Ein Umsatzverlust von 42 Prozent, ein Betriebsergebnis von minus 117 Millionen Franken und 425 abgebaute Stellen. Für die Hotelplan Group war das Geschäftsjahr 2020 – aus offensichtlichem Grund – das trübste überhaupt. Den Mumm, mitten in der Dürre das Steuer einer gebeutelten Firma zu übernehmen, hatte Laura Meyer, zuletzt Head of Digital Distribution & Analytics bei UBS. Sie ist die erste Frau an der Spitze von Hotelplan – und mit 41 Jahren eine der jüngsten CEOs der Schweiz.
Meyer war bereits seit 2018 im Hotelplan-VR, doch für die CEO-Rolle des zum Migros-Verbund gehörenden Konzerns hatte man die Branchenfremde nicht auf der Rechnung. Die Reisebranche wiederum ist längst hybrid unterwegs. Schon vor der Pandemie stammte rund die Hälfte des Umsatzes der Hotelplan-Gruppe aus digitalen Kanälen. Hotelplan-Marken wie etwa Migros Ferien verkaufen nur online.
Die Wahl einer Digitalexpertin an die Spitze ist also konsequent. Und Meyer bringt das Rüstzeug mit, um die Firma noch weiter fit zu trimmen. Die Flaute für Hotelplan ist zwar nicht vorbei – der Verlust minimiert sich 2021 immerhin auf 41 Millionen. Doch mit dem stetigen Ausbau des Digitalangebots bleibt Meyer, überzeugt von der Existenzberechtigung von Reisebüros, ihrem Auftrag treu.
Familie
Meyer wächst mit zwei Schwestern an verschiedenen Orten in und rund um Zürich auf. Ihr Vater war Soziologieprofessor und hat die Gesundheitsfakultät der ZHAW als Gründungsdirektor aufgebaut. Ihre Mutter war Lehrerin. Für Meyer ist die Unterstützung ihrer Eltern bis heute Gold wert. 2014 heiratet Meyer einen Anwalt bei einer Bank. Sein Engagement sowie sein Teilzeitpensum zählt sie zu den Gründen, wieso sie ihre CEO-Rolle wahrnehmen kann.
Meyer hat zwei Buben, vier und sechs Jahre alt, mit denen sie gerne reist – auch mal an exotischere Orte. Vor der Pandemie verbrachte die ganze Familie sechs Wochen in Singapur und Thailand. Aber auch Velofahren, Roadtrips mit dem Auto, Bergausflüge und Campen gehören zu den gängigen Familienaktivitäten. Übrigens: Der berühmte Schweizer Dichter Conrad Ferdinand Meyer ist Meyers Urururgrossonkel.
Karriere
Während ihres Jus-Studiums an der Universität Zürich verbrachte Meyer, die jede Chance packt, um ins Ausland zu gehen, ein Studienjahr in Spanien. Trotz Abschluss «summa cum laude» hatte sie nie vor, Anwältin zu werden, und stieg nach der Uni direkt in die Beratung ein – wieder mit dem Hintergedanken, reisen zu können.
In ihren sechs Jahren bei McKinsey arbeitete Meyer in mehr als zehn Ländern auf vier Kontinenten. Während ihrer Zeit beim Beratungsunternehmen absolvierte sie einen Master in Business Administration an der Insead – Marc Maurer, Co-CEO von On, studierte da zur gleichen Zeit, und die beiden wurden Freunde. Nach McKinsey stiess Meyer zum Medienhaus NZZ und wurde Head Key Account Management, Sales Strategy & Sales Processes. Dort arbeitete sie mit dem jetzigen Comparis-CEO Steven Neubauer zusammen und lernte zudem Etienne Jornod kennen, früher Verwaltungsratspräsident von Vifor.
Mit ihm ist sie im regen Austausch innerhalb des NZZ-Verwaltungsrats, in den Meyer in diesem Frühjahr berufen wurde. Ex-McKinsey-Mann Andreas Kubli bewegte Meyer 2015 dazu, in den Digitalbereich von UBS zu wechseln, den er verantwortet. Lukas Gähwiler, damals UBS-Schweiz-VRP, unterstützte Meyer dabei, 2018 das Hotelplan-Verwaltungsratsmandat annehmen zu können. Axel Lehmann, heute Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse und damals UBS-Schweiz-Chef, spielte eine wichtige Rolle bei der Beförderung aufs Managing-Director-Level.
