Der Schweiz als globalisiertem Kleinstaat inmitten Europas bieten sich durch die epochalen geopolitischen Verwerfungen ausserordentliche Chancen. Die Schweiz verfügt dafür über wichtige Voraussetzungen – einen grossen fiskalpolitischen Spielraum, eine starke industrielle Basis, ein hohes Ausbildungsniveau und einen Finanzplatz mit einem grossen Pool von Investoren. Entscheidend ist allerdings, dass sich Regierung und Parlament in Bern endlich von ihrer Realitätsverweigerung verabschieden, sich über Partei- und Partikularinteressen und Silodenken hinwegsetzen und im Interesse des Landes Führungsverantwortung übernehmen.
Die Schuldenbremse wurde von den Regierungen in Berlin und Bern als Erfolg der finanzpolitischen Solidität gefeiert, aber wie lässt sich der Erfolg der Schuldenbremse überhaupt messen? Der Verschuldungsgrad ist in Deutschland und in der Schweiz zwar relativ tief, aber dazu braucht es keine Schuldenbremse, sondern eine stabilitätsorientierte Fiskalpolitik, wie sie vergleichbare europäische Länder wie die Niederlande, Luxemburg, Schweden oder Dänemark praktizieren, wo die Schuldenquoten sogar tiefer sind, und dies – wichtig – bei höherem Wirtschaftswachstum.
Beat Wittmann ist Chairman und Partner der Finanzberatungsgesellschaft Porta Advisors.
Markant negativ ist die Erfolgsbilanz der Schuldenbremse in Deutschland und der Schweiz, wenn man hinter die Kulissen der sogenannten «schwarzen Null» sieht – denn der buchhalterische Ansatz der Finanzminister hat zur schädlichen Folge gehabt, dass volkswirtschaftlich nicht zwischen Konsum und Investitionen unterschieden wird. So sind die Jahrzehnte seit Einführung der Schuldenbremse geprägt von einem hemmungslosen Ausbau des Sozialstaats bei gleichzeitig verantwortungsloser Vernachlässigung der kritischen Infrastrukturen und Kaputtsparen bei der Armee. Der sicherheitspolitische und wirtschaftliche Bruch der US-Regierung mit Europa ist historisch und hat unmittelbar dramatische Folgen, denen sich auch die Schweiz nicht entziehen kann. Konkret bedeutet dies, dass Europa in den Bereichen Verteidigung und Energie konsequent in strategische Autonomie investieren wird. Vor diesem Hintergrund findet auch die vom designierten Bundeskanzler Friedrich Merz angekündigte Reform der deutschen Schuldenbremse statt, sodass der massive Aufbau der Bundeswehr weitestgehend davon unabhängig finanziert werden kann.
Das Thema Aufrüstung ist angesichts der russischen Aggression und der Abkehr Amerikas zur existenziellen Notwendigkeit geworden. Die Schweiz verfügt über keine einsatzbereite Armee und leistet aktuell den mit Abstand geringsten Beitrag für die kollektive Sicherheit Europas. Die Schweiz wird rasch und wesentlich mehr Mittel als aktuell geplant in die Landesverteidigung investieren müssen, und dies ist finanzpolitisch kein Problem, sondern eine Frage des politischen Willens. Das «Gaillard-Sparpaket» ist ein bescheidener Anfang, aber die Verteidigungsausgaben müssen nicht nur von der Schuldenbremse entbunden werden, sondern es sollte auch über die Emission von «Swiss Federal Defense Bonds» privates Kapital mobilisiert werden. Die Zeitenwende bezüglich Fiskalexpansion in Brüssel und Berlin ist eine grosse wirtschaftliche und sicherheitspolitische Opportunität für die Schweiz. Dabei ist es essenziell, die Schweizer Rüstungsindustrie zu rehabilitieren. Die dazu notwendige Voraussetzung ist die Revision des Kriegsmaterialgesetzes, damit Exporte in demokratisch regierte Länder wieder möglich sind. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass steigende Militärausgaben expansive Wirkungen auf Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Produktivität und Innovation haben. Der beste Vorlaufindikator sind die Aktienbörsen. Seit Amtsantritt von Donald Trump schlägt Europa die USA klar, und der europäische Rüstungssektor ist dabei Spitzenreiter.