Formal, so meldete es die Swiss, berief der Verwaltungsrat der Airline, geführt vom Präsidenten Reto Francioni, den Deutschen Jens Fehlinger zum neuen CEO, im Oktober tritt der 43-Jährige in Zürich an. In Wahrheit konnten die Swiss-Verwaltungsräte maximal pflichtschuldig nicken, denn den Posten hat natürlich der nahezu allmächtige Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr besetzt.
Warum er sich für Fehlinger entschieden hast, ist zumindest offiziell nicht klar. Selbst Top-Leute der Lufthansa kennen die Gründe für diese Wahl nicht; BILANZ hat mit mehreren Spitzenmanagern gesprochen. Dass er ein «profunder Branchenkenner mit Weitsicht» ist, wie sich Francioni zitieren lässt, Innovationen vorantreiben und noch anderes kann, dürfte auf viele im Konzern zutreffen, auch, dass er zur Kultur der Swiss passe – die hat immerhin so unterschiedliche Charaktere wie Harry Hohmeister oder Thomas Klühr an der Spitze ohne bleibende Schäden überlebt. Gerüchte, Spohr habe nach Schweizer und weiblichen Kandidaten gefahndet, kursierten immer wieder, wurden aber nie bestätigt. So oder so macht Spohr seinem Ruf als Überraschungsmeister alle Ehre.
Relativ klar hingegen ist für Insider, warum viele der in der Schweiz kolportierten Kandidaten nicht zum Zug kamen. Dorothea von Boxberg rückte vor zu kurzer Zeit auf den CEO-Sessel bei Brussels, um schon wieder zu wechseln. Max Kownatzki, Chef des Urlaubsfliegers SunExpress, finde seinen aktuellen Job «cool», schiele eher auf den Konzernvorstand und war, sagt ein Konzernmann, wohl nie auf der Liste. Dasselbe gilt für Annette Mann, Chefin der Austrian (AUA), und ihr Kommerzchef bei der AUA, Michael Trestl, kennt die Swiss und gilt als Talent, aber als zu jung.
Fehlinger leitet bisher zwar die übersichtliche Zubringer-Fluglinie Lufthansa CityLine, soll aber in diversen Stabsfunktionen gute Arbeit abgeliefert haben; «er hat ein gutes CV», sagt ein Insider, er könne führen, aber auch zuhören. Vor allem habe er als Leiter des Corona-Krisenstabs, der Spohr sehr wichtig war, den CEO überzeugt. Dass diese Funktion für die Wahl bedeutend gewesen sein muss, zeigt sich an Oliver Buchhofer: der Swiss-Operationschef vertrat die Schweiz in dieser Task Force mit Erfolg, und auch er stieg auf: in die Geschäftsleitung der Swiss. Zudem ist Fehlinger auch noch Pilot auf dem Airbus A320 – genau wie Spohr.
87 Flieger
für Kurz- und Langstrecke betreibt Swiss. Jens Fehlingers CityLine ist gut halb so gross.
Hinzu kommt: Fehlinger wird als Swiss-CEO weniger Beinfreiheit als seine Vorgänger haben. Denn der abgetretene Dieter Vranckx nahm einige Kompetenzen mit sich in den Konzernvorstand. Die Teams für Netzwerkplanung und Preisbildung für Flugtickets berichten künftig nicht mehr an die Swiss-Geschäftsleitung, sondern nach Frankfurt.
Daher soll Heike Birlenbach künftig wohl nicht mehr als Chief Commercial Officer der Swiss, sondern als Chief Custom Officer firmieren. «Fehlinger wird mehr ein Statthalter sein als seine Vorgänger», sagt einer. Aber die Swiss sei ja eine gut geölte Maschine, und die strategischen Weichen, etwa die Flottenplanung, sind unter Vranckx für die kommenden Jahre gestellt worden. Die Lage sei jetzt ähnlich wie beim Übergang von Hohmeister zu Klühr im Jahr 2016.