Die Frage nach dem Status von Apple als Luxusmarke wird häufig gestellt. Es stimmt auch, dass die Firma aus Cupertino ihre Kunden geprägt hat, und für einige ist sie fast Kult. Dies wegen ihrer permanenten kreativen Kühnheit, die Produkte hervorbrachte, welche ebenso ästhetisch, ergonomisch, elegant wie einfach zu bedienen sind. Und weil diese Produkte ein exklusives Ökosystem schaffen – einen Zugang zu einer anderen Welt, zu einer anderen Lebensweise.
Der Apple-Konzern stellte selber die Frage nach seinem Verhältnis zum Luxus in den Raum, als er 2013 die Chefs von Yves Saint-Laurent und Burberry engagierte – und nicht zu vergessen die im Jahr 2015 lancierte Partnerschaft mit Hermès.
Apple ist eine Marke für sich, die mit den Luxusmarken einen Status teilt: Ihre Produkte gelten als Geschenk, das von den Reichen geschätzt wird. Laut der Hurun-Studie in China gilt Apple als das zweitbegehrteste Geschenkmarke bei den reichsten chinesischen Frauen – nach Bulgari, vor Chanel.
Jean-Noël Kapferer ist Professor an der INSEEC Business School in Paris, emeritierter Professor der HEC Paris und lehrt an der Tsing Hua Universität Beijing. Er zählt zu den renommiertesten Experten im Bereich Markenpflege und Luxus. Buchpublikationen: «Die Marke: Kapital des Unternehmens»; «The Luxury Strategy»; «Kapferer on Luxury».
Beim Begriff Luxus müssen wir präzisieren, was gemeint ist: das Konzept des Luxus? Einen Sektor? Die Luxusstrategie?
- Das Konzept ist subjektiv und wechselt von Person zu Person. Es gibt den Luxus im Absoluten -– das Höchste an Qualität, Schönheit und Dienstleistungen, verbunden mit dem Lebensstil der wohlhabenden Schichten. Und es gibt relativem Luxus, zum Beispiel wenn wir davon reden, uns einen Luxus zu leisten, sobald wir aus Freude für ein Ding mehr bezahlen als üblicherweise.
- Der Luxussektor ist ein makroökonomisches Konzept, das heute die Billionen Euro weltweit umsetzt. Er besteht aus Grosskonzernen und Familienunternehmen, die sich als Luxushersteller definieren.
- Schliesslich gibt es die Luxusstrategie am anderen Ende des Massenmarketingspektrums. Diese Strategie sollte nicht mit der Mode- oder Premiumstrategie verwechselt werden.
Wichtig ist, dass eine Marke, die nicht als «Luxus» oder Teil des Luxussektors wahrgenommen wird, trotzdem eine Luxusstrategie verfolgen kann. Dies ist der Fall bei Apple. Es definiert Produktstandards und ein herausragendes Kundenerlebnis, bei dem Schönheit und Funktionalität eng miteinander verbunden sind – während etwas fehlt: die Idee der Rarität.
Die Aura kam mit der Verbreitung
Zu Beginn war Apple eine teure Marke: Der erste Macintosh, der im Januar 1984 erschien, kostete 2’500 US-Dollar, was inflationsbereinigt heute über 6’000 Dollar wären. Aber es genügt nicht, teuer zu sein und geliebt zu werden, um luxuriös zu sein. Der Marke fehlte Aura und Kraft. Die erlangte sie dann dank ihrer breiten Streuung, welche sie mit der Zeit erreichte, auch dank zugänglicherer Preise.
«1984 entsprach der Mac 11 Prozent des mittleren Jahreseinkommens der amerikanischen Haushalte.»
1984 entsprach der Mac 11 Prozent des mittleren Jahreseinkommens der amerikanischen Haushalte. Heute kostet ein iMac 1’500 Dollar oder 2,4 Prozent jenes Haushaltseinkommens. Ein teurerer und massgeschneiderter iMac pro ist für 4’999 Dollar zu haben, also 8 Prozent des durchschnittlichen jährlichen Haushaltseinkommens.
Und bei der Apple-Uhr, die 2014 für 349 Dollar lanciert wurde, betrug der Preis nur 8 Prozent des durchschnittlichen Monatsgehalts – weniger als 1 Prozent des Jahresgehalts.
Lässt ein Apple einen Menschen herausragen?
Ist der Kauf eines Apple ein Luxus? Die Antwort lautet jetzt eindeutig: nein.
Das iPhone wiederum setzte die Messlatte beim Preis viel höher und schuf das Super-Premium-Segment. Aber ist der Apple XS im Vergleich zum amerikanischen Durchschnittsgehalt im Jahr 2017 wirklich teuer? Anderswo ist das Durchschnittsgehalt niedriger, doch die Telecom-Gesellschaften subventionieren das Gerät über ein Abonnement.
In Shanghai hingegen, wo das durchschnittliche Monatsgehalt gut 1’100 Euro beträgt, grenzt einen der Kauf eines Apple XS angesichts der hohen Zölle sozial ab. Das ist ein Hinweis darauf, dass hier Luxus herrscht.
Apple ist eine Premium-, ja sogar eine Super-Premium-Marke, die sehr profitabel ist, weil sie weiss, wie man mit bestimmten Luxuscodes teurer verkauft als die Konkurrenz.
