Der Bericht war noch nicht erschienen, da kam schon die erste Rücktrittsforderung. Die Finma-Präsidentin Marlene Amstad müsse abtreten, forderte der Bankenpersonalverband am 19. Dezember, einen Tag vor der offiziellen Vorstellung des lange angekündigten Untersuchungsberichts der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum CS-Aus. Drei Tage zuvor hatte der «Blick» bereits grossflächig auf der Frontseite getitelt: «Nur Finma-Chefin muss um Job zittern.» Zumindest zierte den Artikel ein fast schon jugendliches Bild der Präsidentin – ohne die markante schwarze Hornbrille.

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Zwei Tage nach dem Erscheinen des Berichts sah auf einmal alles anders aus. Rücktrittsforderungen gab es keine mehr, stattdessen führte die «NZZ am Sonntag» Amstad in ihrer Wohlfühlrubrik «Die beste Woche hatte …» Es war eine kommunikative Meisterleistung der Sonderklasse –zwei Tage vor dem Fest Amstads schönstes Weihnachtsgeschenk.

Dass die Finma als zentrale Aufsichtsbehörde nach dem dramatischen Ende der zweitgrössten Bank des Landes das Hauptziel der Kritik bilden würde, war seit Langem absehbar. Doch wie sich die 56-jährige ehemalige Ökonomieprofessorin, vom Rauschen in den Innereien der von ihr beaufsichtigten globalen Bankkonzerne fast vollständig unbefleckt, von dem medialen Druck befreite, obwohl sie seit 2016 Mitglied des Verwaltungsrates, seit 2018 Vizepräsidentin und seit 2021 vollamtliche Präsidentin der Finma war: Das darf als grösster Entfesselungsakt des gesamten Dramas gelten. Amstad als Houdini der Finanzszene, so das wohlwollende Bild.

Erstaunliche Praxisferne

Aber es gibt auch ein anderes Bild: Amstad als Machiavelli des Untersuchungsprozesses. Von den Spitzen der grossen drei – Finanzdepartement, Nationalbank, Finma – beim Ausbruch der akuten CS-Krise im Oktober 2022 ist nur noch die Finma-Präsidentin im Amt. Sie kämpfte mit harten Bandagen – und einem überraschenden Verbündeten: dem SVP-Lager in der PUK, das unbedingt seinen einstigen Finanzminister Ueli Maurer schützen wollte. Der hatte Amstad einst auf den Präsidentensessel gehievt.

PUK-Fleissarbeit abgeschlossenPräsidentin Isabelle Chassot, Vizepräsidentin Franziska Ryser, Nationalrat Thomas Matter, Ständerat Matthias Michel (v.l.).

PUK-Fleissarbeit abgeschlossen: Präsidentin Isabelle Chassot, Vizepräsidentin Franziska Ryser, Nationalrat Thomas Matter, Ständerat Matthias Michel (v.l.).

Quelle: Keystone

Dass selbst die bedrängteste Person des epochalen Bankuntergangs fast schon gestärkt aus der Untersuchung hervorgeht, belegt vor allem: Das 569-Seiten-Konvolut, flankiert von neun teils aufwendigen Gutachten, ist ein Instrument des Selbstschutzes des Systems. Ja, alle bekommen ein paar Kratzer ab, schliesslich mussten die 14 Parlamentarier unter der Leitung der Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot auch ihren Wirkungsnachweis liefern. Aber wirklich hart trifft es niemanden. Der Bericht gibt das Narrativ wieder, das im BILANZ-Buch «Zu hart am Wind» vom August 2023 über das CS-Aus gezeichnet wurde: Die Übernahme durch die UBS wurde von Maurer und Jordan bereits im November 2022 vorgespurt, beide Bank-Präsidenten waren eingeweiht, die UBS sträubte sich formal, aber durchaus gierig. Auch die Charakterköpfe entsprechen der bisherigen Darstellung: Der CS-Schönredner und Realitätsverleugner Axel Lehmann, der UBS-Dealkönig Colm Kelleher, der mininalinvasive Nationalbank-Lenker Thomas Jordan, die akribische neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter.

