Es war nur eine Frage der Zeit, bis Sascha Zahnd (46) nach der Rückkehr in die Schweiz vor einem Jahr sein erstes Board-Präsidium übernehmen würde. Dass es nun beim Retailkonzern Valora ist, wo Zahnd bereits als Vize amtet, ist für den bisherigen Valora-Chairman Franz Julen die Optimallösung – so kann er einerseits Zahnd im Verwaltungsrat halten und hat andererseits selber genügend Zeit für sein Herzensprojekt: den diesen Oktober erstmals seit den 1960er Jahren wieder in Zermatt stattfindenden Skiweltcup zu organisieren.

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Zahnd scheut die Öffentlichkeit – wohl auch deshalb hat man seine bemerkenswerte internationale Karriere hierzulande bislang viel zu wenig wahrgenommen. Doch mit seinem Doppelpräsidium bei der börsenkotierten Valora und bei Digitalswitzerland kann er dem Scheinwerferlicht nun nicht mehr ausweichen. Der gebürtige Seeländer ist kein Blender, sondern gilt als pragmatisch, solide, bisweilen hemdsärmelig.

«Er glaubt weniger an klassische Managementlehre und Organisationsstrukturen. Bei Elon Musk hat er gelernt: Manager sind da, um Lücken zu füllen», beschreibt ihn sein langjähriger Freund, Ringier-CEO Marc Walder. Entsprechend führt Sascha Zahnd an der langen Leine und schenkt seinen Untergebenen viel Vertrauen.

Die Karriere

Weil er schnellstmöglich ins Ausland und Führungserfahrung sammeln wollte, heuerte Zahnd nach dem FH-Abschluss bei Ikea an. In seinen zehn Jahren beim Möbelbauer arbeitete Zahnd in der Logistik und der Supply Chain in New York, Mexiko City, Shanghai und der Schweiz und hatte immer wieder auch mit dem 2018 verstorbenen Firmengründer Ingvar Kamprad zu tun. Der operative Ikea-Chef Jon Abrahamsson Ring ist bis heute ein enger Freund.

2010 erfüllte sich der Seeländer seinen «Bubentraum» (Zahnd) und wechselte zur Swatch Group. Sein Vorgesetzter war ETA-Chef Pierre-André Bühler, heute in der Konzernleitung. In Biel entwickelte sich auch die Freundschaft zu Jean-Claude Eggen, heute CEO La Joux-Perret. Aus seiner damaligen Zeit beim Berner Freisinn hat Zahnd noch heute Kontakt zu Regierungsrat Philippe Müller, YB-Präsident Hanspeter Kienberger und Beat Brechbühl, Präsident des SC Bern.

Ingvar Kamprad (l.), Boris Johnson.

KARRIERE: Ingvar Kamprad (l.), Boris Johnson.

Quelle: UK Press via Getty Images, NurPhoto via Getty Images

Sechs Jahre später dann der Wechsel zu Tesla nach Kalifornien, wo er als erster Europäer Mitglied im Leadership Team wurde, einer Art erweiterter Konzernführung. 55 Monate ohne einen freien Tag hielt es Zahnd beim Autobauer aus, die letzten eineinhalb Jahre als Europachef in Amsterdam. Als solcher stand er in regelmässigen Verhandlungen mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier sowie dem Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke über den Bau der Gigafactory nahe Berlin. Auf der anderen Seite liess der englische Premierminister Boris Johnson nichts unversucht, Zahnd umzustimmen, um die Fabrik stattdessen nach England zu bekommen – vergeblich.

Die Familie

Zahnd ist verheiratet mit Géraldine Henchoz (38). Die beiden lernten sich in Shanghai kennen, wo die studierte Sinologin für die Schweizer Handelskammer arbeitete und er für Ikea. In Biel hat sie die Stiftung Digital Kidz aufgebaut, die Kindern digitale Kompetenzen vermitteln will – wofür sie 2020 von BILANZ als Digital Shaper ausgezeichnet wurde.

Digital Shapers 2020 Mentors Geraldine Zahnd-Henchoz DigitalKidz PD

FAMILIE: Géraldine Henchoz

Quelle: PD (Pressedienst)

Die Zahnds haben zwei Töchter (5 und 7 Jahre alt) und einen einjährigen Sohn. Die Familie wohnt in einem Arbeiterquartier in seiner Heimatstadt Biel und hat eine Ferienwohnung in Zermatt. Die Freizeit verbringt Sascha Zahnd mit Sport – Skifahren, Langlaufen, Velo, Joggen, Schwimmen: «Ich mache alles, aber nichts sehr gut.» Sein Bruder Joris hat die Swiss Drone Show und die Swiss Drone League aufgebaut.

