Apple und Goldman Sachs kündeten es bereits letzten Oktober an, seit April ist es so weit: Der kalifornische Tech-Gigant und die Wall-Street-Bank locken US-Sparer/-innen mit einem neuen Sparkonto an, das aktuell eine jährliche Verzinsung von 4,15 Prozent bietet – mehr als das Zehnfache des nationalen Durchschnitts von Spareinlagen. In den ersten vier Tagen nach Markteinführung floss rund eine Milliarde Dollar an Kundengeldern auf die neuen Depositenkonti.
Die Lancierung erfolgte zu einem Zeitpunkt erschütterten Vertrauens in etablierte Finanzinstitute. Sparer/-innen sind zudem frustriert, dass Banken die Einlagenzinsen trotz der zehn Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed im vergangenen Jahr niedrig hielten, gleichzeitig aber immer mehr für Kredite verlangten. So wurden in den USA seit März 2022 rund 800 Milliarden Dollar an Einlagen von den US-Geschäftsbanken abgezogen, im März 2023 waren es wegen der Bankenkrise weitere 100 Milliarden Dollar.
Über die Autorin
Luba Schönig ist Gründerin der Finanzplattform UMushroom. Vor ihrer Zeit als Start-up-Unternehmerin war sie lange bei Julius Bär und der CS.
Die Teuerung in den USA ist zwar von ihrem Höchst von neun Prozent im letzten Juni auf zurzeit rund fünf Prozent gesunken, dennoch ist der Kaufkraftverlust für Anleger/-innen nach wie vor beträchtlich. Das 4,15-Prozent-Sparprodukt von Apple und Goldman Sachs ist in diesem Umfeld ein Lichtblick. Es wird den Nutzern der Kreditkarte Apple Card angeboten, die ebenfalls eine Kooperation mit Goldman Sachs ist. Die Einlagen werden bei Goldman Sachs platziert, das maximale Guthaben für ein Konto beträgt 250 000 Dollar – ein Betrag, der vollumfänglich vom staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC abgedeckt ist. Mindesteinzahlungen und -guthaben sind nicht erforderlich. Es fallen auch keine Gebühren an.
Das neue Sparkonto kann in der Wallet-App innerhalb von Minuten eingerichtet werden. Es wird durch die Rückzahlungen des «Daily Cash»-Vorteilsprogramms von Apple gespeist, also durch die Rückzahlungen, die Nutzer bei Einkäufen mit der Apple Card erhalten. Zusätzlich kann auch über ein verknüpftes Bankkonto Geld auf das Sparkonto einbezahlt werden. Das Konto kann als Spargefäss mit hoher Verzinsung oder für weitere Käufe und die Rückzahlung von Apple-Card-Schulden verwendet werden. Das Erfolgspotenzial des Produkts basiert aber nicht nur auf dem attraktiven Zinssatz, sondern auch auf der Strahlkraft der zwei Partner. Apple ist die Ikone für moderne, für alle zugängliche und intuitive Technologie; Goldman Sachs hat einen ausgezeichneten Ruf in der Finanzbranche. Beide profitieren von der Zugkraft der jeweils anderen Marke, wobei Apple mit seinen zwei Milliarden iPhone-Usern Goldman Sachs ein Riesenpotenzial eröffnet, ihre Einlegerbasis zu erweitern.
Ist diese Partnerschaft ein Zukunftsmodell? Einiges spricht dafür, und sie weist ein zentrales Merkmal des digitalen Zeitalters auf: Die Kundinnen und Kunden entfernen sich vom traditionellen Modell der Bankdienstleistungen aus einer Hand und wählen selektiv (digitale) Teildienstleistungen von Anbietern, die ihren Präferenzen am besten entsprechen. Die Digitaltechnologie erleichtert den Zugang zu Finanzdienstleistungen erheblich. Inmitten der leichten Verfügbarkeit von Geld sind jedoch ein diszipliniertes Verhalten und Grundkenntnisse über Finanzen angesagt. Apple hat mit dem neuen Sparkonto Sparen und Geldausgeben miteinander verbunden. Das Sparen geschieht automatisch während des täglichen Einkaufens mit der Apple Wallet und wird dadurch einfacher und weniger schmerzhaft. Apple argumentiert, das neue Produkt helfe, bewusster mit Geld umzugehen. Doch es könnte auch zu leichtsinnigen Käufen führen, da das fröhliche Geldausgeben nun mit einem «Sparargument» legitimiert wird. Denn alles hat seinen Preis, auch der technologische Fortschritt.