Das Jahr 2022 geht wohl als eines der verlustreichsten in die Geschichte ein. Hand in Hand rauschten die Kurse von Obligationen und Aktien nach unten. Das klassische 60:40-Portfolio verbuchte die stärksten Verluste seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Chefanleger und Ökonomen sahen die Zäsur zum grössten Teil nicht kommen. In ihren Ausblicken aufs Anlagejahr 2022 waren sie im November 2021 weitgehend positiv gestimmt.

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In hochkomplexen Märkten zutreffende Prognosen zu machen, ist natürlich schwer. Auch war der Angriff auf die Ukraine nicht vorhersehbar. Doch schon vor einem Jahr befanden sich die Bewertungen nach der Hausse genauso wie die Inflation auf kritischen Niveaus.

Vor allem das Ausmass der Teuerung, die zu den alles entscheidenden Zinsanstiegen führte, haben die Risikomanager komplett falsch eingeschätzt. Wenn überhaupt, dann wurden erste Zinsschritte für Herbst 2022 erwartet.

Während man von Obligationen abriet, war der Glaube an Aktien intakt. «Der Ausblick für Anleger ist weiterhin gut», schrieb etwa Luca Paolini, Chefstratege bei Pictet AM, am 19. November 2021. Pictet warnte in ihrem Ausblick auf 2022 vor den rekordhohen Bewertungen und einer strafferen Geldpolitik, prognostizierte aber Aktienrenditen im einstelligen Bereich. 2022 werde nur eine Abschwächung, aber keine Wende bringen. Einen starken Anstieg der Anleihenrenditen hielt man für «unwahrscheinlich».

Julius Bär bezeichnete Cash als «unattraktiv» – einsetzbar nur als taktischer Puffer. Man glaubte an eine sanfte Landung bei der Inflation. Der Aufwärtstrend bei Aktien werde «wahrscheinlich anhalten».

Obwohl mehrere Zentralbanken damit begonnen hätten, ihre pandemiebedingten Stimuli zurückzufahren, erwartete die Credit Suisse weiterhin attraktive Aktienerträge im einstelligen Prozentbereich. Global Chief Investment Officer Michael Strobaek riet noch dazu, «ein angemessenes Aktienexposure in den Portfolios sicherzustellen».

Auch UBS, der grösste Vermögensverwalter der Welt, prognostizierte für ein «Jahr der Erkundungen» positive Aktienmarktrenditen. Mark Haefele, Chefanleger von UBS Global Wealth Management, traute dem SMI im Basisszenario bis Juni 13'000 Punkte zu, 2500 mehr, als es dann tatsächlich waren. Zumindest in einem Negativszenario war von anhaltend hohen Energiepreisen, hartnäckiger Inflation und einer aggressiveren Straffung die Rede.

Die ZKB schrieb in ihrem Jahresausblick zwar von einer einsetzenden Phase der Entwöhnung. Die aber noch expansive Geldpolitik spreche dafür, dass die hohen Erwartungen an den Börsen erfüllt würden. Trotz der Unwägbarkeiten führe kein Weg an Aktien vorbei.

Dass man für 2022 auch richtigliegen konnte, bewies der französische Geldverwalter Amundi. Der Fokus solle auf der Widerstandsfähigkeit des Portfolios gegenüber steigenden Zinsen liegen. Bantleons Chefstratege Daniel Hartmann prognostizierte unter anderem in BILANZ, dass es aufgrund des Rückzugs der Geldpolitik und des Renditeanstiegs 2022 in allen Assetklassen schwierig werde, positive Erträge zu erzielen. Er riet, die Aktienquoten im Laufe des Jahres zu reduzieren.