Mitte Juni kamen die Roche-Aktien nach monatelangem Stillstand auf tiefem Niveau in Schwung. Auch langfristige Investoren können aufatmen. Der Kursverlust des Genussscheins beträgt über zehn Jahre nur noch drei Prozent. Wer wie Roche-Vizepräsident André Hoffmann die Inhaberpapiere hält, liegt in diesem Zeitraum bereits acht Prozent im Plus. Eine Differenz von rund elf Prozentpunkten. Dividenden sind in beiden Fällen nicht eingerechnet.

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Bei solchen Entwicklungen kommt schnell wieder die Diskussion über verschiedene Aktiengattungen auf. Neben Roche sind Schindler, Lindt & Sprüngli und Swatch an der Schweizer Börse mit zwei unterschiedlichen Aktien vertreten. Bei Roche sind es Genussscheine, bei Lindt & Sprüngli und Schindler Partizipationsscheine. In beiden Fällen partizipieren die Aktionäre zwar am Unternehmenserfolg und kassieren eine Dividende – ein Stimmrecht ist jedoch nicht vorgesehen. Bei Swatch gibt es die Mitbestimmung nur in abgespeckter Form. Die Inhaberaktien von Swatch haben zwar dasselbe Stimmrecht wie die Namenaktie – Nennwert und Kurs sind aber fünfmal so hoch.

Die Beweggründe sind klar: Über die zweite Aktiengattung behalten die Eigentümerfamilien die Kontrolle – auch wenn sie an der Börse sind. Nicht gerade als Börsenfan ist Swatch-Chef Nick Hayek bekannt. Bei Schindler gibt Alfred N. Schindler die Zügel nur ungern aus der Hand.

Grosse Investoren wirken über die Stimmrechte auf die Unternehmen ein. Entsprechend kritisch werden stimmrechtslose Aktien aus dieser Ecke gesehen. «Wir als institutioneller Anleger haben ganz klar die Devise: One share, one vote. Von daher sind wir von solchen Strukturen nicht begeistert, sie sind nicht mehr zeitgemäss», sagt Stefan Frischknecht, Head Fund Management Swiss Equities bei Schroders. Wer A sage, müsse auch B sagen können. Sonst sei die Börse für eine Finanzierung der falsche Ort.

Interessant ist, wie der Kapitalmarkt das Stimmrecht bewertet. Einen Wert hat das Stimmrecht nur bei Roche und zuweilen auch bei Lindt. Dort werden die Aktiengattungen mit Stimmrecht mit einer Prämie gehandelt. So einen Aufschlag gibt es bei Swatch und Schindler nicht. «Wieso das so ist, ist ein Rätsel», sagt Frischknecht.

Kommt es zu höheren Prämien für die Stimmrechte wie 2021 bei Roche, beginnt die Gerüchteküche an der Börse so richtig zu brodeln. Übernahmefantasien werden wach. «Die grössere Wahrscheinlichkeit einer Übernahme ist nur ein Grund für einen grösseren Spread. Es kommen noch viele andere Faktoren dazu, nicht zuletzt die Liquidität. Aus meiner Sicht wird da zu viel hineininterpretiert», so Frischknecht. Angesichts des relativ dünnen Handelsvolumens bei den Inhaberaktien hält Pharma-Analyst Michael Kunz von der LUKB bei einer Spread-Ausweitung den Zufall für die plausibelste Erklärung. Eine Diskussion über die Kapitalstruktur gebe es aber schon: «Nach der jüngsten Forschungsflaute haben Investoren festgestellt, dass sie auf Management und Strategie nicht so wirklich Zugriff haben.»

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Erich Gerbl
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