Die Hälfte der grossen internationalen Unternehmen in Europa hat ihr Weiterbildungsbudget mit der Krise heruntergefahren. Das schätzt Frank Waltmann, Head of Learning von Novartis, nach Gesprächen, die er am Rande eines Meetings der European Foundation for Management Development Ende September geführt hat. Für die andere Hälfte der Firmen ist die Weiterbildung auch in schweren Zeiten eine wichtige Investition in die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter. Sie sehen den Ausgabeposten als wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. «Wir haben unser Weiterbildungsbudget nicht heruntergefahren», sagt beispielsweise Benjamin Künzli, Leiter Learning & Development ABB Schweiz. Nach wie vor schickt das Unternehmen seine Mitarbeiter in Qualifikationskurse, bei denen es neben Fachkenntnissen auch um persönliche Kompetenzen geht. Die Schwerpunkte musste ABB wegen der Krise dabei nicht ändern. «Die Themen Ethik, Stressbewältigung und Nachhaltigkeit stehen bei uns schon lange auf dem Programm und haben sich jetzt bewährt», sagt Künzli. Auch Novartis investiert weiterhin viel in ihre Mitarbeitenden, vor allem in den Zukunftsmärkten Russland und China. Das Pharmaunternehmen gründet derzeit eigene Novartis-Universitäten. «Für uns ist die Weiterbildung eine nachhaltige Investition», sagt Learning-Chef Frank Waltmann. Bei der Credit Suisse wurden die Inhalte der Aus- und Weiterbildung leicht den Trends und den gestiegenen Anforderungen des Beratungsgeschäfts angepasst. Laut CS-Sprecherin Sally Rubery ist es «gerade in Zeiten von Unsicherheit noch anspruchsvoller geworden, die Kunden angemessen zu beraten». Auch die UBS setzt weiterhin auf Weiterbildung, nicht zuletzt um die fähigsten Leute der Branche zu haben. Dazu will Konzernchef Oswald Grübel eine konzerneigene Uni bilden. «Die geplante UBS Business University, die sämtliche Aus- und Weiterbildungsaktivitäten zusammenfasst, hilft uns dabei», sagt Gabriela Payer, Leiterin Leadership & Learning bei UBS. Allerdings gehört die Grossbank zu jenen Firmen, in denen die Ausgaben für die Weiterbildung reduziert worden sind. Durch neue Trainingsformen, wie webbasiertes Lernen, soll die Qualität gehalten werden. Nach wie vor nimmt jeder UBS-Mitarbeiter pro Jahr an drei oder vier Ausbildungen teil. Bei den SBB werden die «notwendigen betrieblichen Aus- und Weiterbildungen» zwar weitergeführt. «Kritisch überprüft werden hingegen individuelle Kurse», legt SBB-Sprecher Daniele Pallecchi dar. «Hier muss man im Einzelfall schauen, was wirklich nötig ist.» Anzeige Die QS World MBA Tour ist die größte MBA-Veranstaltung in der Schweiz und die beste Gelegenheit, sich über die Angebote der führenden Business Schools zu informieren. In Zürich am Mittwoch, den 28. Oktober 2009. Über $1,6Mio Stipendien! Jetzt anmelden: www.topmba.com Um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern und die Chancen intakt zu halten, werden nun viele Angestellte von sich aus aktiv. Die individuelle Nachfrage steigt, während die Firmennachfrage sinkt, das bestätigt unter anderen der Dekan der Kaderschmiede Insead, Frank Brown. «Eine Weiterbildung kann der entscheidende Pluspunkt in einem Lebenslauf sein, der über die Zukunft entscheidet», sagt Jacques Bischoff, Rektor der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ). Er hat in diesem Jahr zum ersten Mal eine Summer School für Kaderleute und Spezialisten angeboten. Realistische Einschätzung. «Im Moment suchen viele prophylaktisch ihr Heil in der Weiterbildung», sagt Matthias Mölleney, der als Personalchef bei Swissair, Centerpulse und Unaxis tätig war, bevor er sich mit seiner Firma PeopleXpert selbständig machte. Die Gelegenheit ist günstig. Wer sich weiter qualifizieren will, hat in der Rezession eher die Möglichkeit dazu. Wenn die Wirtschaft brummt, steht die Belegschaft in vielen Branchen unter Zeitdruck. Das ist mittlerweile in vielen Unternehmen weniger der Fall, wo Kurzarbeit angesagt ist und oft auch für das mittlere Management weniger Arbeit anfällt. Wer aufgrund der Krise gar seinen Job verloren hat, will in der Phase der Neuorientierung auch am eigenen Profil feilen. «Jetzt haben viele Leute die Zeit, eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen», sagt Mölleney. Dabei läuft man aber leicht in eine Falle. Viele versenken einen grossen Geldbetrag und müssen später feststellen, dass ihnen ihre Weiterbildung nichts gebracht hat. «Wer jetzt unter Druck kommt, hat