Lange wurden sie von der Börse belächelt: Kleinanleger, die auf Aktionärsversammlungen über überhöhte Managerboni herzogen. Doch inzwischen dürfte zumindest einigen Konzernlenkern das Lachen vergangen sein. Denn wie das Beispiel der Credit Suisse zeigt, haben die zumeist grauhaarigen Anteilseigner mit einem Hang zur Selbstdarstellung mächtige Verbündete gefunden.
Auch kühl kalkulierenden Grossanlegern sind die prall gefüllten Lohntüten zunehmend ein Dorn im Auge. Die Schweiz bietet nach einer Gesetzesänderung beste Voraussetzungen für Investoren, die ihrem Unmut Luft machen wollen. Aber auch in anderen europäischen Ländern müssen sich die Konzerne auf wachsenden Widerstand gefasst machen, wenn das Firmenergebnis und die Aktienkursentwicklung nicht mit den Boni Schritt halten.
Eine Premiere der schlechten Art
«Credit Suisse ist eine riesige Baustelle», erklärt Stephan Sola vom Broker Kepler Cheuvreux. Altlasten hinterliessen 2016 einen Verlust von 2,7 Milliarden Franken, der zweite Milliarden-Fehlbetrag in Folge. Hinzu kommen kassierte Ziele und die seit Wochen bestehende Unsicherheit, ob das Schweizer Geschäft wie angekündigt an die Börse gebracht werden soll. Das Unternehmen habe alle Chancen, den Konzernumbau erfolgreich abzuschliessen, erklärt Sola. «Bis es soweit ist, sollte das Management bei den Boni Mass halten.»
Ein Nein der Aktionäre bei der Generalversammlung am 28. April wäre für die Credit-Suisse-Spitze eine Schmach von historischem Ausmass. Die zweitgrösste Bank des Landes droht zum ersten grossen Schweizer Konzern zu werden, deren Management-Boni und Vergütung des Verwaltungsrates bei den Aktionären eine Abfuhr erleiden.
Denn nicht nur Kleinaktionäre, sondern auch die einflussreichen Stimmrechtsberater äusserten sich im Vorfeld ablehnend. Experten zufolge können die amerikanischen ISS und Glass Lewis gemeinsam rund 30 Prozent der Stimmen vertreten, die Schweizer Ethos nochmal drei bis vier Prozent. Die Seite, die eine Mehrheit der vertretenen Stimmen erreicht, setzt sich durch.
Tiefere Boni für mehr Zustimmung
Hastig reagierte Credit Suisse auf den Druck der Aktionäre. In der Nacht auf Karfreitag verzichtete das Management auf einen Teil des Bonus und der Verwaltungsrat auf eine Erhöhung seiner Vergütung. Das Gesamtgehalt von Konzernchef Tidjane Thiam für das vergangene Jahr sinkt damit auf 10,24 Millionen Franken von den zuvor geplanten 11,9 Millionen Franken.
Präsident Urs Rohner geht nun davon aus, dass sich die Zustimmung auf der Generalversammlung erhöhen wird, wie er in einem Interview sagte. Ob das Unternehmen die notwendige 50-Prozent-Schwelle erreicht, ist aber immer noch nicht garantiert.
Dass sich gerade die Credit Suisse mit einer Aktionärsrevolte konfrontiert sieht, ist kein Zufall. Der Konzern hatte bereits in der Vergangenheit die Zeichen der Zeit nicht erkannt, etwa als er CEO Brady Dougan 2010 insgesamt rund 90 Millionen Franken auszahlte.
Wähler erzwangen Lohnabstimmung
Solche Extrembeispiele riefen auch die Politik auf den Plan. 2013 sprachen sich die Schweizer in einer Volksabstimmung klar für eine Begrenzung der Managersaläre aus. Die Schweiz ist inzwischen das einzige Land, in dem die Aktionäre jedes Jahr bindend über die Managergehälter abstimmen. «Wenn ein Unternehmen wie die Credit Suisse schlecht gearbeitet hat, dann darf es um Himmels Willen keine Boni verteilen», erklärte der Abgeordnete Thomas Minder, die treibende Kraft hinter der Abstimmung.
Aber auch bei anderen Unternehmen nehmen die Unmutsbekundungen zu. Wenige Stunden bevor die Credit Suisse zurückruderte, stimmten 38 Prozent der ABB-Eigner gegen die Vergütung für die Geschäftsleitung, deutlich mehr als erwartet. «Zustimmungsraten von weniger als 80 Prozent wertet der Verwaltungsrat als Signal, etwas zu ändern», erklärt Vergütungsexperte Axel May von der Beratungsfirma HCM.
VW hat seine Lektion gelernt
Dass sich die Schweiz als Testfall für den Kampf gegen überhöhte Boni eignet, hat noch einen zweiten Grund: Die Schweizer Top-Manager verdienen May zufolge durchschnittlich rund 15 Prozent mehr als im europäischen Vergleich und auch mehr als ihre deutschen Kollegen.
Dort scheinen viele Unternehmen ihre Lektion inzwischen gelernt zu haben. Volkswagen, wo der ehemalige Vorstandschef Martin Winterkorn lange der bestbezahlte Manager in Deutschland war, hat das Gehalt des Vorstandschefs kürzlich auf maximal zehn Millionen Euro pro Jahr begrenzt. Auch die Deutsche Bank hat die Vorstandsbezüge gedeckelt.
Ärger war vorprogrammiert
Insgesamt müssen die Firmen aber weiterhin mit Gegenwind von den Aktionären rechnen. Blackrock-Chef Larry Fink warnte in einem Brief an Firmenchefs, dass der weltgrösste Vermögensverwalter gegen unbefriedigende Vergütungen stimmen werde.
Auch der norwegische Staatsfonds – einer der grössten Aktionäre der Credit Suisse – hatte kürzlich gemahnt, dass Handlungsbedarf bei den Vergütungen von Unternehmen allgemein bestehe. «Bankenlöhne sind weit oben auf der Sorgen-Liste der Anleger», erklärte Andrew Gebelin von Glass Lewis schon vor gut zwei Wochen. «Wir erwarten weitere Kontroversen in den kommenden Monaten.» Credit Suisse war gewarnt.
(bloomberg/jfr)