Allen Befragten wurden die sie betreffenden Passagen des Berichts vor der Veröffentlichung zugeschickt und zur Redigatur freigegeben. Mehrere Quellen bestätigen, dass das Amstad-Lager besonders aktiv auftrat. Dass sie sich etwa bei der Anbahnung der CS-Übernahme bei den sprachlich apart als «Non-Meetings» bezeichneten nicht protokollierten Treffen zwischen Maurer, Jordan und Lehmann meist ausklinkte, begründete sie mit dem Verstoss gegen Protokollpflichten. Formalistisch valabel, aber eben doch sehr praxisfern: Dass die Verantwortlichen in dieser extrem heiklen Phase im Herbst 2022 wenig Protokoll-Spuren hinterlassen wollten, darf man aus Börsensicht als verständlich taxieren. Hier – und nur hier – griff selbst der stets hyperkorrekte Jordan zu einer kleinen Abweichung vom Protokoll. So machte sich Amstad in der ganzen Rettung de facto zur Juniorpartnerin.

569-SEiten-Konvolut Der PUK-Bericht: 79 befragte Personen, 45 Sitzungen, 560 Tage ­Untersuchungszeitraum.

569 Seiten PUK-Bericht: 79 befragte Personen, 45 Sitzungen, 560 Tage Untersuchungszeitraum.

Quelle: 20 Min / Marco Zangger

Auch sonst zeichnet der Bericht ein Bild der Präsidentin von erstaunlicher Praxisferne. So hielt sie bis zum Schluss offenbar noch an dem Szenario der Abwicklung fest, für das laut Mandat die Finma verantwortlich gewesen wäre. Sogar den zukünftigen UBS-Comeback-Chef Sergio Ermotti fragte sie an dem heissen Samstag vor dem formalen CS-Aus nicht etwa als Chef für den Fall einer Verstaatlichung an, sondern als Liquidator der Abwicklung. Dabei hatten sowohl Jordan als auch Maurer und später Keller-Sutter diese Anwendung des Too-big-to-fail-Regimes von Anfang an ausgeschlossen: Die Auswirkungen auf das globale Finanzsystem wären unvorhersehbar gewesen. «Resolution: Are you crazy?», soll die damalige Finanzministerin Janet Yellen iher Kollegin Keller-Sutter ins Telefon gerufen haben, als sie die Abwicklung als theoretische Möglichkeit ins Gespräch gebracht hatte.

Mehrmals forderte Amstad auch Jordan, den sie seit Studientagen in Bern kennt, zum Einschiessen von Liquidität auf, doch das hielt Jordan ebenfalls für praxisfremd: Eine Spritze von etwa 50 Milliarden Franken würde den Finanzmärkten überhaupt erst die Schieflage der Bank signalisieren – so kam es dann ja auch mit der verpufften Liquiditätszufuhr kurz vor dem Aus. Und dass Amstad bis zum Ende von CS-Präsident Lehmann mögliche Kaufkandidaten aus dem Ausland einforderte, obwohl ein regulärer Verkauf aufgrund der aktienrechtlichen Vorgaben in dieser akuten Krisensituation ohne Notrecht gar nicht möglich war, sorgte bei den belagerten CS-Kapitänen nur für Kopfschütteln. Als begnadeter Bankpraktiker war zwar auch der langjährige Versicherungsmann Lehmann nicht aufgefallen, aber diese Praxisferne war für ihn dann doch zu viel – intern taxierte er diese Forderung der Finma als «Plan Z».

Dafür glänzte Amstad im folgenden Deutungsstreit umso mehr, wie sich exemplarisch an zwei zentralen Punkten zeigt: dem Umgang mit den umstrittenen AT-1-Anleihen – und mit dem früheren Behörden-Chef Mark Branson.

Die Schweiz steht vor der grössten Rechtslawine ihrer jüngeren Wirtschaftsgeschichte, weil sie die 13 AT-1-Anleihen der CS mit einem Nominalwert von 17 Milliarden Franken abgeschrieben hat, angeordnet von der Finma. Zwar bewegt sich der PUK-Bericht auch hier auf der Linie des Systemschutzes: Er bestätigt die Behördenlinie, wonach die Abschreibungen bereits seit den ersten Sondersitzungen im Oktober 2022 im Gespräch und mit der Einführung von Notrecht gerechtfertigt gewesen seien. Doch interessant ist, wie geschickt sich Amstad aus der Verantwortung zieht. Bei den ersten Besprechungen informierte der «Leiter Abteilung Recovery» darüber, dass eine «Abschreibung der AT-1-Anleihen» bei Staatshilfe «im Sinne der TBTF-Regulierung so vorgesehen» sei. Und der Antrag der Abschreibung am fatalen Sonntag sei von der Geschäftsleitung gekommen und wurde dem Verwaltungsrat «als notwendiger, unverhandelbarer Teil und damit Eckwert des Deals für die UBS beschrieben». Fazit: Beide Male war die Präsidentin zunächst nicht involviert, sie wurde lediglich informiert. Für die anstehenden Rechtsscharmützel heisst das aus ihrer Sicht: Ich war es nicht. Praktisch: Urban Angehrn, als damaliger Finma-Chef Antragsteller der Abschreibung, ist nicht mehr an Bord.

