Was ist nur mit den Menschen im Westen los? Wirtschaftlich gesehen geht es uns so gut wie noch nie. Die Einkommen erreichen neue Höchststände. Trotz höherer Preise kaufen die Menschen ein, gehen aus und machen Urlaub, als spiele Geld kaum eine Rolle. Die Arbeitsplatzsicherheit ist gross, viele offene Stellen warten auf Arbeitnehmende. Und sollte eine nächste Krise anstehen, hat der Staat während der Corona-Pandemie eindrucksvoll bewiesen, wie er so eingreifen kann, dass kaum jemand wirtschaftliche Einbussen hinnehmen muss.

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Aus dieser Tatsache könnte man schliessen, dass die Konsumentenstimmung auf einem Rekordhoch sein müsste. Doch dem ist nicht so. Umfragen zeichnen ein deutlich schlechteres Bild: Nur langsam erholen sich die entsprechenden Indizes vom Rückschlag in der Corona-Krise. Die Indizes haben damit ihre Vorhersagekraft für die wirtschaftliche Entwicklung verloren.

Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.

Warum sind die Leute so pessimistisch? Verschiedene Gründe lassen sich anführen. Die Inflation drückt auf die Stimmung, da die höheren Preise täglich sichtbar und im Portemonnaie spürbar sind. Die unsichere geopolitische Lage macht Bauchweh. Es ist einfach, sich Eskalationsszenarien auszumalen. In den USA sorgt die gesellschaftliche Spaltung zusätzlich für schlechte Stimmung.

Die Menschen sind sich aber auch darüber im Klaren – besser als viele Experten oder Politiker und Zentralbanker –, dass es keine gute Idee ist, von Krise zu Krise zu stolpern und in kurzfristigen Notfallaktionen den Systemabsturz zu verhindern. «Ich habe das Gefühl, dass wir uns auf sehr dünnem Eis bewegen, dass alles sehr zerbrechlich ist», wird ein amerikanischer Konsument im «Wall Street Journal» zitiert. Die Flüchtigkeit eines wiederholten Aufschwungs auf Pump scheint sehr wohl bewusst zu sein.

Es gibt also gute Gründe für Pessimismus. Überraschender ist, dass trotz berechtigter schlechter Stimmung mit dem Geld sehr grosszügig umgegangen wird. Die Unsicherheiten scheinen nicht wie üblich Vorsicht zur Folge zu haben, sondern eine besondere Gleichgültigkeit und Sorglosigkeit. Man konsumiert, als gäbe es kein Morgen – sich um Konsequenzen zu kümmern, ist weniger en vogue. Um eine andere amerikanische Konsumentin zu zitieren: «Alle Regeln rund ums Geld sind nur Erfindungen der Menschen. Also spielen wir ein anderes Spiel. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass wir mehr Spass haben.»

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Aber nicht nur die notorisch ausgabefreudigen amerikanischen Konsumenten handeln derzeit kurzsichtig. In der Schweiz scheint das Argument gegen eine 13. AHV-Rente, Verzicht zu üben und dafür zukünftigen Generationen ein solides Werk zu hinterlassen, bei der älteren Generation wenig zu verfangen. Das Motto ist das gleiche wie dasjenige einer weiteren Stimme im «Wall Street Journal», die zur Finanzierung ihrer Hawaii-Reise meint: «We did not have the money and we were like, ‹Let’s just do this anyway!›» Jeder ist sich selbst der Nächste, nach mir die Sintflut: Wenn die Welt sowieso untergeht, ist dumm, wer nicht vorher zugelangt hat!

Die Sorge um die Flüchtigkeit des gegenwärtigen Reichtums wird aber zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung, wenn als Folge davon Haushalte und Staaten über den Verhältnissen leben. Es scheint schwierig, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Der Staat hat ein Monster geschaffen, die Anspruchshaltung ist enorm hoch. Was ist, wenn das Eis – der Staat als Retter für alle finanziellen Probleme – tatsächlich bricht? Hoffen wir, dass der Staat nicht zuerst an seine Grenzen kommen muss, bevor wir wieder zur Vernunft kommen.