Mein Jüngster ist seit der Weltmeisterschaft in Katar ein leidenschaftlicher Fussballfan, er himmelt seine Stars an und macht sich so seine Gedanken: «Yann Sommer hört sicher bald auf zu spielen.» – «Echt? Ich dachte, der wäre gerade zu Bayern München gewechselt?» – «Aber er hat zwei Kinder. Um die muss er sich sicher kümmern», antwortet der Siebenjährige kopfschüttelnd und verlässt mit dem Ball unter dem Arm das Haus. Erstaunlich, was die Vermittlung nichttraditioneller Rollenbilder für eine Wirkung hat. Davon könnte sich die Finanzbranche mal eine dicke Scheibe abschneiden. Da läuft es nämlich gar nicht gut punkto weiblicher Rollenmodelle. In den Führungsetagen von Europas Banken sind Frauen immer noch so selten wie ein WM-Sieg der Engländer. In den Verwaltungsräten sieht es kaum besser aus. Die Beratungsfirma Boston Consulting Group (BCG) hat kürzlich eine Studie zur Gleichstellung in Europas Finanzindustrie veröffentlicht. Der Anteil von Frauen in den Geschäftsleitungen ist demnach im vergangenen Jahr von 19 auf 22 Prozent gestiegen. Wenn es in dem Tempo weitergeht, wird es in zehn Jahren eine gleichberechtigte Vertretung in den Executive Boards geben. Bis dahin ist wahrscheinlich sogar Andorra schon einmal Fussball-Weltmeister geworden.
«Wenn es in dem Tempo weitergeht, wird es erst in zehn Jahren eine gleichberechtigte Vertretung in den Executive Boards der Banken geben.»
Sie geht das nichts an, weil Sie sich gar nicht für einen Posten in der Teppichetage einer Bank interessieren? Irrtum: Als Bankkundin und Investorin sollten Sie sich diverse Führungsmannschaften wünschen. Frühere Studien von BCG zeigen, dass ein ausgewogenerer Anteil von Frauen in Führungspositionen Innovationen, Widerstandsfähigkeit und Ertragskraft erhöhen. Es ist zudem davon auszugehen, dass mit mehr Frauen an der Spitze auch die Produkte und Dienstleistungen sowie die Ansprache und die Kultur bei Ihrer Bank mehr Ihren Bedürfnissen entsprechen werden.
Am Abend dann etwas Fussball-Smalltalk, um dem Sohn zu imponieren: «Bei der Frauen-WM im Sommer spielt die Schweiz in einer Gruppe mit Norwegen.» Wieder Kopfschütteln: «Frauenfussball interessiert mich nicht.» Na gut, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.