Manchmal ist die naheliegendste Spekulation eben doch nicht die richtige, und manchmal stimmt sie womöglich, kommt aber einfach zu früh. 

Als der Präsident und CEO im Doppelmandat des Luzerner Lift- und Fahrtreppenmultis Schindler, Silvio Napoli, seinen Arbeitgeber Mitte Dezember melden liess, dass COO Paolo Compagna ihn im Frühjahr als CEO ersetzen werde, wunderte sich noch keiner. Denn genau das hatte Napoli im Januar 2022 angekündigt, als er, amtierender Präsident, den CEO Thomas Oetterli zum Abgang bewegte und das Doppelmandat übernahm. In derselben Meldung liess Napoli aber auch wissen, dass er zur GV 2025 Schindler komplett verlassen werde. Die naheliegende Vermutung: ein Familienmitglied werde wieder auf den Stuhl des Chairman rücken, genauer Tobias Staehelin, Neffe von Luc Bonnard, Teil des zweiten Familienzweigs neben jenem anderen, der noch Schindler heisst. Doch stattdessen soll der Unternehmensberater Josef Ming Präsident werden. 

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Alles Quatsch also? Mitnichten. Es war nur noch nicht so weit. Offenbar hatte keiner bei Schindler erwartet, dass Napoli die Trennung vom operativen Amt so schwerfallen würde. Eine Verlängerung des Doppelmandats war wohl keine Option; Compagna ist nur drei Jahre jünger als Napoli und soll mit den Hufen gescharrt haben. Doch Napoli, topfit und noch bis zum Spätsommer 59, will gemäss Insidern nicht wieder nur präsidieren wie vor dem Doppelmandat, sondern noch einmal CEO sein; er sei längst auf der Suche nach einem Job. Daher braucht Schindler als Chairman einen interimistischen Ersatz. Und tatsächlich solle Josef Ming «maximal zwei Jahre» im Amt bleiben, verkündete Schindler ganz offen. Dann solle ihm wieder ein interner VRP folgen «in einer langfristig ausgerichteten Vollzeitposition». 

  • 69,5 Prozent

der Stimmrechte halten die Familienstämme an Schindler. Sie beherrschen den Konzern klar.

Das klingt ganz nach dem für lange Zeit üblichen Arrangement mit Alfred Niklaus Schindler, der je nach Verwandtschaftsgrad mit «Nik» oder «Niki» angesprochen wird: Ein Vertreter der Familie, den beide Stämme akzeptieren (beide sind so oder so mit einem Abgeordneten im VR präsent), wacht als Chairman über das Unternehmen. Dann erträgt es auch einen familienfremden CEO, falls sich, wie zuletzt, keiner in den Vordergrund drängt. 

Dass es Staehelin wird, daran haben zwei Insider, unabhängig angefragt, keinen Zweifel. Er war bei Schindler in verschiedenen Positionen tätig, sass im Verwaltungsrat, führte grosse operative Einheiten, war auch Personalchef des Konzerns. Doch der 46-Jährige fühle sich noch nicht bereit; erst seit einem Jahr sitzt er im Strategie- und  Kontrollausschuss des Verwaltungsrats, dem Machtzentrum des Konzerns. Und als Clanchef, der er dann sein müsste, dem höchst erfolgreichen Übervater Alfred Schindler (76) nachzufolgen, komme Staehelin etwas früh, wohl auch zu abrupt. Aber ist er erst im Amt, hat Staehelin Jahrzehnte Zeit, Schindler seinen eigenen Stempel aufzudrücken.  

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