Vor den letzten Wahlen vor vier Jahren waren so viele Volksinitiativen lanciert worden wie nie zuvor. Allein im Wahljahr 2011 waren es 23 Begehren. Heute, vier Jahre später, setzen Parteien und Verbände offensichtlich nicht mehr auf dieses Instrument. Bislang wurden 2015 vier Volksinitiativen lanciert.
Die beiden jüngsten auf der Liste sind die Konzernverantwortungs-Initiative von einer Allianz von 66 Organisationen und die Zersiedelungs-Initiative der Jungen Grünen. Pro Velo startete mit der Unterschriftensammlung für die Velo-Initiative.
Initiativen stammen selten von Parteien
Von den Bundesratsparteien ist derzeit einzig die SVP mit einer Initiative präsent, dem Begehren «Schweizer Recht statt fremde Richter». Und sie hat noch die zweite Durchsetzungsinitiative zur buchstabengetreuen Umsetzung ihrer Zuwanderungsinitiative in der Pipeline.
Von den zwölf im letzten Jahr aufgebrachten Volksbegehren stammt nur eine von einer Partei: Die Fair-Food-Initiative der Grünen. Abgesehen von der Anti-Billag-Initiative der bürgerlichen Jungparteien und der Ernährungssicherheits-Initiative des Bauernverbandes kommen die anderen Volksbegehren, die 2014 gestartet wurden, von weniger bekannten Vereinen, Einzelpersonen oder es sind Bürgerinitiativen.
Initiativflut vor vier Jahren
Ganz anders das Bild in den Jahren 2010 und 2011. Damals hatten alle Parteien inklusive die bei Initiativen zurückhaltende FDP und die neu auf dem nationalen Parkett politisierende GLP mindestens eine Initiative zur Hand. Im Wahljahr 2011 wurde denn zeitweise auch für über zwei Dutzend Volksbegehren Unterschriften gesammelt.
Weitverbreitet herrschte die Meinung vor, diese sorgten für öffentliche Aufmerksamkeit und Wahlkampf-Munition. Doch diesen Glauben scheinen die Parteien nun offenbar verloren haben. Bis auf die Zuwanderungsinitiative der SVP scheiterten nämlich bislang alle Initiativen aus dem letzten Wahljahr - meist an der Anzahl der Unterschriften oder dann an der Urne.
«Lehrplätz» für die Parteien
«Die Misserfolge an der Urne waren den Parteien eine Lehre», erklärt der Politikwissenschaftler Georg Lutz. Hinzu komme die Ernüchterung, dass die meisten Anliegen nicht einmal für eine prägende Debatte gesorgt hätten. «Die Abstimmungskampagnen bewegten die Wählerinnen und Wähler kaum. Somit konnten sich die Parteien auch nicht mit positiven Nebeneffekten trösten.»
Die Parteien mussten einsehen, dass der Ressourceneinsatz - Zeit und Geld - zu hoch ist für die geringe Wirkung einer Initiative. «Eine Initiative um der Initiative Willen, macht keinen Sinn. Diese Einsicht musste kommen», sagt Lutz. Dieses Jahr griffen die Parteien nun auf traditionelle Wahlkampfinstrumente zurück. Und inhaltlich konzentrierten sie sich auf ihre Kernthemen.
Parteien halten sich zurück
In den Parteizentralen machen die Verantwortlichen zum Teil andere Gründe geltend: Aus wahltaktischen Gründen wolle man sich nicht verzetteln, heisst es bei der SP. Die Kräfte würden für die Mobilisierungskampagne gebündelt.
Bei der CVP setze man nur im Ausnahmefall, wenn der parlamentarische Weg nicht erfolgversprechend sei, auf Volksbegehren. «Initiativen sind kein Wahlkampf-Gag», sagt Sprecher Thomas Jauch. Das Volksrecht wolle man nicht überstrapazieren.
Allerdings sind derzeit zahlreiche Volksbegehren verschiedener Parteien und Gruppierungen im Parlament hängig. Deren Abstimmungskampagnen fallen aller Voraussicht zwischen zwei eidgenössische Wahljahre.
(sda/ccr)