Mitstreiter
Mit der Migros-Mutter im Hintergrund geniesst Hotelplan eine privilegierte Position. Während andere Reiseveranstalter auf Staatshilfe zurückgreifen mussten, stand der orange Riese Hotelplan zur Seite und griff ihr finanziell unter die Arme. Migros-Präsidentin Ursula Nold und Fabrice Zumbrunnen, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bunds, waren für Meyer wichtige Stützen während der turbulenten Pandemiezeit.
Ausserdem sei es Zumbrunnen gewesen, der Meyer 2018 in den Hotelplan-Verwaltungsrat verholfen und ihr schliesslich auch den Sprung zur CEO ermöglicht habe. Sarah Kreienbühl, Mitglied der Generaldirektion der Migros-Gruppe und Leiterin von HR, Kommunikation und Nachhaltigkeit, ist gemäss Meyer ebenfalls eine wichtige Brücke zum Mutterhaus.
Zu engen Verbündeten ausserhalb der Konzernstruktur gehört etwa Salt-Chef Pascal Grieder. Aus der Freundschaft der beiden Topmanager ist eine wichtige Geschäftsbeziehung entstanden – die Salt-Hotelplan-Doppelfilialen. Ausserdem ist Meyer Teil des Frauennetzwerks «Generation CEO» und pflegt da besonders mit Annabella Bassler, CFO von Ringier, und Nadja Lang, CEO ZFV Unternehmungen und Verwaltungsrätin bei der Post, einen engen Austausch.
Tourismus-Connection
Die Schweiz – eine beliebte Destination für internationale Gäste – wurde durch die Pandemie auch für die eigene Bevölkerung zum begehrten Ferienort. Das Ferienwohnungsgeschäft der Hotelplan Group unter der Marke Interhome blüht deswegen auch. Umso wichtiger ist es für Meyer, gute Beziehungen zu den Häuptlingen der hiesigen Tourismusbranche, wie etwa Martin Nydegger, CEO bei Schweiz Tourismus, und Martin Wittwer, Präsident des Schweizer Reise-Verbandes, zu pflegen. Da Nachhaltigkeit ebenfalls zu Meyers Mission gehört, setzt Hotelplan immer mehr auf Zugreisen. Ein entsprechend wichtiger Kontakt für die CEO ist Véronique Stephan, Leiterin Personenverkehr und GL-Mitglied der SBB.
Gegenspieler
Definiert man den Reisemarkt weit, dann sind für die Hotelplan Group die Onlineriesen Booking.com und Airbnb die Hauptkonkurrenten. Vor allem bei spontan gebuchten Kurzreisen können Plattformen wie Booking.com im Gegensatz zu traditionellen Reiseveranstaltern punkten. Was die hiesige Reiseveranstalter-Landschaft betrifft, setzt sich diese aus wenigen Playern zusammen. Die Hotelplan-Gruppe gilt als Branchenprimus etwa vor DER Touristik Suisse (Kuoni), angeführt von Dieter Zümpel, und TUI Suisse unter der Leitung von Philipp von Czapiewski. Auf Europa-Level ist die Rangfolge anders: Dort stehen DER Touristik und TUI vor der Hotelplan Group. Zu den weiteren Mitbewerbern gehört Globetrotter, ein «Frenemy», so Meyer, aber deren Chef André Lüthi bezeichnet die CEO als «Friend». Swiss-Kapitän Dieter Vranckx sei für Meyer ebenfalls Rivale und Partner zugleich: Denn obwohl zwischen der Airline und der Reiseveranstalterin eine symbiotische Beziehung besteht, herrsche gleichzeitig ein Ringen um Flugbuchungen. Vranckx und seine Swiss unternehmen viel dafür, dass Kunden direkt bei der Airline buchen: «Das würde ich an seiner Stelle genauso machen», gibt Meyer gelassen zu.