Frau Honegger-Romahn, nach Jahren raten Strategen wieder zu Anleihen. US-Treasuries bringen fast fünf Prozent, der Deutsche Bund drei Prozent. «Eidgenossen» kommen nicht einmal auf ein Prozent. Sind die Bondmärkte für Schweizer Anleger, die keine Währungsrisiken tragen wollen, attraktiv?
Ich denke schon. Die Realrenditen der Schweiz sind mit den USA oder Europa durchaus vergleichbar, liegen mitunter sogar auf einem höheren Niveau. Im Unterschied zu US-Treasuries und dem Bund sind «Eidgenossen» ein rares Gut. Die Schweiz ist kaum verschuldet und muss daher viel weniger Geld aufnehmen. Bisher wurden 2023 statt ursprünglich geplanter acht nur sechs Milliarden an neuen Staatsanleihen emittiert. Wer höhere Renditen will, kann auf Pfandbriefe ausweichen. Die haben auch ein AAA-Rating, und dort liegt die Rendite je nach Laufzeit knapp unter zwei Prozent.
In der Schweiz scheint der Immobilienhype vorbei zu sein. Würde ein Verfall der Immopreise Pfandbriefe gefährden?
Diese Produkte sind besonders besichert. Da müssten die Preise schon enorm einbrechen, damit etwas passiert. Bei Pfandbriefen gab es in 250 Jahren nie einen Ausfall, selbst in der Eurokrise wurden die griechischen bezahlt.
Als Einstiegszeitpunkt für Anleihen gilt der Höhepunkt im Zinserhöhungszyklus. Sind wir dort?
In den USA sind die Zinserhöhungen wohl durch. In der Eurozone ist die Inflation durch Zweitrundeneffekte ein viel grösseres Problem. Auch wenn die EZB eigentlich nicht will, könnte sie noch zu Zinserhöhungen gezwungen sein.
Und die Schweiz?
Sollte nicht ein unerwarteter Preisschock auftreten, sind die Zinsen in der Schweiz wohl auf dem Top. Die Inflation ist, anders als in der Eurozone, im Zielband, und zudem schwächt sich die Konjunktur bereits ab. Aber selbst bei einem Ölpreisschock hätte die SNB Mittel in der Hand, um die Auswirkungen abzudämpfen. In der Schweiz sehe ich sehr geringe Risiken für weiter steigende Zinsen.
Also ein guter Zeitpunkt für den Kauf. Wie sollte man sich positionieren?
Die richtigen Laufzeiten zu wählen, ist schwierig. Gerade am illiquiden langen Ende können die Bewegungen bei einer Veränderung des Angebots schnell und heftig sein. Das muss gar nichts mit den konjunkturellen Aussichten zu tun haben. Bei Unternehmensanleihen rate ich jedem, sich nicht auf die Ratings zu verlassen, sondern jeden Schuldner genau zu analysieren. Wichtig sind nicht nur der Verschuldungsgrad und das Eigenkapital, sondern auch die Geschäftsaussichten für den Sektor und das Unternehmen.