Das Silicon-Valley-Netzwerk

Als Head of Global Supply Chain war Zahnd drei Jahre lang der wichtigste Mann von Tesla-Gründer Elon Musk und operierte de facto als COO. Auch zu Co-Gründer JB Straubel und zu Ex-Automobilchef Jérôme Guillen, beides Tesla-Legenden, sind die Drähte bis heute eng, ebenso zu Doug Field, später verantwortlich für das Apple-Auto und heute Technologiechef bei Ford. Musk, Zahnd und Tesla-CFO Zach Kirkhorn entschieden zu dritt über die 4,4-Milliarden-Investition für die Gigafactory nahe Berlin – andere Firmen haben dafür gewaltige Stäbe.

In seiner Zeit im Silicon Valley lud Zahnd immer mal wieder Schweizer Politiker zu einer Standortbesichtigung ein. Finanzminister Ueli Maurer kam mehrmals und ist bis heute ein Vertrauter. Mit Alex Karp, Gründer von Palantir, traf sich Zahnd regelmässig. Palantirs Strategiechefin Laura Rudas, frühere österreichische Nationalrätin und heute Verwaltungsrätin von Ringier, lernte er im Kindergarten von Palo Alto kennen; die Familien gehen bis heute gemeinsam in die Ferien.

Elon Musk, Ueli Maurer, Alex Karp (v.l.)

SILICON-VALLEY-NETZWERK: Elon Musk, Ueli Maurer, Alex Karp (v.l.).

Quelle: Getty Images

Auch der Schweizer Unternehmer Alain Chuard (er verkaufte seine Werbefirma Wildfire an Google) ist mit Zahnd befreundet. Den Mitverantwortlichen des Swisscom-Outposts in Palo Alto, Simon Zwahlen, holte Zahnd zu Tesla. Heute ist Zwahlen dort Chef Zentraleuropa.

Die Widersacher

In seiner Zeit als Tesla-Europachef duellierte sich Zahnd rhetorisch immer mal wieder mit BMW-Chef Oliver Zipse, der gerne gegen die US-Firma stichelt. Als Valora-Präsident sind seine Widersacher auf dem Markt zum einen die etablierten Player Coop unter Philipp Wyss und Migros unter Fabrice Zumbrunnen, dort speziell das Kleinformat Migrolino in den Bahnhöfen unter Markus Laenzlinger und der Lieferdienst Hey Migrolino, der gegen das neue Valora-Format Avec Now antritt. Weitere Konkurrenten in diesem Boom-Segment sind Stash unter Benno Burkhardt und Smood unter Marc Aeschlimann.

Oliver Zipse, Philipp Wyss, Fabrice Zumbrunnen (v.l.).

WIDERSACHER: Oliver Zipse, Philipp Wyss, Fabrice Zumbrunnen (v.l.).

Quelle: ZVG

Die Verbündeten

Valora-CEO Michael Mueller lernte Zahnd bei einer Konferenz eines deutschen Think Tank kennen und empfahl Valora-Präsident Franz Julen die Kontaktaufnahme. Der flog später ins Silicon Valley und gewann Zahnd für das Valora-Board. Dort trifft er auf Markus Bernhard, CEO von Mobilezone, sowie auf Karin Schwab, stellvertretende Leiterin der globalen Rechtsabteilung von eBay – er kannte die Schweizerin bereits aus dem Silicon Valley. Venture-Kapitalist David Kaplan holte Zahnd ins Board der von ihm finanzierten Mytheresa; deren CEO Michael Kliger sitzt wiederum im Valora-Board. Beim deutschen Luxus-Onlinehändler trifft Zahnd auf Marjorie Lao, die auch im Verwaltungsrat von Logitech sitzt.

Ringier-CEO Marc Walder lernte Zahnd auf einer seiner Managementreisen ins Silicon Valley kennen und fragte ihn später als Präsident der von ihm angeschobenen Standortinitiative Digitalswitzerland an. Zahnds wichtigster Verbündeter dort ist der neue CEO Stefan Metzger (der Abgang des bisherigen Chefs Nicolas Bürer stand schon vor Zahnds Nomination fest).

Zum Netzwerk gehört auch Bundeskanzler Walter Thurnherr, der vom Bundesrat delegiert wurde, das Kompetenzzentrum Digitalisierung der Verwaltung zu leiten. Zahnd hält noch ein Beratungsmandat für Jim Farley, CEO von Ford, und deren Elektroauto-Beteiligung Rivian. Mit Marcel «Mars» Aeschlimann, Co-Gründer von Creaholic, entwickelt Zahnd nachhaltiges To-go-Geschirr auf Holzbasis.