Filter waren bekannt

Doch für den entscheidenden Teil der Exkulpierung greift das Amstad-Lager zur Schuldzuweisung an den Ex-Chef Branson. Schon vor dem Bericht liess die sichtlich nervöse Amtschefin vage Andeutungen fallen, dass Branson eine zweifelhafte Erbschaft hinterlassen habe. Nach Erscheinen des Reports streuten ihre PR-Berater die These, dass Branson die Finma verlassen habe, weil er sich seiner zu laxen Aufsicht bewusst gewesen sei und beim Bekanntwerden nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden wollte. Kernpunkt: die ominösen regulatorischen Filter, die die Finma der CS ab 2017 gewährt hatte und die im Vergleich zur UBS der CS-Gruppe tiefere Eigenkapitalquoten auf der Ebene der im Stammhaus Credit Suisse AG gebündelten Tochtergesellschaften erlaubten. Auch die Abgänge von Enforcement-Chef David Wyss oder des Bankenverantwortliche Jan Blöchlinger bei der Finma, so die Anschuldigung, sollten mit der Einführung dieser Filter zusammenhängen. Besonders interessant: Branson habe diese Filter ohne Wissen Amstads eingeführt, sie habe davon erstmals 2022 erfahren, und deshalb trage sie – natürlich – keine Verantwortung. 

Der Trick wirkte. Die Sonntagspresse, von der Datenflut vier Tage vor Weihnachten erschlagen, übernahm das Narrativ willfährig. Von Bransons «fatalen Zugeständnissen» schrieb die «NZZ am Sonntag», sie hätten es der CS erlaubt, «die bittere Lage bis zum bitteren Ende zu beschönigen». Die «SonntagsZeitung» stellte den Ex-Behördenchef mit grossem Foto als Hauptschuldigen des Aufsichtsversagens dar: Er habe den regulatorischen Filter zur «Kaschierung» der Kapitalprobleme eingeführt und, «brisant», darüber den Finma-Verwaltungsrat nicht informiert, weil er als «One-Man-Show» agiert habe. Bad Guy Branson: Mission accomplished.

Überzeugend ist das nicht. Zum einen: Wenn Amstad von diesen Filtern wirklich nichts gewusst hat, so wäre das nur ein weiterer Beweis für die Ahnungslosigkeit von Amtsträgern an Behördenspitzen. Denn die Finma verschickte bei der Einführung der neuen Regelung im Oktober 2017 ein Pressecommuniqué zum «neuen Kapitalregime für die Behandlung von Grossbanken». Dort wurde zwar die unterschiedliche Behandlung von CS und UBS aufgrund ihrer verschiedenen Rechtsstrukturen nicht explizit erwähnt. Aber sie war ab 2019 bei der erstmaligen Anwendung im Zahlenwerk der CS dargestellt: Die CS wies die Filter in ihrer Berichterstattung aus, und Revisoren und ausländische Aufseher wie die SEC akzeptierten sie. Amstad war da bereits Vizepräsidentin.

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Wie transparent diese Abzüge waren, beweist auch die PUK selbst mit dem von ihr bei dem Zürcher Finanzprofessor Urs Birchler in Auftrag gegebenen Gutachten: Er übernahm für seine Analyse das von der CS veröffentlichte Material. Auch in der Analystenszene waren die Regelungen bekannt. Im Juli 2021 thematisierte etwa das Research-Haus Autonomous Reports in einer 30-seitigen Studie mit dem Titel «Less than meets the eye» ausführlich die «grossen und eher eigenartigen Wertberichtigungs-Filter» und stellte fest, dass diese Struktur mit den Filtern «für die Investoren nicht überraschend» sei. Da war Amstad schon Präsidentin.

