Unser neues Buch «Zu hart am Wind: Warum die Credit Suisse untergehen musste» nennt die desaströsen Weichenstellungen, die zum Ende der Grossbank führten.
Der schweizerisch-amerikanische Bankenhybrid verfügte über die wildeste Kultur der Finanzwelt und war nur dann erfolgreich, wenn der CEO auch der oberste Risikomanager war.
Die Aushöhlung des Kontrollsystems unter dem einstigen CEO Tidjane Thiam war fatal. Sie führt zu den Grossunfällen Greensill und Archegos und brachte die Bank in eine Schieflage, die sie nicht mehr beheben konnte.
Hier einige bislang unbekannte Fakten:
- 15. November: Der CS-Kurs fällt auf 2,75 Franken, Mauer und Jordan stehen vor Bereitstellung von Liquiditätshilfe von 50 Milliarden, doch Jordan ist das Risiko ohne zusätzlichen Notfallplan zu gross.
- Zweite Hälfte November: Die Finma fordert von Lehmann einen Plan B: Er solle einen Käufer suchen. Doch er weigert sich: Ein regulärer Verkauf mit allen rechtlichen Etappen sei in dieser Notsituation nicht praktikabel. Jordan unterstützt ihn in dieser Haltung. Lehman engagiert die US-Konkursspezialisten Sullivan& Cromwell. Zusammen mit Jordan und Maurer wird das Szenario etabliert: Entweder die Sanierung funktioniert, oder es gibt ein Notwochenende mit Notrecht und Verkauf an die UBS. Jordan fordert Lehmann auf, einen Dataroom für die Notübernahme durch die UBS einzurichten. Jordan und Maurer informieren auch UBS-Präsident Kelleher über das Notfallszenario einer CS-Übernahme durch die UBS.
- Ab Januar 2023: Die neue Finanzmininsterin Karin Keller-Sutter erhöht die Transparenz im Bundesrat. Lehmann wird bei Finma und EFD als renitent wahrgenommen, im EFD wird er der «Brian der Finanzindustrie» genannt – der bekannteste Wiederholungsstraftäter der Schweiz tanzte den Behörden lustvoll auf der Nase herum, und so erlebten die beiden Behörden Lehmann, der sich beharrlich weigerte, einen Plan B vorzulegen.
- Juli 2022: Kelleher beauftragt seinen Landsmann und langjährigen Morgan-Stanley-Kollegen Colm Donlon mit der Erstellung eines Übernahmeszenarios, aber noch ohne formales Mandat.
- Oktober 2022: Von den starken Abflüssen bei der CS landet viel Geld bei der UBS. Kelleher beruft das Adhoch-Strategy commitee ein, dem die Verwaltungsratsmitglieder William Dudley, Fred Hu, Dieter Wemmer und Julie Richardson angehören. Morgan Stanley bekommt ein formales Mandat, CEO Hamers erhält den Auftrag vom VR, die Übernahme zu prüfen.
- November 2022: Kelleher wird von Jordan und Maurer informiert, dass eine Zwangsübernahme der CS das wahrscheinlichste Notfallszenario ist.
- 21. Dezember 2022: Der Verwaltungsrat erteilt der Übernahme eine Absage, signalisiert aber seine Offenheit für eine Notübernahme.
- 15. März: Die UBS-Delegation legt einen Einseiter mit elf Forderungen auf den Tisch. Die wichtigste: Keinerlei Auflagen für die Integration des Schweiz-Geschäfts. Zwei Forderungen betreffen die Finanzseite: Staatsgarantien vom Bund und Liquiditätshilfen von der SNB. Dann: kein Aufpreis auf den aktuellen CS-Marktwert, Kontrolle über die Rechtsstruktur, Anerkennung des Badwills bei der Übernahme des CS-Eigenkapitals, keine Restriktionen für Aktienrückkäufe, volle Offenlegung der Finma-Informationen zur CS, sofortiger Zugang zur ersten CS-Führungsstufe, Kontrolle über die CS-Kommunikation und ein Statement, dass die UBS von den staatlichen Behörden um diese Übernahme gebeten wurde. Die Abschreibung der AT-1-Anleihen stand nicht auf der Liste.
