemmen. Wenn es beispielsweise die Ascom nicht schafft, ihre Powerline-Technologie (Stichwort: Daten über Stromkabel) auf den Märkten durchzudrücken, sinken dadurch auch die Chancen der innovativen Zulieferer. «Es braucht die Grossen», sagt Polymec-Chef Hans Rudolf Reber, der den «schleichenden Zerfall» seines langjährigen Arbeitgebers Ascom mit Sorge beobachtet.
Ohne Schrittmacher mit einem funktionierenden Marketing kann auch der beste Zulieferer nichts ausrichten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Firma Nägeli aus dem thurgauischen Güttingen. Der 22-Mann-Betrieb von Inhaber Thomas Nägeli kommt ursprünglich aus der Stanz-Umformtechnik von Metallwaren. In den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen ein tief gehendes Know-how im Umgang mit faserverstärkten Kunststoffen, so genannten Composites, angeeignet – dank einer intensiven Kooperation mit dem Institut für Konstruktion und Bauweisen an der ETH Zürich. Zum Einsatz kamen die Faserverbundteile unter anderem als Tragflächenenden für die kleinen Passagierflugzeuge von Dornier-Fairchild.
Der Flugzeugmarkt lahmt jedoch nicht erst seit dem 11. September, und deshalb ist ETH-Ingenieur Thomas Nägeli froh, dass im März dieses Jahres die neuen Unterbettgestelle von Bico auf den Markt gekommen sind. Der Grund: Nägeli liefert die Halterungen für den Lattenrost, und die haben es in sich.
Beim ersten Kontakt mit Bico wünschte der Bettenhersteller, der heute in schwedischem Besitz domiziliert, einen Lattenrost aus Composite-Werkstoff. Nägeli dachte aber mit und schlug stattdessen die Entwicklung einer Halterung vor, die sich namentlich dadurch auszeichnet, dass sie auch bei maximaler Belastung noch über Federungseigenschaften verfügt. «Wir sahen eine grosse Chance und wollten mit der Bico vorwärts machen», blickt Thomas Nägeli zurück. Und der Einsatz hat sich gelohnt: Heute macht der Bico-Auftrag die Baisse bei Dornier spielend wett.
Bei Nägeli laufen derzeit zehn Engineering-Projekte. Um das Innovationspotenzial seines Unternehmens noch weiter auszureizen, wirkt Nägeli in einem kleinen, regionalen Netzwerk mit. Zusammen mit einem Ingenieurbüro, einem professionellen Projektmanager und einem Maschinenbauunternehmen will er in Zukunft auch grössere Aufträge im Umfeld der Composite-Technologie abwickeln.
Stichwort regionale Netzwerke: Die Triengener Trisa-Tochter Trisonic produziert elektrische Zahnbürsten, und zwar so erfolgreich, dass sie im Herbst neue Mitarbeiter suchte. Anstatt diese nun mühsam zu rekrutieren, übernahm sie zwölf Mitarbeiter vom Luzerner Elektrokomponentenhersteller Schurter, der auf Anfang September Kurzarbeit eingeführt hatte. Vorerst ist der Wechsel bis im nächsten Frühling befristet. Was dann passiert, ist offen.
Gut möglich ist jedoch, dass die zwölf wieder an ihren angestammten Arbeitsplatz zurückkehren werden. Denn zumindest SAP-Verbandspräsident Urs Zimmermann glaubt am Konjunkturhorizont bereits einen Silberstreifen erkennen zu können. Dabei stützt er sich auf die anziehenden Preise für Speicherchips – «ein sehr verlässlicher Indikator» – sowie auf den guten Start des neuen PC-Betriebssystems von Microsoft. «Wenn auch Grossfirmen auf Windows XP umrüsten, kann das der gesamten Technologiebranche Auftrieb geben.»
Tipps für Zulieferer
Industrielle Produzenten ohne direkten Endkundenkontakt werden immer hartes Brot essen müssen. Schutz gegen den andauernden Preisdruck kann nur eine Strategie geben, die namentlich fünf Aspekte berücksichtigt:
Innovation
Je mehr Produktionswissen und Innovationspotenzial beim Zulieferer liegt, desto weniger leicht ist er für den Kunden zu ersetzen.
Integration
Je tiefer der Zulieferer in die Abläufe des Kunden eingebunden ist, desto besser. Das kann so weit gehen, dass er für ihn Supportleistungen beim Endkunden übernimmt.
Investitionen
Wer seine Produktionsinfrastruktur nicht dauernd auf dem allerneuesten Stand hält, hat langfristig schlechte Karten.
Nischen suchen
Ein KMU sollte nicht auf Massenproduktion setzen. Je spezialisierter die Nische, desto höher ist die Eintrittsbarriere für neue Konkurrenten.
Branchenvielfalt
Jede Branche erlebt andere konjunkturelle Zyklen. Je mehr verschiedene Wirtschaftszweige ein Unternehmen beliefert, desto stabiler ist seine Auftragslage.
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