Aber wo – ausserhalb von China – bedeutet Apple Seltenheit, wo das Gefühl der Exklusivität, wo soziale Abgehobenheit? Luxus qualifiziert keine Objekte, sondern bezieht sich auf die Qualität ihres Besitzes.
Neoliberales Luxus-Konzept
Für Amerikaner ist Luxus, was teuer ist, aber jeder kann es auch erlangen, wenn er wirklich will. In diesem neoliberalen, wirtschaftlich inspirierten Konzept unterscheiden sich Premium- nicht von Luxusprodukten. Es genügt, teurer zu sein als die Konkurrenz oder ein besseres beziehungsweise technologisch fortschrittlicheres Produkt anzubieten.
«Luxatio heisst Abweichung, Übertretung, ein Hauch von Wahnsinn.»
Hier geht die Etymologie des Luxus vergessen: luxatio, das heisst grosse Abweichung, eine Übertretung, ein Hauch von Wahnsinn – alles, was etwas im Vergleich zur Konkurrenz unvergleichlich macht. Und was deshalb auf den Besitzer zurückfällt. Was ihn abhebt und Respekt und Neid erregt.
Die Bordeaux-Kluft
Ein Bordeaux Grand Cru Classé ist viel mehr wert als ein ehrlicher generischer Bordeaux. Dies illustriert die Klassenkluft schön. Die unvergleichlichen sinnlichen und subjektiven Qualitäten, der legendäre Inhalt, der sich aus der Symbiose von Erde, Klima und lokalem Know-how bildet, die Geschichte: Zu wissen, wie man diesen Luxus zu schätzen weiss, bedeutet, das eigene Leben zu bereichern.
Das Luxusproblem von Apple ergibt sich aus der Tatsache, dass die Marke ihre Smartphones aufgerüstet hat, um ihre Leadership bei den Umsätzen zu halten; denn Apple weiss, dass es die Führungsrolle im Volumen verlieren wird. Um diese Anpassung zu legitimieren, hat der Konzern Strategiebausteine des Luxus eingeführt.
- Zunächst einmal ist da die Vertikalisierung des Vertriebs: Sie fördert Exklusivität, Kundenzufriedenheit und Preiskontrolle.
- Dann gibt es die Taktik der künstlichen Knappheit bei Lancierungen, wo jeder versucht, der Erste in der Warteschlange zu sein.
- Es gibt auch die Vertikalisierung des Traums: Man offeriert nicht mehr materiellen Besitz, sondern den Zugang zu einer experimentelleren Lebensform. Man bietet eine Lebensästhetik, in der sich sich der Kunde der Kunst annähert. Die Marke erhöht ihre Käufer, indem sie sie als kreative Elite darstellt.
«Ein Problem ist die zunehmende Verwechselbarkeit von Apple.»
Apple hat sich im Rahmen seiner Luxusstrategie für den selektiven Vertrieb entschieden – ausdrucksvolle Lagen im Stadtzentrum, Dramatisierung seiner Flagship Stores, direkter Kontakt zu den Kunden, inspiriert von Louis Vuitton. Apple Stores sind Erlebnisorte, an denen man das Gefühl hat, kein Kunde zu sein, sondern ein Anhänger zu sein, ein Mitglied eines Kultes, wo der Zahlungsvorgang fast verschwunden ist.
Ein Premium-Produkt aus Korea
Wir sehen die Bausteine der Luxusstrategie – aber auch die Aspekte, die Apple nicht aufnehmen kann. Ein Problem ist die zunehmende Verwechselbarkeit von Apple.
Luxus ist dazu bestimmt, von einem anderen Stern zu sein. Das iPhone ist jedoch ein Premium-Produkt, das sich nicht mehr stark von den Geräten der koreanischen und chinesischen Marktführer unterscheidet. Tatsächlich werden die Produkte in Korea und China bezogen. Wir sind also noch weit von einer integrierten Wertschöpfungskette entfernt, wie sie Hermès oder Louis Vuitton sich leisten können.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Hochschul-Plattform «The Conversation» unter dem Titel: «Peut-on dire qu’Apple est une marque de luxe?», April 2019. Übernahme und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Apple geniesst daher nicht den Made-in-Effekt, sondern nur die Aura des Silicon Valley. Eine Distanz zum Produktionsstandort ist typisch für Premium-Marken, die in Tieflohnländern arbeiten lassen, um die Rentabilität zu maximieren.
Ein Apple-Gerät ist von Natur aus nicht mehr unvergleichlich. Im Gegenteil, Apple definiert seinen Führungs-Anspruch in Marktanteilen, und dabei vergleicht es sich mit Samsung und Huawei.
«Jeder kennt Steve Jobs und Steve Wozniak, aber die Marke hält den Kult ihrer Schöpfer nicht aufrecht.»
Ein weiterer Punkt fehlt: Obwohl jeder Steve Jobs und Steve Wozniak kennt, hält die Marke den Kult ihrer Schöpfer nicht aufrecht. Die Apple-Website erwähnt sie kaum. Die Marke ist voll auf Zukunft ausgerichtet, sie bezieht sich nicht auf ihre legendäre Vergangenheit.
Schliesslich disqualifiziert der Wertverlust seiner Produkte nach dem Kauf die Verwendung des Wortes Luxus. Die Hochtechnologie beschleunigt die Obsoleszenz von Produkten.
Und so zeigt der Fall Apple, wie sehr sich eine Unschärfe durchgesetzt hat, um Marken zu qualifizieren. Und dass dabei die ganze Besonderheit des Luxus vergessen geht.