Corona hat die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrössert. Wie gut funktioniert die Umverteilung? Zahlen die Reichen genug? Wie verantwortungsvoll gehen sie mit ihrem Geld um?
Darüber diskutiert BILANZ-Chefredaktor Dirk Schütz mit folgenden Gästen:
- Ronja Jansen, Präsidentin Juso Schweiz
- Urs Wietlisbach, Co-Gründer Partners Group
- Thomas Matter, SVP-Nationalrat, Gründungsaktionär der helvetischen Bank
- Ueli Mäder, Soziologe, Reichtums-Forscher Uni Basel
Die Gunst der Börse sowie der lukrative Immobilienmarkt haben den Reichen – der weltweiten Pandemie zum Trotz – Milliardengewinne beschert. Die Liste der 300 Reichsten, die BILANZ jedes Jahr erstellt, verdeutlicht dies nochmals: 2021 bringen es die Superreichen auf ein Vermögen von sage und schreibe 821 Milliarden Franken. Mit 115 Milliarden Franken mehr Vermögen im Vergleich zum Vorjahr ist dies der grösste Zuwachs seit Beginn der Erhebung.
«Das ist gefährlich», sagt Juso-Präsidentin Ronja Jansen. Im Komitee der 99-Prozent-Initiative, welche die höhere Besteuerung von Kapitaleinkommen verlangte, engagierte sich Jansen für eine stärkere Umverteilung. Denn: Die durch die Pandemie grösser gewordene Vermögensschere gefährde die Demokratie in der Schweiz.
SVP-Nationalrat Thomas Matter sieht es anders. Der Rekord-Zuwachs sei als Gütesiegel für das erfolgreiche Unternehmertum in der Schweiz zu verstehen. Ein Blick auf die BILANZ-Liste zeigt: Der Grossteil der Reichsten sind Unternehmerinnen und Unternehmer. Vom kleinen Teil der Erben, die sich auf der Reichsten-Liste tummeln, ist eine Mehrheit Ausländer. Matter erinnert zudem daran, dass, das ganze Land vom Vermögenszuwachs der Reichen profitiert: «Ein erfolgreicher Unternehmer zahlt erfolgreich Steuern».
Steuern, Umverteilung und Gerechtigkeit
In der Schweiz zahlen 10 Prozent der vermögendsten Menschen 50 Prozent der Einkommens-Steuern. Vermögenssteuern zahlen diejenigen mit einem Vermögen von über 100’000 Franken. Im internationalen Vergleich weist die Schweiz – gemäss Gini-Index – eine hohe Vermögensungleichheit auf. Die Ungleichheit auf Einkommens-Ebene gestaltet sich relativ ausgeglichen.
Jedoch sind internationale Vergleiche problematisch, da verschiedene Steuersysteme einander gegenübergestellt werden. Die Berechnungen enthalten zudem nicht immer alle relevanten Informationen (Anteil an Auszubildenden oder Studierenden, Steuervergünstigungen, Nicht-deklarierte Vermögen, Vermögen im Ausland etc.). Ausserdem sind die Abstände entscheidend, die man misst. Misst man den Abstand zwischen Armen und Mittelschicht, so entsteht ein anderes Bild, als wenn man den Graben zwischen den Superreichen und der übrigen Bevölkerung ermittelt.
Auch im Business-Talk sorgt dieses komplexe Thema für eine hitzige Debatte über das Mass an Ungleichheit, das wirklich herrscht, sowie die Umverteilung-Kapazitäten des Schweizer Steuersystems. Für Banker Matter ist klar: «Das Erfolgsmodell Schweiz existiert immer noch». Denn: Obwohl Corona die Einkommensschere verstärkt hat, seien die Median-Einkommen stetig gestiegen. Die Vermögensungleichheit spielt für den SVP-Nationalrat eine weniger wichtige Rolle.
Soziologe und Reichsten-Forscher Ueli Mäder kontert, das freie verfügbare Einkommen sei im unteren Segment gesunken. Ausserdem sei die Vermögensverteilung entscheidend für den Zusammenhalt des sozialen Gewebes: Soziale Gerechtigkeit messe sich nicht nur daran, wie viel Steuern die Superreichen zahlen, sondern auch wie der Wohlstand innerhalb der Gesellschaft verteilt ist.
Verantwortung von Superreichen
«Niemand braucht mehr als 100 Millionen Franken»: So begründet Ronja Jansen die Juso-Initiative «Make the rich pay for climate change». Diese verlangt eine Begrenzung der Vermögen auf 100 Millionen Franken. Die zusätzlichen Steuereinnahmen sollen in nachhaltige Investitionen und den Kampf gegen die Klimakrise investiert werden. «In der Schweiz entscheidet ein Prozent darüber, was und wie wir produzieren und zwar aufgrund von Profitinteressen», so Jansen. Da sei es angebracht, dass dieses eine Prozent für die Klimakrise zahlt.
«Mit solchen Massnahmen schickt man die Alfred Schindlers und Peter Spuhlers zum Teufel!», sagt Thomas Matter. Laut dem Nationalrat ist die Initiative anti-unternehmerisch und würde dem freien Markt schaden, der die grössten Innovationen für den Klimaschutz hervorgebracht hat.
Urs Wietlisbach, Co-Gründer des Private-Equity-Konzerns Partners Group, warnt zudem: «Dieses eine Prozent ist mobil». Die Abwanderung der Reichen würde enorme Konsequenzen für die Schweiz mit sich ziehen. Wietlisbach, selber Milliardär und auf der Liste der 300 Reichsten vertreten, gibt jedoch zu: Reiche haben eine grosse Verantwortung. Er wolle aber selbst eine Umverteilung vornehmen statt dies dem Staat zu überlassen. Wietlisbach sieht sich ganz in der amerikanischen Tradition des «Giving Pledge» sieht: Er werde mehr als 90 Prozent seines Vermögens in seiner Lebenszeit an die Gesellschaft zurückgeben, sagte er.
Mit seiner Impact-Firma Blue Earth Capital etwa investiert er Millionen in nachhaltige Projekte. Alles schön und gut, doch vom «Gutmenschentum von einzelnen Superreichen» könne man die Lösung der Klimakrise nicht abhängig machen, so Jansen.