Eigentlich ist Zug für Kirschtorten, den Blick auf die Alpen und niedrige Steuern bekannt. Geht es nach Johann Gevers, soll der Kanton bald auch einen ganz anderen Begriff verkörpern: Crypto Valley. Der Startup-Gründer will zusammen mit den Behörden aus dem Ort ein Mekka für Experten der Verschlüsselungstechnik machen. Was das amerikanische Silicon Valley für Internetkonzerne schon ist, soll Zug für Anwendungen wie die Digitalwährung Bitcoin und die zugrundeliegende Software Blockchain werden.
«Ich glaube, dass Kryptofinanz die nächste grosse Welle nach dem Internet ist», sagt der gebürtige Südafrikaner in einem Konferenzraum mit Aussicht auf Berge und benachbarte Bürotürme. «Das Land, das die besten Rahmenbedingungen für Kryptofinanzfirmen bietet, wird das Finanzzentrum der Zukunft sein.»
Vom Fischerstädtchen zum Rohstoffhandelsplatz
Zug ging immer schon mit der Zeit. Die Stadt hat sich vom beschaulichen Fischerstädtchen zu einem der weltweit wichtigsten Rohstoffhandelsplätze gemausert. Hunderte Multis und Hedgefonds haben ihre Zelte am Ufer des Zugersees aufgeschlagen. Am Anfang dieser Erfolgsgeschichte stand eine Gesetzesänderung, die seit den 1940er Jahren dafür sorgt, dass im Ausland erwirtschaftete Firmengewinne praktisch nicht besteuert werden. Der vor den US-Behörden flüchtende Ölhändler Marc Rich nutzte die Vorteile Zugs als einer der ersten. Seine Firma wurden später zu Glencore, einem der weltweit grössten Bergbau-Konglomerate.
Doch am Horizont sind dunkle Wolken aufgezogen. Das Ausland will Steuerschlupflöcher für Firmen schliessen und bedroht damit einen der Standortvorteile Zugs. Stadtpräsident Dolfi Müller hält mit seiner «Vision 2035» dagegen. «Das ist eine der globalisiertesten Kleinstädte der Welt», sagt Müller. «Wir wollen diese Dynamik nicht einschlafen lassen.» Und er lässt es nicht bei Konzepten bewenden. Seit Juli können die Einwohner bei Behördengängen mit der Digitalwährung Bitcoin bezahlen, eine weltweite Premiere.
Pionier der Branche
London, Singapur oder Berlin sind zwar viel bedeutender als Standort für junge Finanztechnologie-Firmen. In der Nische der Verschlüsselung hat sich Zug aber bereits eine bedeutende Position erarbeitet. Die lokalen Standortförderer haben zusammen mit Unternehmern wie Gevers kräftig die Werbetrommel gerührt und bereits über ein Dutzend Firmen aus dem Bereich des digitalen Zahlens angelockt. Dazu gehört Ethereum, das die Technologie für den Bitcoin-Rivalen ether bereitstellt, oder der digitale Devisenhandelsplatz ShapeShift.
Gevers liess sich vor knapp drei Jahren in Zug nieder und war damit ein Pionier in der Branche. Der frühere Philosophiestudent und Finanzberater entschied sich für die Schweiz, weil das Land dezentral organisiert ist und die Politik kaum in die Wirtschaft eingreift. Seine Firma Monetas ermöglicht Menschen ohne Bankkonto, digitale Zahlungen zu machen, und ist in über einem Dutzend afrikanischen Ländern aktiv.
Ziehen die Regulatoren mit?
Trotzdem muss auch die Schweiz bei der Regulation noch nachlegen, wenn das Land den endgültigen Durchbruch schaffen will. Denn viele Kryptowährungsfirmen werden von den Behörden als Banken eingestuft und müssen entsprechend viel Kapital vorhalten. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht hat das Problem erkannt und vorgeschlagen, dass kleine Fintech-Firmen weniger hohen Anforderungen als Kreditinstitute genügen müssen. Die Schweizer Regierung hat den Ball aufgenommen und vom Finanzministerium noch dieses Jahr einen konkreten Umsetzungsvorschlag angefordert.
Unterstützung erhalten die Behörden dabei vom Finanzsektor, der nach dem Ende des Bankgeheimnisses auf neuen Schub hofft. «Wenn wir hier nicht mitmachen und vorne dabei sind, dann verdienen wir auch das Prädikat globaler Finanzplatz nicht», sagt Martin Hess vom Bankenverband.
(reuters/ccr)