Weihnächtliche Vorfreude an den Ladenkassen? Im Detailhandel dürfte diesen Dezember eher Trübsinn angesagt sein. Die hohen Energie- und Treibstoffkosten fressen die Shoppingbudgets weg. «Die wenigsten Retailer rechnen mit einem grossen Einkaufsansturm vor Weihnachten», sagt Andreas Liedtke, Senior Partner und Retail-Experte beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG).
Gemäss der letzten Umfrage zur Konsumentenstimmung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) ist die Beurteilung der eigenen finanziellen Lage auf einen neuen historischen Tiefststand gesunken. Die Neigung zu grossen Anschaffungen verharre auf deutlich unterdurchschnittlichem Niveau. Damit der Weihnachtsbaum jedoch nicht ohne Geschenke bleibt, verlagern viele Konsumenten die Einkäufe nach vorne in den November, wenn die Shoppingevents Black Friday und Cyberweek hohe Rabatte versprechen. «Unsere Studie zum Black Friday zeigt, dass 90 Prozent der befragten Schweizer Konsumenten die Black Week für Weihnachtseinkäufe nutzen wollen», sagt Liedtke. Gefragt sind besonders Kleidung, Unterhaltungselektronik sowie Schönheits- und Parfumartikel. Untersucht wurden dafür zehn Länder, darunter etwa Grossbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Obwohl die hiesigen Konsumenten verglichen mit anderen Ländern weniger stark betroffen sind von der Inflation, schränken sie ihr Einkaufsbudget für die Rabatt-Tage dennoch stärker ein. So will gemäss BCG-Studie jeder dritte Konsument dieses Jahr weniger ausgeben als 2021, insbesondere bei den nicht lebensnotwendigen Produkten. 57 Prozent der Schweizer rechnen mit einem Budget zwischen 101 bis 500 Franken. Im Schnitt geben sie jedoch mit 290 Franken mehr aus als die deutschen Konsumenten mit 285 Franken oder die Österreicher und Italiener mit 245 Franken. Kauffreudiger sind nur die Briten mit 305 Franken und die US-Amerikaner mit 430 Franken.
Eine gute Nachricht für die stationären Händler ist besonders, dass dieses Jahr wieder vermehrt Passanten in den Einkaufsstrassen zu erwarten sind. So stieg die Zahl jener Shopper, die explizit nur in den Läden einkaufen wollen, im Vergleich zum Vorjahr von 20 auf 24 Prozent. Gleichzeitig ging die Zahl von Personen, die nur online einkaufen, von 35 auf 29 Prozent zurück. Die Hälfte gab an, beides zu kombinieren.
Entwarnung ist das für die Läden jedoch nicht. Laut Liedtke wird es für sie immer schwieriger, die jungen Konsumenten zu erreichen. «Die Generation Z hat gelernt, via Smartphone überall nach den besten Rabatten zu jagen.» Sie informierten sich in den sozialen Medien und gingen viel weniger in die Geschäfte hinein, um sich von den ausgestellten Waren zu Käufen inspirieren zu lassen. Gemäss Befragung kauft mehr als ein Drittel der Generation Z nur online ein.
Auf lange Sicht ist die grösste Sorge für die Läden also nicht unbedingt die aktuell ungemütliche Wirtschaftslage, sondern die Frage, ob sie ein jüngeres Publikum künftig noch anlocken. «Gelingen kann das etwa mit einem besonders guten Community Building», sagt Liedtke. Sprich: wenn Läden etwa spezielle Events für die junge Zielgruppe organisieren. Erreicht habe das etwa Jelmoli mit seinen Secondhand-Angeboten für Designprodukte. «Da hat sich eine eigene Community entwickelt, die sich dann im Laden trifft.