Vor neun Jahren kaufte Ernst Tanner für einen zweistelligen Millionenbetrag die Villa Windegg im Zürcher Seefeld, seither dient sie unter anderem als Sitz für jene Start-ups, an denen der Lindt-Chef beteiligt ist. Eines davon, Orderfox, reklamiert für sich nun den Unicorn-Status. Die Firma wurde 2019 von Richard Morscher gegründet, ihm gehört die Hälfte der Anteile, die andere Hälfte dem Family Office der Familie Tanner. Seit der Gründung haben die Aktionäre 50  Millionen Franken in die Firma investiert. Nun soll sie bereits eine Milliarde Franken wert sein. Das hat eine Bewertung durch die M&A-Beratung Trown Partners ergeben. Denn: «Das Marktpotenzial ist gewaltig», sagt Sohn Derek Tanner.

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Ernst Tanner, Exekutiver Verwaltungsratspräsident, Chocoladefabriken Lindt & Spruengli AG. (PPR/Lindt & Spruengli)

Lindt-Chef Ernst Tanner ist an mehreren Start-ups beteiligt.

Quelle: Keystone

Orderfox begann in der metallverarbeitenden Branche, dort bringt sie Einkäufer und Fertiger für die CNC-Industrie zusammen. Der Start war harzig: Die alte Führungsmannschaft war von sehr viel stärkerem Wachstum ausgegangen und hatte überdimensionierte Büroräume extern angemietet. Anfang letzten Jahres passierte, was Derek Tanner eine «komplette Neukonzipierung der Produkte und Strategie sowie dementsprechende Neuorientierung des Teams» nennt. Seither leitet Derek Tanner die Firma zusammen mit dem Gründer. Inzwischen ist man auch wieder zurück in der Villa Windegg.

Seither hat man das Angebot unter dem Namen Partfox auf den Holz- und Kunststoffbereich ausgeweitet. Das Marktpotenzial, so Tanner, betrage weltweit 250'000 Unternehmen auf Fertiger- sowie mehrere Millionen Firmen auf Einkäuferseite. Zudem wurde ein zweites Standbein aufgebaut: eine Datenbank über derzeit 300'000 Firmen mit je 100 Datenpunkten, die über einen KI-unterstützten Chatbot abgefragt werden kann («Wer produziert Solarpanels in Shenzhen?»). Auch Trend- und Risikoanalysen lassen sich erstellen. Derzeit wird Gieni, so der Name, von der CNC-Industrie auf Automation, Robotik und Solar ausgebaut, am Schluss soll die Datenbank alle Fertigungsbranchen abdecken. Als Marktpotenzial geht Tanner von den Top-Entscheidungsträgern der zehn grössten Industrienationen (rund 220'000 Personen) sowie deren zweiter Führungsebene (mehrere Millionen Manager) aus und nimmt ein Prozent davon als Zielgruppe – «sehr konservativ berechnet», so Tanner. Nächstes Jahr soll Orderfox Cash-Flow-positiv sein und einen Umsatz zwischen 10 und 20 Millionen Franken erzielen, 2028 soll er bereits im dreistelligen Bereich liegen. Die Anzahl der Mitarbeiter (derzeit sind es 22) will Tanner in den nächsten sechs bis zwölf Monaten verdoppeln.

Sofern sich die ehrgeizigen Projektionen realisieren, wäre die Unicorn-Aussage einigermassen glaubwürdig. Nur müsste zu der Bewertung dann noch jemand Anteile kaufen. Das ist aber derzeit wenig wahrscheinlich, denn eine Kapitalrunde ist bis auf Weiteres nicht geplant. «Wir sind gut finanziert», so Derek Tanner. Langfristig überlegen sich die Tanners jedoch, einen strategischen Investor mit an Bord zu holen, um das Wachstum technologisch oder geografisch zu beschleunigen. 

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