das Gefühl, sich den Mercedes unter den Weiterbildungen kaufen zu müssen, um in Zukunft gut dazustehen, und investiert in einen Vollzeit-MBA», sagt Mölleney. Ein Studiengang in General Management sei aber nicht in jedem Fall das Richtige. «Nicht jeder ist von seiner Persönlichkeit und vom Talent her geeignet, Führungsverantwortung zu übernehmen», gibt der Personalexperte zu bedenken. Die Schritte, um die richtige Weiterbildung zu finden, sind einfach: Standortbestimmung, Bedarfsanalyse und die Verschaffung eines Überblicks über das Angebot. Wer das Optimum erreichen will, braucht erst einmal die realistische Einschätzung der eigenen Laufbahn und vor allem der eigenen Fähigkeiten. Wichtig ist zu erkennen, ob man eher ein guter Manager oder ein hervorragender Spezialist ist. In vielen Unternehmen mit einem modernen Personalmanagement wird längst ein «Dual Career»-Modell angewendet: Entweder man kann eine Laufbahn im Management einschlagen oder eine als Fachspezialist. Wer als Führungskraft brilliert, wäre als Spezialist eine Fehlbesetzung. Und mit der Beförderung einer Fachkraft riskieren Firmen, einen kompetenten Ingenieur zu verlieren und dafür einen schlechten Manager zu bekommen. Bei Novartis versucht man diesen Fehler zu vermeiden, indem jedes Jahr eine Potenzialanalyse durchgeführt wird. «Sie hilft uns, die beste Weiterbildung für einen Mitarbeiter zu finden, die dessen Persönlichkeit und Talenten wirklich gerecht wird», sagt der Learning-Verantwortliche Frank Waltmann. Neue Profile. Fehlen solche Angebote, sind Standortbestimmung und Bedarfsanalyse nicht einfach. Es bleibt dann kaum etwas anderes übrig, als sich ein möglichst umfassendes Bild von aussen zu verschaffen. Kollegen oder ehemalige Vorgesetzte sind oft am besten geeignet, ein ehrliches und treffendes Urteil abzugeben. Ist einmal klar, wo man steht und welche Stärken man fördern will, beginnt die Suche nach dem Angebot, das auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Mit der Krise ändern sich die Profile, die in Zukunft gefragt sind. «Es zählen im Bereich der Soft Skills ganz andere Eigenschaften als heute», sagt Doris Aebi, Human-Resources-Spezialistin und Inhaberin des Outsourcing-Unternehmens Aebi + Kuehni in Zürich. Der hierarchische Aufbau von Organisationen und Arbeitsprozessen verliert weiter an Bedeutung. Das Handeln und Arbeiten in festgefügten Strukturen wird immer weniger wichtig. Die Zukunft gehört den spontan und je nach Arbeitserfordernissen zusammengesetzten Teams. Innerhalb dieser Gruppen wird es stärker auf individuelle Kompetenz und fachliches Know-how ankommen als auf hierarchische Positionen. Bei einigen grossen, dezentral arbeitenden Unternehmen, wie etwa Novartis, sind Ad-hoc-Teams längst an der Tagesordnung. «Wir bieten Kurse an, in denen Mitarbeiter die Tricks für erfolgreiche Zusammenarbeit in solchen Teams lernen», sagt Waltmann. Er ist überzeugt, dass über die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt künftig auch die Fähigkeit entscheidet, in ständig neuen Strukturen arbeiten zu können. Offen sein für Neues ist wichtig, daher sollte eine Weiterbildung helfen, den Horizont zu erweitern. «Man muss dabei so viel Input und Inspiration wie möglich bekommen», sagt Susanne Köchli, Human-Resources-Verantwortliche für Europa beim Pharmakonzern Pfizer. «Eine Weiterbildung, bei der man mit Leuten zusammensitzt, die man schon kennt oder die in der gleichen Firma arbeiten, bringt mir weniger.» Den Fächer aufzumachen und von den Erfahrungen von Menschen zu profitieren, die in anderen Branchen arbeiten, ist dagegen von grossem Nutzen. In vielen Instituten haben sich auch die inhaltlichen Gewichte verschoben. Am Insead wird beispielsweise das Thema Ethik nicht mehr nur in einem Block am Studienbeginn abgehandelt, sondern es wird ihm während der ganzen Ausbildung immer wieder Zeit gewidmet. Der MBA-Verantwortliche an der Uni St.  Gallen, Winfried Ruigrok, spricht von einem «neuen Selbstverständnis», von mehr Zeit für Reflexion und Kooperation in den Führungsetagen (siehe Interview links). In welche Richtung das Pendel schlägt, zeigt auch ein Blick auf das Programm des Jahrestreffens der Schweizer MBA-Absolventen (Samba). Dort wurden Themen wie Corporate Social Responsibility, neue Business-Ethik und -Praktiken sowie Executive Compensation gross geschrieben. Mehr zu diesem Thema im BILANZ-Dossier Ausbildung und Studium

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