Herr Frangulidis, die US-Börse kletterte vor Kurzem auf ein Allzeithoch. Sind Sie beunruhigt?
Wegen des Allzeithochs an sich sollten sich Investoren keine Sorgen machen. Im Schnitt befinden sich die US-Börsen 30 Prozent der Zeit auf Rekordniveau. Beunruhigender sind die Bewertungen. Die Price-to-Book Ratio liegt in den USA auf einem historischen Hoch. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) hat mit 22 auch ein sehr hohes Niveau erreicht.
Wo befindet sich die Schmerzgrenze?
Gingen die KGVs auf 25, war das in der Vergangenheit auf Dauer nicht haltbar. Gefährlich wird es auch, wenn die realen Zinsen für zehnjährige US-Treasuries klar über 2,5 Prozent gehen. Obligationen wären dann im Vergleich zu Aktien noch attraktiver. Schon jetzt bekommt ein Anleger, der statt in US-Bonds in Aktien investiert, keine Risikoprämie mehr. Wird die Prämie klar negativ, hat das Konsequenzen. Doch solange die Hausse von starken Gewinnsteigerungen begleitet wird, dürften wir keinen Einbruch sehen. Derzeit sieht es noch gut aus, aber die Luft wird dünner.
Ihre Prognose für 2025?
Wir sind in einer kurzen Phase, in der die US-Konjunktur mit den hohen Zinsen zurechtkommt. Eventuell reicht es 2025 noch für ein einigermassen positives Jahr. Aber wer jetzt in US-Aktien investiert, muss sich auf Sicht von fünf bis zehn Jahren wohl mit einer klar unterdurchschnittlichen Rendite zufriedengeben.
Europa hinkte deutlich hinterher. Ändert sich das?
Dazu müssten sich die globalen Stimmungsindikatoren erholen. Das sehen wir derzeit noch nicht. Nicht zuletzt sorgen die angedrohten US-Zölle für Unsicherheit.
In der Schweiz sind die Bewertungen sogar gesunken. Kommt endlich die Zeit für Schweizer Aktien?
Mittelfristig bietet der Schweizer Aktienmarkt mehr Potenzial als die USA. Die Bewertungen sind deutlich attraktiver. Das Gewinnwachstum ist nicht so schlecht, und die Qualität der Unternehmen ist überdurchschnittlich. Bei Firmen wie Nestlé sind die Erwartungen inzwischen sehr tief. Das gilt für den gesamten Schweizer Aktienmarkt, für KMUs noch viel mehr. Damit die Zykliker stark performen, müsste sich die Stimmung erholen.
Was wären Auslöser für einen Stimmungswandel: sinkende Zinsen?
Die helfen sicher. Sehr positiv wäre ein Ende des Krieges in der Ukraine. Der Optimismus steigt auch, wenn sich die Sorgen vor hohen US-Zöllen und Handelskriegen nicht bewahrheiten. Obwohl nicht für die europäische Wirtschaft gedacht, wären chinesische Konjunkturprogramme hilfreich.