Und weil all das öffentlich zugängliche Informationen waren, preiste sie der Markt ein. Deshalb ist es wenig überzeugend, das CS-Aus an der Gewährung dieser Filter festmachen zu wollen. Die dünne Kapitaldecke war bei der CS seit Jahrzehnten ein Problem, aber für den Untergang nicht ausschlaggebend, zumal die Bank auf Gruppenebene stets eine ausreichende Kapitalisierung auswies. Die akute Krise wurde durch Liquiditätsabzug und Vertrauensverlust nach jahrelangem Missmanagement ausgelöst. Die Kausalität zur Kapitallage zieht der Bericht zwar nicht explizit, aber manche PUK-Mitglieder vor allem aus dem SVP-Lager vertreten sie in Hintergrundgesprächen. Praktisch: Die Finma ist schuld – und da vor allem der Behördenchef, der längst weg ist. Hier verbündet sich das Lager mit Amstad.

Maurer schwächt die Finma

Denn der Bericht zeigt auch auf, dass es Maurer war, als Finanzminister formaler Dienstherr der Finma, der Amstad ins Amt hievte, weil er deren Vorgänger Thomas Bauer, immerhin SVP-Mitglied, gemäss PUK als «zu wenig durchsetzungsstark gegenüber dem damaligen Finma-Direktor» Branson empfand. Es war ein Zeichen des Stimmungsumschwungs im Finanzdepartement, nachdem Maurer 2016 die Geschäfte von Eveline Widmer-Schlumpf übernommen hatte. Maurer traf sich gern mit den grossen Bankchefs und gab offen zu Protokoll, die Finma lege die Regulierung «schon etwas intensiv aus». Die SVP brachte zwischen 2016 und 2018 acht Vorstösse im Parlament zur Schwächung der Finma ein, ihr Zürcher Nationalrat Alfred Heer wollte die Behörde mit einer Initiative sogar direkt der Politik unterstellen.

Die Finma war schon immer mit dünnen Ressourcen ausgestattet, eine starke Aufsichtsbehörde wollte die Politik nie, etwa durch die Bündelung aller Aufsichtsfunktionen bei der Notenbank wie bei der Fed oder der Bank of England üblich. Jetzt wurde sie durch Maurer noch weiter geschwächt. Es war damals Branson, der bei dem Finanzminister auf schärfere Regulierung drängte und etwa den Public Liquidity Backstop einführen wollte. Doch Maurer blockte laut PUK-Report ab – als die CS kollabierte, musste die staatliche Finanzhilfe notfallmässig eingeführt werden. Die Schuldzuweisung an Branson kommt da für das SVP-Lager in der PUK um Heer und den einzigen Banker Thomas Matter gelegen: Maurer wird aus der Schusslinie genommen. Dass Branson bei seiner Aussage vor der PUK ausgerechnet von jenen Vertretern kritisch befragt wurde, die vor seinem Abgang auf Regulierungsabbau drängten, war da schon sehr speziell.

Auch die Einführung der regulatorischen Filter muss vor diesem Hintergrund gesehen werden. 2017 fand die Revision des Eigenkapitalregimes statt, gesetzlich festgehalten in der Revision des Artikels 125 ERV. Nach der Finanzkrise hatte das Parlament beiden Grossbanken wegen der angespannten Situation grosszügige Erleichterungen gewährt, jetzt sollten die Vorgaben auch im Rahmen der Too-big-to-fail-Gesetzgebung normalisiert werden – also verschärft. Schon das erste Mal wurde die neue Regelung mit den Grossbanken abgestimmt, auch dieses Mal wurden sie konsultiert. Die Ausgangslage war jedoch unterschiedlich: Die UBS hatte einen grossen Teil ihres Auslandsgeschäfts, vor allem die sehr starke Londoner Tochter, auf ihre Schweiz-Bilanz gebucht, und das hatten die britischen Aufseher akzeptiert. Das heisst: Sie brauchte keine eigenen Kapitalunterlegungen für diesen grossen Block. Anders die CS: Sie führte viele Auslandstöchter, allen voran das sehr starke Londoner Geschäft, als eigenständige Einheiten, und die Regulatoren verlangten dafür eine eigene Kapitalunterlegung.

