Wie schnell sich die Dinge doch ändern. Im Mittelpunkt des Business Talks mit Finanzminister Ueli Maurer und UBS-Präsident Axel Weber hätte der Zustand des Finanzplatzes Schweiz nach Corona stehen sollen. Doch nun überlagert der Ukraine-Konflikt alles.
«Meine Erinnerung an ihn ist eine andere», so Ueli Maurer über Vladimir Putin, den er zuletzt im November 2019 bei einer Präsidial-Reise traf. Über die Ukraine sprachen die beiden nicht, jedoch über die bilateralen Beziehungen – der russische Staatschef schien laut Maurer sehr gut Bescheid zu wissen über die Schweiz. «Ich hätte das nie geglaubt, was jetzt passiert», sagt der Bundesrat über die aktuelle Enthemmung des Despoten.
Auch Axel Weber zeigt sich sichtlich erschüttert: «Dass Russland einen Krieg auf europäischem Territorium beginnt, ist für jeden schockierend». Die UBS sei jedoch schon seit längerer Zeit konservativ mit russischen Exposures umgegangen: «Das Pulverfass Ukraine-Russland ist schon seit der Invasion der Krim ein Thema. Auch damals wurden Sanktionen verhängt, was wir als Zeichen deuteten, dass es dieses Mal auch wieder heftig sein würde», so Weber.
Sanktionskönigin Schweiz
Dass die historisch neutrale Schweiz die Sanktionen der EU gegenüber Russland übernimmt, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Hatte die Schweiz aufgrund des wirtschaftlichen Drucks der EU-Partner und Amerikaner vielleicht keine andere Wahl? «Die Schweiz steht immer unter Druck», äussert sich Maurer gegen den Einwand. «Es war hier eine moralische Frage – um ein Signal zu senden».
Auch Weber findet das Sanktionspaket der Schweiz eine «angemessen harte Reaktion». Als global agierende Bank hätte die UBS zwar so oder so Sanktionen gegenüber Russland verhängt. Dass das Sanktionsregime der Bank nun maximal aligniert ist mit demjenigen der Schweiz sei jedoch am effektivsten – der Teufel steckt nämlich im Detail. Gerade am Beispiel des Swift-Ausschlusses (siehe Erklärung unten) wird laut Weber klar, wie wichtig es ist, dass alle am gleichen Strang ziehen, um Schlupflöcher und Umgehungstatbestände zu vermeiden. Banken hätten hier eine grosse Verantwortung: «Wir wollen jeglichen Finanztransfer nach Russland zur Finanzierung dieses Angriffskrieges vermeiden».
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sanktionen für die Schweiz sieht der UBS-Präsident nicht allzu tragisch – schliesslich befinde sich ja die Weltwirtschaft im Aufschwung: «Die Wirtschaft leidet in einer positiven Verfassung», so Weber.
Die Energiefrage bzw. der potenzielle Stopp von russischen Energie-Exporten beschäftigt den Banken-Präsidenten jedoch – und seine Bank wagt bereits eine Schätzung: «Europa wird Investitionsprozesse von drei bis vier Jahren benötigen, um sich vollkommen von russischem Öl und Gas abzukoppeln».
Schweiz im Aufrüstungshype?
«Das militärische Vakuum wurde ausgenutzt durch jemanden, der die militärische Kraft hat», sagt Ueli Maurer zum modernen David-gegen-Goliath-Krieg in der Ukraine. Der Finanzminister befürwortet demnach die Forderung im Parlament, das Militärbudget aufzustocken. Der Jetzt-Zustand der Schweizer Armee sei besorgniserregend: «Wir haben eine Armee, die nicht vollständig ausgerüstet ist, und veraltete Waffensysteme». Aktuell fliesst 0.7 Prozent des Schweizer BIPs in die Armee. Dass 2 Prozent dafür verwendet werden sollen – so wie es Nato-Staaten fordern – findet Maurer übertrieben. Aber eine Erhöhung um zwei Milliarden Schweizer Franken sei das Minimum.
Für Weber ist die Lage so akut, dass er als Banker sogar die Geldfrage in den Hintergrund schiebt: «Eine Aufrüstung braucht es, über die Finanzierung können wir später reden».
Den BILANZ-Business-Talk sehen Sie im Video ganz oben.