BILANZ: Herr Brown, inwiefern hat die Krise Ihr Institut betroffen? Frank Brown: Den grössten negativen Einfluss verzeichnen wir bei der Ausbildung von Executives, das Geschäft erlebt derzeit ein Tief – wie in allen anderen Business-Schulen auch. Betroffen sind vor allem firmenspezifische, aber auch allgemeine Programme. Das wirkt sich auf die Summen aus, die wir in anderen Bereichen investieren können. Wir hoffen, dass sich die Situation in den nächsten Monaten verbessert, wir sehen bereits erste Anzeichen dafür. Wie stark ist der Einbruch? Das Minus beträgt etwa 20 Prozent. Das Gute daran: Die MBA-Bewerbungen steigen, wir nehmen auch mehr Teilnehmer auf. Immer im Bewusstsein, dass die Qualität erhalten bleibt und dass unsere MBA-Absolventen auch eine Stelle finden. Weshalb steigt die Nachfrage von MBA-Interessenten? Das ist tendenziell so in einem Wirtschaftstief. Die einen suchen nach einer sinnvollen Tätigkeit, bis das Schlimmste vorbei ist, andere wollen ihre Glaubwürdigkeit und Erfahrung steigern. Fürchten Sie nicht, dass viele Firmen nun auf Dauer sparen und ein Teil des Geschäfts gar nicht zurückkommt? Die meisten Unternehmen wissen, dass die Mitarbeitenden wichtig sind und dass Aus- und Weiterbildung relativ günstig zu haben ist. Wir erleben keine Welle, bei der die Budgets radikal zusammengestrichen werden. Es wird eher aufgeschoben. Klar, ein Minus von 20 Prozent ist ernst zu nehmen, aber es bedeutet keine Trendwende. Hat sich der Lehrplan mit der Krise verändert und, wenn ja, wie? Natürlich. Der vermittelte Stoff hängt immer auch von den Diskussionen in den Klassen ab. Man kann derzeit keine Lektion in Finanzwesen veranstalten, ohne über die Problematik der strukturierten Produkte zu sprechen oder über Bernie Madoff. Wir lassen die Aktualität in unser Programm einfliessen. Einer unserer Buchhaltungsprofessoren pflegt zu sagen: «Ich doziere aus den Zeitungen.» Und Sie haben Themen wie Ethik und soziale Verantwortung aufgewertet … Wir haben statt eines einzigen Ethikblocks zu Beginn der Ausbilung neu vier Einheiten, verteilt auf das gesamte MBA-Programm. Zudem prüfen wir, wie wir das Phänomen, dass sich die Regierungen stärker in das Wirtschaftsgeschehen einbringen, aufnehmen können. Wir haben etwa Partnerschaften mit Politinstituten im Auge. An der Harvard Business School oder der Uni St.  Gallen laufen Debatten, ob man in der Vergangenheit das Richtige getan und gelehrt hat. Natürlich gibt es auch bei uns Diskussionen innerhalb des Lehrkörpers. Insbesondere unter den Dozenten für Nachhaltigkeit oder Ethik und den Finanzexperten. Aber durch einen anderen Lehrplan hätten wir die Krise nicht verhindert, wir polen die Studenten ja nicht. Und wir bringen die Programme immer auf den neusten Stand. Wir stellen sicher, dass unser Unterricht dem Zeitgeist entspricht. Eben dies war ja vielleicht in der Vergangenheit ein Problem. Unser Ziel war und ist es, die Absolventen mit einer skeptischen Grundeinstellung zu entlassen. Wir glauben, dass die Krise letztlich dadurch entstanden ist, dass die Leute für bare Münze nahmen, was man ihnen vorgelegt hat, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen und auch einmal etwas zu hinterfragen. Wir fördern Dialoge und Diskussionen, in denen jeder Einzelne herausgefordert ist. Der Vorwurf bleibt, für die Fehler der heutigen Wirtschaftselite seien die Business-Schulen mitschuldig. Seit ich im Amt bin, sehe ich, dass unsere Absolventen je länger, je weniger einfach den Job suchen, der ihnen sofort sehr viel einbringt, sondern vielmehr auch Ausgleich und Balance. Ich denke, das ist auch ein Generationenphänomen. Ich finde es kurzsichtig und einfältig, ein Institut für das Verhalten eines Absolventen verantwortlich zu machen, der seine Ausbildung vor zwanzig Jahren abgeschlossen hat. Die Universität ist doch nicht der einzige Einflussfaktor, der auf einen Manager einwirkt. Unabhängig von der Krise finde ich, dass wir mehr machen müssen als MBA-Scheine ausstellen. Nämlich? Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Absolventen fortwährend weiterbilden, ihren Abschluss immer wieder aufdatieren.Mir schwebt ein Zusammenschluss verschiedener Schulen vor, die eine Art Ausbildungs-Curriculum gewährleisten. Absolventen verschiedener Berufsgattungen wären verpflichtet, eine gewisse Anzahl Weiterbildungsstunden zu absolvieren, um qualifiziert zu bleiben. Nicht zwingend an der Schule, an der sie den MBA gemacht haben, sondern an einem Institut, das einem Konsortium angehört. Eine lebenslange Begleitung? Genau. Mit Programmen auf dem aktuellsten Stand. Wir haben gerade einen Zweitageskurs durchgeführt, in dem die Krise analysiert wurde, die Finanzprodukte, welche diese mitverursacht haben, erklärt wurden und das Krisenmanagement im Fokus stand. War ein Teil des Problems nicht auch mangelnde Leadership? Es gibt da viele Aspekte. Der wichtigste aus meiner Sicht: Die Governance in den Unternehmen muss effizienter werden und eine grössere Bedeutung bekommen. In vielen Fällen haben die Verwaltungsräte die Risiken, die eingegangen wurden, gar nicht verstanden. Es liegt zwar nicht in ihrer Verantwortung, die Firma zu führen, aber sie zu verstehen. Diese Pflicht wurde oft völlig vernachlässigt. Und das Management? Zu viele CEO bleiben zu lange im Amt, sodass es irgendwann nur noch um Selbsterhaltung geht. Management und Verwaltungsräte befassen sich zu wenig mit der Nachfolgepolitik. Um ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen zu führen, ist dies aber notwendig. Ich würde Zeitlimiten für CEO einführen, und die Kompensation sollte erst drei Jahre nach dem Abgang definiert werden, basierend auf dem dauerhaften Erfolg der Firma. Derzeit bekommt man den Eindruck, dass sich nicht viel ändern wird. Das glaube ich nicht. Die Menschen wurden sensibilisiert, die moralische Autorität gestärkt, das wird sich nicht so rasch wieder ändern. Haben sich die Interessen der Studenten verändert? Etwa dreissig Prozent unserer Absolventen gingen in die Finanzbranche. Dieser Anteil hat sich nun halbiert, da hat die Krise ganz klar einen Einfluss gehabt. Weil die Nachfrage der Finanzfirmen gesunken ist oder weil die Studenten weniger Interesse haben? So eindeutig kann man das nicht sagen. Es ist ein bisschen wie bei der Frage nach dem Huhn und dem Ei. Wenn eine Branche in der Krise steckt, stellt sie weniger Leute ein, gleichzeitig sinkt auch das Interesse an der Branche. Doch es ist schon so: Viele Banken haben im vergangenen Jahr gar nicht rekrutiert.

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