Eineinhalb Jahre ist es her, seit die Corona-Pandemie ausgebrochen ist. Die Wirtschaft scheint sich gut vom Schock erholt zu haben. Aber ist die Lage wirklich so positiv? Wo liegen die Risiken? Welche Branchen sind besonders gefordert?
Darüber hat BILANZ-Chefredaktor Dirk Schütz mit folgenden Gästen diskutiert:
- Monika Bütler, Wirtschaftsprofessorin HSG
- Georges Kern, CEO Breitling
- Zeno Staub, CEO Vontobel
- Martin Hirzel, Präsident Swissmem
Die Pandemie hat hierzulande für eines der tiefsten Bruttoinlandprodukt-Einbrüche im internationalen Vergleich gesorgt. Nun befindet sich die Schweiz auf derselben Wirtschaftsleistung wie 2019. «Wir haben die Lage gut gemeistert», sagt Monika Bütler. Laut der Wirtschaftsprofessorin sind die anpassungsfähige Schweizer Wirtschaft sowie die effektiven staatlichen Unterstützungsmassnahmen die Erfolgsfaktoren. Doch genau letzteres bereitet Bütler Sorgen.
Die Massnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie haben zu einem weiteren Anstieg der Schulden geführt. Die Bruttoschulden wachsen gemäss aktueller Schätzung auf 110,5 Milliarden Franken (+6,9 Mrd.). Die Staatsschulden und die aufgeblähten Bilanzen bei den Notenbanken, sind gemäss der Wirtschaftsprofessorin «nicht wegzudiskutieren».
Euphorie an den Finanzmärkten vorbei
Auch Zeno Staub beschäftigt diese Problematik. Die expansive Geldpolitik habe zwar anfänglich am Finanzmarkt für Euphorie gesorgt, diese Euphorie sei in den letzten Wochen jedoch «in Fragen übergegangen». Der Vontobel-Chef findet besonders harte Worte für die SNB: «Die Schweizer Nationalbank ist eine Gefangene der Tatsache, dass alle anderen Notenbanken die Schulden der eigenen Staaten kaufen. Nun fühlt sich die SNB dazu verpflichtet, den Wechselkurs für die 80-Prozent-Exportquote durch Käufe der Schulden anderer zu unterstützen».
Staub schaut nun ausgeglichen in die Zukunft, denn das Beste liege bereits hinter uns: «Die Zentralbanken werden nicht noch expansiver werden, die Gewinne werden systematisch nicht noch grösser werden».
Industrie: Volle Bücher, keine Umsätze
Swissmem-Präsident Martin Hirzel sagt, in der Industrie spüre man enorme Preis- und Kostensteigerungen, aber zu schaffen mache den MEM-Branchen vor allem das Lieferketten-Problem. Engpässe in der Logistik sowie der Mangel an Komponenten – allen voran Halbleitern – haben die weltweiten Lieferketten zum Stocken gebracht: «Wir können mit vollen Auftragsbüchern keine Umsätze erzielen. Ich war kürzlich bei einem Unternehmen, dass mit vollen Auftragsbüchern ernsthaft an Kurzarbeit denkt, weil es nicht liefern kann».
Genau dieses Lieferketten-Problem, aber auch die demografische Krise sowie die Investitionen, welche die Net Zero Wirtschaft erfordern wird, werden gemäss Monika Bütler zu einem geringeren Wirtschaftswachstum führen. Die Staatsschulden würden demnach – ohne Wachstum, welches sie legitimieren kann – zu einem noch grösseren Problem. Ob auf die Schuldenüberhänge eine Inflation folgt oder gar ein radikaler Schuldenschnitt, sei unklar, aber: «Ausschliessen kann man gar nichts».
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