Bei allem Hype, der um Hotels gemacht wird: Es sind herausragende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche die Hotels zum Strahlen bringen, und nicht umgekehrt.
Egal, wie luxuriös die Ausstattung, wie spektakulär das Design oder wie feinsinnig die Gastronomie daherkommt – es ist letztlich immer das Hotelteam, das den Aufenthalt für die Gäste zu etwas Besonderem macht. Das wichtigste Kapital: Authentische Mitarbeitende, die sich intuitiv in jeden einzelnen Gast hineindenken können und den Anforderungen des Moments souverän gerecht werden, statt roboterhaft einem Katalog von Service-Standards zu folgen.
Bereit für die Extrameile
Die Gäste kommen in Hotels, um eine gute Zeit zu verbringen. Gastfreundschaft heisst, andere Menschen glücklich zu machen und Emotionen zu schaffen, die im Optimalfall noch lange in schöner Erinnerung bleiben.
Kleine Aufmerksamkeiten, hinter denen ein menschliches Wohlwollen steht, werden als grosse Gesten erkannt und empfunden – von Leuten, die oft alles haben, aber nicht immer mit ehrlicher Zugewandtheit verwöhnt sind. Dieser persönliche Effort macht nicht nur den Unterschied für die Gäste, sondern verleiht der Arbeit im Hotel eine Sinnhaftigkeit, die weit übers Bedienen und Servieren hinausgeht.
Engagement ist alles, und ohne Leidenschaft ist alles nichts
«Doing good makes us feel good», so eine wissenschaftliche Erkenntnis der Glücksforscher. Oder in den Worten von Andrea Scherz, Hausherr im Gstaad Palace: «Nichts ist sinnstiftender, als gemeinsam etwas zu schaffen. Wir brauchen einander alle, um als Ganzes zu begeistern. Man kann noch so viele Millionen in eine atemberaubende Infrastruktur investieren – wenn dem Hotelteam die Seele fehlt oder einzelne Mitarbeitende mit bewusster Gleichgültigkeit gegenüber ihren Arbeitskollegen und den Gästen agieren, bedeutet alles nichts.»
Zu den zentralen Anliegen jedes Hoteliers zählt die Frage, wie sie ihre Gäste wieder und wieder verzaubern können. Und zuweilen gelingt es einer Hotelcrew, magische Momente entstehen zu lassen. Das ist dann pure Service-Exzellenz: Wenn harmonisch zusammenwirkende Mitarbeiter so gut motiviert sind, dass sie aus innerem Antrieb einfach mal Dinge tun, die sie weder tun müssen noch in der Stellenbeschreibung stehen, doch aus der unmittelbaren Situation und Euphorie heraus dennoch tun – was für beide Seiten ungeheuer befriedigend sein kann, weil sie einen Wow-Moment beim Gast auslösen, den dieser nicht erwartet hat.
Magische Momente schaffen
Die Erfüllung, einen aussergewöhnlichen, kleinen oder grossen Moment auf die Beine gestellt zu haben sowie die sofort spürbare Dankbarkeit und Wertschätzung der Kundschaft, suchen Mitarbeitende in vielen anderen Branchen vergeblich.
«90 Prozent aller Gäste-Feedbacks zu unserem Hotel betreffen die Mitarbeitenden», sagt Didier Bru, General Manager im La Réserve Genève. «Und die Gäste geben ihrer Erfahrung einen Namen – sie kommen mit der spezifischen Rückmeldung auf uns zu, dass beispielsweise die Massage bei Alexandra oder der Service bei Raffaele herausragend war.» Ein Aufenthalt in einem Hotel sei eine Abfolge von Kontakten mit Teammitgliedern, vom Doorman über die Rezeptionistin und die Gouvernante bis zum Barkeeper und dem Frühstückskeller. «Jeder Einzelne von ihnen kann mit seinem persönlichen Beitrag das Gasterlebnis zum Hochgenuss oder zum Debakel machen», so Didier Bru.
Vom Glück, für andere da zu sein
Zur Unternehmenskultur eines ambitionierten Hotels gehört heute, den Mitarbeitenden ein Verständnis dafür zu vermitteln, dass sie Teil eines Netzwerks sind, welches sich für das tiefe Wohlbehagen der Gäste einsetzt. «Das bedeutet, dass man sich auf die Bedürfnisse anderer einstellt, sich in andere hineinversetzt, emotionale Intelligenz und Empathie haben muss», sagt Philippe Clarinval, der als Hotelier und Team-Coach zahlreichen Betrieben zu mehr gesundem Menschenverstand und einer gewissen Leichtigkeit des Seins verholfen hat.
