Als der Suchmaschinen-Riese losschlug, wurde Anders Bally auf dem linken Fuss erwischt. Der Managing Partner der Zürcher Social-Media-Akademie Somexcloud erinnert sich: «Im Mai 2011 gründeten wir unsere Organisation und boten erste Lehrgänge an. Doch als Google einen Monat später das Netzwerk Google Plus lancierte, mussten wir innert weniger Wochen unseren Lehrgang erweitern und liessen dafür einen Experten aus New York einfliegen.» Mittlerweile, im zweiten Geschäftsjahr, hat man sich an die hohe Pace gewöhnt und überarbeitet den Schulstoff laufend. Mit gutem Grund: «Wir werden», sagt Bally, «regelrecht überrannt von Leuten, die sich im Gebiet Social Media weiterbilden wollen.»

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So wie Bally geht es einer ganzen Reihe von Anbietern. «Tweeto ergo sum» – ich zwitschere, also bin ich –, lautet die neulateinische Devise. Landauf, landab schiessen Kurse, Lehrgänge und Seminare zum Thema Social Media aus dem Boden. Was darf es denn sein? Der «Rolls-Royce» der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW): ein Master in Online Marketing Management, 48 Tage Präsenzunterricht, 26 600 Franken? Oder eher der CAS-Lehrgang Social Media Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ): 21 Tage, 8500 Franken? Oder vielleicht der Kurs an der Migros-Klubschule: «Der kommerzielle Einsatz von Facebook», 1  Tag, 490 Franken?

Jeder will Experte sein

Selbst Profis sind vom Angebot überfordert: «Die Fülle an Social-Media-Aus- und -Weiterbildungen lässt sich derzeit kaum erfassen», sagt Jörg Aebischer, Geschäftsführer beim Verband ICT-Berufsbildung Schweiz. «Es ist ein Dschungel da draussen, für Konsumenten ist die Orientierung schwierig.» Marcel Bernet, PR-Berater und Social-Media-Experte (Dozent an der Journalistenschule MAZ in Luzern), zieht eine Parallele zur Online-Goldgräberzeit: «So wie es beim Internetboom um die Jahrtausendwende plötzlich Webmaster und Webredaktoren brauchte, wird nun viel Zeit und Geld in Aus- und Weiterbildung von Social-Media-Fachkräften investiert.»

Viel Halbwissen. Die Suche nach Dozenten mit Fachexpertise und didaktischem Know-how gestaltet sich allerdings schwierig: «Momentan ist fast jeder, der schon mal etwas zum Thema gelesen hat, automatisch Social-Media-Experte», sagt Bernet. Von «viel Halbwissen», das im Markt angeboten werde, ist auch bei der Social Media Akademie in Mannheim die Rede. Das Institut bietet einen reinen Online-Lehrgang zum Social Media Manager an – und stösst dabei auch auf reges Interesse aus dem Nachbarland: Zwölf Prozent der Teilnehmer stammten bei der Social Media Akademie letztes Jahr aus der Schweiz.

Experten raten dazu, sich bei der Aus- und Weiterbildungssuche zunächst einem von zwei grundsätzlichen Kurstypen zuzuordnen: «Entweder interessiert man sich für die rein operative Tätigkeit, für das konkrete Know-how im Betreiben von Kanälen und Plattformen», sagt Armin Ledergerber, Vorstandsmitglied der Swiss Social Media Community. Dieser Lerntyp sei gut aufgehoben bei kleineren Kursen, die den praktischen Umgang mit Tools wie Facebook oder Twitter schulen.

Wie mit neuen Medien umgehen?

Oder aber man will auf einer strategischen Ebene dazulernen, will erfahren, wie man die neuen Medien in die Marktbearbeitung einpasst – dann ist ein längerer, umfassenderer Lehrgang angezeigt. So wie jener vom Sawi Lausanne. Das Ausbildungszentrum für Marketing, Werbung und Kommunikation bietet seit 2010 einen neunmonatigen Lehrgang an, der mit dem Diplom «Spezialist für das Management von Online-Communities und Social Media» abschliesst. Kostenpunkt: 10 800 Franken.

Derzeit läuft der zweite Kurs, und das mit einer komplett heterogenen Studentenschaft. «Das Klischee, dass sich in diesem Bereich nur junge Freaks tummeln, ist überholt. Bei uns studieren gestandene Berufsleute, zum Beispiel aus der Bankenwelt, aber auch von der ETH Lausanne», erklärt Nedjalka Markov, Direktorin Sawi Westschweiz. Denn das Thema, so Markov, habe in den Firmen deutlich an Gewicht gewonnen.

Der springende Punkt bei allen Bildungsangeboten ist die Qualität der Dozenten. Weil Social-Media-Lehrgänge oft auf einen interaktiven Austausch mit Experten hinauslaufen, ist die möglichst grosse Erfahrung der Unterrichtenden relevant: «Deshalb sollte man das CV der Dozenten genau prüfen. Haben sie Projekte realisiert? Wie sehen diese Projekte aus? Was war ihr Beitrag?», definiert Bernet die Checkliste. «Am besten stammen sie aus Firmen, die schon mehr als drei Jahre in diesem Bereich aktiv sind, dann sind Best-Practice-Beispiele vorhanden.»

Bund hält sich zurück

Ähnlich argumentiert Stefan Schär, Social-Media-Dozent und Geschäftsführer der Beratungsorganisation Social Media Schweiz: «Ein hoher Praxisbezug ist entscheidend für die Qualität des Lehrgangs. Das Beste ist, wenn die Schule eine Kooperation mit einem Unternehmen unterhält, sodass die Studierenden die Realität direkt erleben.»

Wer die Szene mindestens passiv genau verfolgt, kann sich Kursinhalte auch anhand der History einer Firma wählen. Ist vor allem gefragt, wie sich ein sogenannter Shitstorm meistern lässt, ein Online-Aufreger, der aus einer Community entsteht, dann sucht man sich Kurse mit Dozenten, die ein solches virtuelles Unwetter managen mussten. Oder ist gefragt, wie man Community-Input intern am besten verarbeitet? Dann sind Dozenten aus dem Umfeld von Migipedia oder der Schweizer Brainstorming-Plattform Atizo bestimmt eine gute Wahl.

Keine Fachausweise. Bis auf weiteres wird die Auslese einer Social-Media-Bildung wohl ein «Trial and Error»-Fall bleiben. Denn beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) ist nicht geplant, Fachausweise oder Diplome im Feld Social Media zu vergeben. Das Teilgebiet sei zu klein, um zertifiziert zu werden, heisst es dazu in Bern. Gemäss Aebischer tut sich aber für Leute, denen viel am eidgenössischen Segen liegt, trotzdem etwas: «Derzeit läuft die Vernehmlassung für die Revision des eidgenössischen Fachausweises als Mediamatiker (New-Media-Kaufmann) und des eidgenössische Diploms für Web-Project-Manager (New-Media-Marketer). Diese Berufsbilder sind sehr Social-Media-affin.»

Vielleicht sind Prüfungsreglemente und Diplome in der Welt des Web 2.0 aber auch sekundär. Bernet: «Die Entwicklungen im Social-Media-Bereich laufen so schnell, dass jegliche Zertifizierung immer hinterherhinken würde.» Sein Vorschlag einer Validierung: «Am besten würden alle Social-Media-Ausbildungen in einem Online-Forum in der Community verhandelt und bewertet.»

Der Weg zur Ausbildung. Wie man online den Social-Media-Bildungsdschungel durchforstet: www.bilanz.ch/SocialMediaWeiterbildungen