Die Liste der Unternehmensskandale ist lang. Auffällig dabei ist, dass gewisse Branchen besonders häufig darin verwickelt sind. Im Schweizer Finanzsektor sorgte zuletzt die Beschattungsaffäre bei der Credit Suisse für Aufsehen oder deren verworrene Kredite an Mosambik – ein Fall der die Gerichte heute noch beschäftigt.
Oder der Zuger Rohstoffmulti Glencore geriet schon häufig ins Visier der Aufsichtsbehörden wegen des Vorwurfs von Korruption und Verletzung der Menschenrechte.
Wer arbeitet für umstrittene Unternehmen? Eine neue Untersuchung zeigt, dass diese Arbeitgeber für Menschen, denen unmoralisches Verhalten wenig ausmacht, attraktiver sind. Auf der anderen Seite der Medaille steht, dass sie mit hohen Löhnen locken.
Moralvorstellungen im Job
Verhaltensökonomen der Universität Zürich haben untersucht, welche Firmen und Branchen in der Öffentlichkeit als besonders unmoralisch wahrgenommen werden, und wie diese Moralvorstellungen mit der Bereitschaft zusammenhängen, für ein solches Unternehmen zu arbeiten.
Das Ergebnis: Unternehmen, die als unmoralisch gelten, ziehen vor allem Arbeitnehmende mit niedrigeren ethischen Standards an, oder solche, denen moralisches Handeln weniger wichtig ist. Das ist nach Ansicht der Studienautoren insofern problematisch, als sich unmoralisches Verhalten in diesen Unternehmen oder Branchen verstärkt.
Welche Jobs als unmoralisch gelten, definieren nicht die Autoren der Studie selbst, sondern sie haben mehrere hundert Studentinnen und Studenten der ETH und Universität Zürich befragt. Die Lohndaten stammen aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung.
«Sorting and wage premiums in immoral work», Florian Schneider, Fanny Brun und Roberto Weber. Universität Zürich, Juni 2020.
Lohnprämie für unmoralische Jobs
Eine andere Feststellung: Firmen aus der Tabak- oder Rüstungsindustrie und im Finanzsektor bezahlen überdurchschnittlich gut. Die Ökonomen sprechen von Lohnprämie oder von einem «immorality premium»: Wenn sich wegen ethischer Bedenken weniger Personen auf einen Job bewerben, müssen die Firmen spezielle finanzielle Anreize schaffen.
Zwar spielt auch die Unternehmensgrösse eine Rolle für die Bezahlung, doch die Studie belegt erstmals den Zusammenhang zwischen «unmoralischen» Jobs und höheren Löhnen. «Als je unmoralischer ein Unternehmen wahrgenommen wird, desto mehr bezahlen sie ihren Angestellten», sagt Co-Studienautor Florian Schneider.
Umgekehrt zeigt sich, dass Arbeitnehmende, die mit ihrer Arbeit einen Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen weniger gut verdienen – beispielsweise bei einer NGO. Bei einer Organisation wie Unicef kommen sehr viele Bewerber auf eine Stelle – trotz mässigen Gehalts. Das Gefühl, etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun, sei für die meisten genügend Motivation. NGOs können es sich daher leisten, tiefere Löhne zu zahlen.
«Unmoralische Firmen locken Arbeitnehmende an, die wenig moralisch handeln», sagt Schneider. Daher raten die Ökonomen der Universität Zürich Firmen, besonders achtsam bei der Auswahl ihrer Mitarbeitenden zu sein. Denn je mehr Mitarbeitende mit einer Neigung zu unethischem Handeln ein Unternehmen hat, desto grösser ist das Risiko, dass es dazu kommt – und der entsprechende Imageschaden hinterher folgt.