Wie steht es nun um die Inflation? Der Glaubensstreit in der Ökonomenzunft dauert an. Warnte man 2020 mit Blick auf die Geldmengen vor einer US-Inflation, wurde man bestenfalls müde belächelt. «Die Geldmenge M2 wurde vor einigen Jahren aus der Standardliste der Frühindikatoren gestrichen», drückte es US-Zentralbankpräsident Jerome Powell noch im Jahr 2021 aus.
Mittlerweile trifft die eigentlich triviale Aussage, dass Inflation ein monetäres Phänomen sei, wieder auf deutlich weniger Gegenwind.
Trivial deshalb, weil Inflation per Definition die Entwicklung der Kaufkraft einer Einheit Geld beschreibt. Es gibt allerdings zwei Herausforderungen: Einerseits ist eine irritierende Unkenntnis unseres Geldsystems weitverbreitet. Das Zentralbankgeld, also in erster Linie die Sichtguthaben der Banken bei der Zentralbank, ist wenig inflationsrelevant. Entscheidend sind die Konten der Haushalte und Unternehmen, also das Geld, das auch wirklich ausgegeben werden kann.
Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.
So haben die massiven Liquiditätshilfen für Banken in der Finanzkrise wenig überraschend zu keinem Inflationsdruck geführt, die von den Zentralbanken finanzierten Fiskaltransfers in der Corona-Krise aber schon.
Herausforderung Nummer zwei: Der Zusammenhang zwischen der Geldmenge M2, dem Geld auf den Konten von Haushalten und Unternehmen, und der Inflation ist kompliziert. Steigt die Geldmenge an, ergibt dies ein Inflationspotenzial, das sich einmal in höheren Preisen auflösen wird. Wann und wie dies passieren wird, ist aber unklar und hängt von den aktuellen Entwicklungen in der Wirtschaft ab.
Wie hoch ist die Nachfrage der Konsumenten? Wie stark investieren die Unternehmen? Gibt es Engpässe bei Faktoren mit grossem Einfluss auf die Inflationsraten, insbesondere bei Energieträgern oder Arbeitskräften? Mit welcher Preisentwicklung rechnen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, und welche Konsequenzen hat dies auf die Lohnverhandlungen?
Konjunkturelle Entwicklungen, politische Ereignisse und auch strukturelle Faktoren wie der demografische Wandel beeinflussen damit das Auf und Ab der Inflationsraten in der kurzen Frist.
In der Corona-Krise schlug sich der Anstieg der Geldmengen sehr rasch in höheren Preisen nieder, weil die Haushalte dank hohen Kontoständen in grossem Ausmass Güter nachfragten und damit die weltweiten Produktions- und Logistikkapazitäten überforderten.
Die Energiepreise stiegen wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine zusätzlich an. Der Dollar hat mit den hohen Inflationsraten seit 2020 insgesamt massive 20 Prozent an Kaufkraft verloren.
Was lässt sich nun für die Zukunft sagen? Das Inflationspotenzial des Corona-Geldmengenanstiegs ist vorerst zu einem guten Teil aufgebraucht. Stark vereinfacht: Die Geldmenge M2 liegt in den USA aktuell um etwa 35 Prozent höher als im Jahr 2020, während die in Dollar gemessene Wirtschaftsleistung bisher ebenfalls bereits um etwa 26 Prozent angestiegen ist.
Wir kommen damit in einen Bereich, in dem die Geldmengen aufgrund ihrer unpräzisen Kurzfristprognosen keine klaren Aussagen mehr zulassen.
Alle anderen Indikatoren für eine Inflationsprognose sind allerdings auch nicht wirklich hilfreicher, da ihre Vorhersagekraft zu jedem Zeitpunkt stark beschränkt ist. Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Die Geldmenge ist nicht fix.
Wenn die Fiskal- und Geldpolitik bei der nächsten Rezession wie in der Corona-Krise zwecks Vermeidung von Einkommenseinbussen wiederum mit Helikoptergeld zur Unterstützung eilt, wird das Inflationspotenzial erneut ansteigen.