Und das bedeutete, vereinfacht ausgedrückt: Würden für beide Banken die gleichen Vorgaben gelten, hätte die CS aufgrund der britischen Forderungen deutlich mehr Kapital nach London verschieben müssen als bisher. Wohlgemerkt: Auf Gruppenebene waren diese Berechnungen irrelevant – da waren die Anforderungen für beide Banken gleich. Es ging nur darum, wie die Banken ihr Kapital auf die einzelnen Schubladen verteilten. Insgesamt führte die neue Regelung ab 2017 zu höheren Eigenmittelanforderungen für die Stammhäuser beider Banken, aber im speziellen Fall der CS wäre es laut PUK ohne die regulatorischen Filter zu einem Rückgang des Eigenkapitals gekommen, «ohne dass sich aus ökonomischer Sicht die Vermögenssituation der Bank geändert hätte». Vor diesem Hintergrund lobbyierte die CS für die Einführung der Filter, bei der Finma, aber auch bei Maurer und im Parlament. Die CS befand sich damals unter dem CEO Tidjane Thiam in einer heiklen Sanierungsphase, ohne die Filter hätte sie massiv Kapital aufnehmen müssen. Die Finma habe der damaligen Lage Rechnung getragen und «musste die Filter aufgrund fehlender Alternativen gewähren», hält das PUK-Gutachten fest. «Das neue Regime war eine deutliche Verschärfung , mehr lag unter dem bankenfreundlichen Maurer nicht drin», erinnert sich ein damaliges Finma-Geschäftsleitungsmitglied.

Fünf Millionen Steuergeld

Erstmals angewandt wurden die Filter 2019, die Finma hatte angeordnet, die CS-Vorschläge von einem Revisor prüfen zu lassen, und revidierte die Zahlen nach unten. Bis zum Abgang Bransons im März 2021 funktionierte das System, erst mit dem Archegos-Verlust verschoben sich die Parameter und stellten die Kapitalsituation des Stammhauses deutlich zu positiv dar. Für Bransons Abgang spielten die Filter keine Rolle, anders, als das Amstad-Lager insinuiert, er war vor dem Archegos-Debakel kommuniziert worden. Er ging, weil er die von Maurer initiierte Machtverschiebung zu der in der Bankpraxis unerfahrenen Amstad für falsch hielt.

Erst mit dem massiven Einbruch im Jahr 2022 verschlechterte sich die Kapitallage massiv, und die regulatorischen Filter schönten die Lage des Stammhauses stark. Dann bemerkte sie laut Bericht auch Amstad – und hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt Gegensteuer geben können. Doch es passierte laut PUK nichts. Im Frühjahr 2022 «thematisierten die SNB und die Finma die heikle Situation der CS, namentlich die Frage, ob bei der Kapitalisierung des Stammhauses Handlungsbedarf bestand. Es wurden jedoch keine gemeinsamen Massnahmen ergriffen». Die SNB hatte sich bei der Einführung der Filter zwar skeptisch gezeigt, aber in ihren Stabilitätsberichten von 2017 bis 2021 waren sie nie ein Thema. Ein Problem sah sie hier offensichtlich nicht, sonst hätte sie die CS ja – wie 2011 – zu einer Kapitalerhöhung verdonnern können.

Da spannten die beiden Aufsichtsbehörden zusammen, wie auch exemplarisch bei einer anderen Episode: der wissentlichen Desinformation vom 15. März 2023. Am ersten Abend der angelaufenen Rettungsaktion verschickten Finma und SNB um 20.10 Uhr ein gemeinsames Communiqué: Die CS erfülle die «Anforderungen an Kapital und Liquidität». Doch das stimmte schlicht nicht – das Geld lief aus der Bank, gerade 50 Minuten später beantragte die CS bei der SNB Liquiditätshilfe. Besitzer von AT-1-Anleihen und auch Aktionäre kauften aufgrund des Statements zu – die Regulatoren hatten etwas kreiert, das sie sonst selbst mit einem Verfahren ahndeten: einen «False Market» im Börsenjargon. All das blendet der PUK-Bericht aus – da stehen Behörden und Parlamentarier stramm zusammen.

Am Ende schützen sich alle selbst, die Präsidentin der überforderten Aufsichtsbehörde bleibt im Amt, und die UBS wird für ihr solides Arbeiten des letzten Jahrzehnts und die Übernahme eines Sanierungsfalls mit verschärften Regeln bestraft, was den Finanzplatz weiter schwächt.

Den Steuerzahler kostet der Bericht fünf Millionen Franken.