Es gebe viele Theorien über Management, so Clarinval, aber im Grunde genommen gehe es darum, eine freudige Grundstimmung im Team zu schaffen und aufrechtzuerhalten und dafür zu sorgen, dass sich jeder wahrgenommen, zugehörig und in die abteilungsspezifischen Entscheide eingebunden fühlt. Das Betriebsklima sei für die meisten Mitarbeitenden wichtiger als die inzwischen zum Standard gehörenden Bonus- und Goodie-Programme – vorausgesetzt natürlich, dass die Anstellungsbedingungen fair und zeitgemäss sind und stets Perspektiven zur beruflichen Weiterentwicklung im Blickfeld bleiben.
Die Kraft des Zusammengehörigkeitsgefühls
Markus Granelli, General Manager im «Dolder Grand», bestätigt dies. «300 Franken mehr Lohn hat man rasch vergessen, nicht aber das Wohlgefühl bei der Arbeit und diesen ganz besonderen Zusammenhalt, den man in einem guten Hotelteam hat.» Granelli ergänzt: «Es macht einfach riesigen Spass, gemeinsam mit engagierten Menschen aus den unterschiedlichen Berufszweigen im Hotel an einem Strang zu ziehen, Freude im Leben der Gäste zu schaffen und eine einzigartige Atmosphäre zu erzeugen.»
Noch anschaulicher beschreibt René Bornmann vom «The Dylan» in Amsterdam die Faszination hinter den Kulissen im Mikrokosmos Hotel: «Wenn wir am frühen Abend eine Hochzeit oder ein Geburtstagsfest veranstalten, führt der ganze Tag auf diesen Moment hin. Wunderbar sind die 30 Minuten, bevor die ersten Gäste eintreffen, und die ganze Erwartung, die darüber liegt. Alles glänzt im Raum. Der Champagner ist kaltgestellt. Die Jazzmusiker machen einen letzten Soundcheck. Und das ganze Team weiss: Wir sind bereit. Die Gäste strömen herein und wir können sie in unserem Haus willkommen heissen.»
Gen Z mit gastgeberischen Talenten
Die grösste Herausforderung der Branche liegt unverändert darin, liebenswürdige, ehrliche und sich normal verhaltende Fachkräfte zu finden und zu binden – dies weit über die Demografie hinaus, denn der Wunsch nach weniger Arbeitsstunden betrifft längst nicht nur die Jüngeren. Die Signale zur Lage auf dem Arbeitsmarkt und zum mangelnden Nachwuchs sind sehr unterschiedlich: Von «kaum jemand Verlässlichen zu bekommen» bis «alle wichtigen Positionen zufriedenstellend besetzt» lauten die Kommentare der HR-Abteilungen.
Genauso divergierend sind die Erfahrungen mit der vielbelächelten Gen Z: Manche Hotels haben kaum noch Lust, Menschen der Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010 einzustellen, weil diese zu faul, zu fordernd und zu unverbindlich seien. Andere loben die jungen, oftmals gut ausgebildeten und selbstbewussten Leute als anpassungs- und improvisationsfähig, kreativ und technologieaffin – man könne von ihren Fähigkeiten erheblich profitieren, müsse ihnen hierzu aber die Sinnhaftigkeit in ihrer Arbeit vermitteln und Raum zur Persönlichkeitsentfaltung bieten. Pragmatisch zu sein, hilft: Nach den Babyboomern und der Generation X, die demnächst respektive in zehn bis fünfzehn Jahren das aktive Berufsleben verlassen, kommen unweigerlich die Generationen Y und Z.
Zunehmende Mitarbeiterfluktuation
Zu den guten Nachrichten aus der Hotellerie gehört, dass Betriebe mit modernem Mindset durchaus zu begeisterungsfähigen und begeisternden jungen Talenten kommen, auch wenn sich deren kennzeichnende Unstetigkeit noch nicht in Wohlgefallen aufgelöst hat: Mitarbeitende der Gen Z ziehen oftmals nach einigen Monaten sprunghaft und unerwartet zu einem nächsten Hotel oder in eine andere Branche weiter.
Mit der zunehmenden Personalfluktuation und dem Trend zu reduzierten Arbeitspensen muss das Gastgewerbe also umgehen lernen – was aber gar nicht so dramatisch ist. Ein Blick auf die aktuelle Liste der «Hotelmitarbeitenden des Jahres 2024» zeigt jedenfalls: Die meisten der Ausgezeichneten sind erst seit zwei bis vier Jahren in ihren Betrieben tätig und doch absolut herausragend in dem, was sie für ihre Gäste und abteilungsübergreifend im Team bewirken. Sie sind nicht nur zugängliche Menschenversteher und Traumerfüller, sondern auch authentische Persönlichkeiten, die ihren Hotels erst den unvergleichlichen Touch geben und stets von Neuem für ein bisschen Magie sorgen.