Es war ein Experiment, das der damalige Roche-Präsident Franz Humer aus England importiert hatte. Er war bis 2017 auch Präsident des Spirituosenkonzerns Diageo, der so illustre Marken wie Johnnie Walker, Smirnoff oder Guinness herstellt. Seine Kompetenz im Alkoholgeschäft: praktisch bei null. Humer hatte seine gesamte Karriere im Pharmageschäft verbracht.
In England waren damals Branchenfremde als Präsidenten gefragt. Weil die Regulatoren die Unabhängigkeit eines Chairmans hoch gewichteten, kamen verdiente CEOs als Quereinsteiger zu hochkarätigen Jobs: Der Automanager Louis Schweitzer etwa, lange CEO von Renault, war Präsident des Pharmakonzerns AstraZeneca, der Telekom-Grande Chris Gent von Vodafone führte das Präsidium beim Pharmariesen Glaxo Smith Kline. Und so setzte es Humer, mit dem Support der Gründerfamilien um André Hoffmann, auch bei Roche durch: Mit Christoph Franz wurde 2014 erstmals ein Branchenfremder Präsident bei dem altehrwürdigen Pharmakonzern – der frühere Swiss-Chef gab für das wohldotierte Amt seinen Chefposten bei der Lufthansa auf. Seine Pharmakompetenz: praktisch bei null.
Jetzt wird das Experiment beendet. Mit Severin Schwan übernimmt wieder ein Manager das Präsidium, der sein gesamtes Berufsleben in der Pharmabranche verbracht hat und dem Roche-Verwaltungsrat bereits angehört. Dass Schwan direkt vom CEO-Posten auf den Präsidentensessel wechselt, ist zwar kaum beste Corporate-Governance-Praxis, genauso wie seine VR-Zugehörigkeit, die schon bei seinem Antritt bei zehn Jahren liegt. Doch der Trend ist eindeutig: Es braucht wieder mehr Fachkompetenz an der Spitze.
Das zeigt sich auch in England selbst. Bei Diageo folgte auf den Branchenfremden Humer der Spirituosenfachmann und Ex-Bacardi-Chef Javier Ferrán. Interessant auch der Wechsel bei Glaxo Smith Kline: Dort folgte auf den Banker Philip Hampton, Ex-Vormann bei der Grossbank Natwest, ein Mann mit Pharmaerfahrung: Jonathan Symonds war Finanzchef bei Novartis und AstraZeneca. Der Ölriese BP setzt auf den Rohstoffveteranen Helge Lund, langjähriger CEO des norwegischen Ölriesen Statoil. Beim Konsumgüterproduzenten Unilever besetzt mit dem Dänen und ehemaligen Møller-Mærsk-Chef Nils Andersen zwar ein Reedereikenner das Präsidium, aber er kennt die Konsumgüterbranche bestens: Er war vorher CEO des Bierbrauers Carlsberg.
Interessant auch die Entwicklung bei AstraZeneca: Dort folgt auf den langjährigen Volvo-Chef Leif Johansson ein in der Schweiz bestens bekannter Manager: Michel Demaré, Ex-ABB-Finanzchef und Ex-UBS-Vizepräsident, dazu aber auch einige Jahre Präsident bei Syngenta – und damit schon näher am Pharmageschäft als sein Vorgänger. Von den grossen britischen Firmen setzt nur Vodafone entschlossen das Experiment fort. Der Telekomriese gönnt sich einen Bierprofi als Präsidenten: Jean-Francois van Boxmeer war 15 Jahre CEO von Heineken.
1 Kommentar
Das branchenfremde hoch dotierte Positionen nicht erfüllen können ist so definitiv logisch, da hätte man gar nicht erst experimentieren müssen.
Ich stelle auch keinen Metzger ein, um meine Immobilienverwaltung zu führen.