- 18. März: Kelleher erhält vom VR die Verhandlungsvollmacht. Er bietet 3 Milliarden für die CS. Für ihn überraschend: SNB-Chef Thomas Jordan informiert ihn im Namen der Troika, dass er eine Milliarde Franken für angemessen halte.
- Anfang 2016: Er lancierte die ersten Planspiele zur CS Übernahme Anfang 2016 bei einer Retraite im Hotel Kempinski in St. Moritz , nahe der Signal Bahn. Daher der Name des Projekts: Signal.
- Ab Oktober 2022: Die UBS-Lenker Kelleher und Gähwiler signalisierten Ermotti ab Oktober spasseshalber, dass sie ihn bei einer CS-Übernahme zurückholen würden. Gähwiler traf Ermotti auch in St.Moritz, wo beide eine Wohnung haben. Das Wording war: «Wenn die Übernahme kommt, schicken wir Sergio mit DHL eine Offerte nach St.Moritz.»
- Dezember 2022: Das UBS-Führungsduo signalisiert im Verwaltungsrat, dass Ermotti bei einer CS-Übernahme zurückgeholt werden soll.
- 18. März 2023: Ermotti erhält einen Anruf von Finma-Präsidentin Amstad, ob er im Falle einer Verstaatlichung das CS-Präsidium übernehmen würde. Er erklärt sich unter Auflagen bereit – er wolle das Swiss-Re-Präsidium nicht sofort abgeben. Auch Zurich-Chef Mario Greco erhält eine Anfrage. Karin Keller-Sutter, formal Chefin des Behördentrios von Finanzdepartment, SNB und Finma, ist nicht involviert. Sie steht der Verstaatlichung kritischer gegenüber als SNB und Finma. Lehmann und Kelleher wissen nichts von der Anfrage an Ermotti.
- 19. März: An der VR-Sitzung zur CS-Übernahme informiert Kelleher den Verwaltungsrat, dass er Ermotti für den CEO-Posten kontaktieren würde.
- 20. März: Kelleher ruft Ermotti an und schlägt ihm ein Abendessen für den nächsten Tag vor.
- 21. März: Das Abendessen findet an einem speziellen Ort statt: Im Haus von Lukas Gähwiler in Langnau am Albis. Kelleher nimmt nicht die Firmenlimousine, sondern einen Uber, um nicht aufzufallen. Die Gäste sind erstaunt über die Qualität von Gähwilers Weinkeller. Ermotti bekommt das Comeback-Angebot. Er erbittet sich zwei Tage Bedenkzeit.
- 23. März: Ermotti sagt zu.
- Oktober 2022: Sie werden bei den ersten Beratungen vom Auschuss für Finanzkrisen und Lenkungsgremium bereits von der Finma als mögliches Instrument zur Abschreibung ins Spiel gebracht. Da sonst von der Too-big-to-fail-Regulierung nichts zur Anwendung kommt, ist der Finma dieses Instrument besonders wichtig.
- 12. Januar 2023: Die CS informiert die Finma, dass die hauseigenen AT1-Anleihen für die eigenen Mitarbeiter, CCA im Übernahmefall nicht abgeschrieben werden sollen. sondern Contingent Capital Awards (CCAs). Ende 2022 waren 360 Millionen als Bonusinstrumente für die zweite Führungsebene ausstehend.
- 15. März: Bei den elf Forderungen der UBS werden die AT1-Anleihen nicht erwähnt. So schützt sich die UBS vor Rechtsfällen. Offenbar hatte das Rechtsteam um General Counsel Barbara Levi und Bär&Karrer-Anwalt Rolf Watter Signale bekommen, dass die AT1 auf jeden Fall abgeschrieben würden. Sie waren in den Verhandlungen kein Thema, auch am 19. März nicht. Die Abschreibung war von Anfang an unbestritten.
- 17. März: Die Finma informiert ihre Counterparts über die Abschreibungen der AT1: Sam Woods bei der britischen Prudential Regulation Authority in London, und Michael Barr bei der Fed in Washington. Nicht eingeweiht: Andrea Enria, Chef der europäischen Bankenaufsicht innerhalb der EZB. Der Italiener war nicht erfreut: die europäischen Banken betrieben den grössten AT-1-Markt der Welt, Jetzt wurde dieser durch die Schweizer Abschreibungen brutal beschädigt.