Die Geschäftsidee?
Wir zeigen Bewegungsströme von Besuchergruppen, Geräten oder Fahrzeugen in der realen Welt auf Basis von GPS- oder IoT-Daten und korrelieren diese mit weiteren Daten wie Wetter oder Umsatz. Dies, damit zum Beispiel Smart Cities, New Retail oder Infrastrukturen auch wirklich auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichtet werden können.
Wie ist sie entstanden?
Ein Kunde in Singapur wollte die Besucherströme im Casino und im Hotelkomplex über viele Stockwerke besser verstehen und fand keine Lösung dazu. Wir haben dazu GPS und Wi-Fi kombiniert und in zwei Monaten eine Betaversion auf die Beine gestellt.
Warum der Name?
«Geo» von Geografie und «CTRL» von der Taste, mit der man auf simplen Knopfdruck mächtige Funktionen aufrufen kann.
- Website: geoctrl.com
- Gegründet: Mai 2019
- Gründer: Mark Forster (47), CEO; Anna Pak (25), CMO; Helmut Lasser (49), VP Product
- Firmensitz: Zürich
- Anzahl Mitarbeitende: 9
- Umsatzziel für 2022: 1,8 Mio. Fr.
- Profitabel: ab Januar 2020 und wieder seit September 2020
Woher stammt das Startkapital?
Das haben das Gründerteam, Mitarbeitende und ein paar Freunde beigesteuert.
Womit erzielen Sie die Umsätze?
Mit Kunden in den Bereichen Immobilien, Retail, Digital Out-of-Home, Finanz. Wir haben ein SaaS-Modell, wobei auch Adhoc-Analysen und die Beratung dazukommen.
Die Vision?
Wertvolle Dateneinblicke auf Knopfdruck für alle Sektoren verfügbar und erschwinglich zu machen: Wie viele Firmen vom Typ X gibt es im Umkreis von Y Kilometern, wie hängen die Besucherströme zusammen, welchen Einfluss hat Aktivität Z auf den Umsatz, welches ist das Einzugsgebiet der Kunden, die Soziodemografie etc.?
GEOCTRL im Branchenvergleich
«GeoCTRL ist an einem spannenden Thema dran, das prinzipiell verschiedenste Anwendungs- und Monetarisierungsvarianten zulässt. Die Firma verfügt über ein erfahrenes (Gründer-)Team. Die übrigen Kennzahlen lassen allerdings vermuten, dass die Identifizierung der besten Use Cases und die Traction aktuell noch die grösste Herausforderung für das Start-up sind. Das lukrative Kombinieren von konsumentenspezifischen Offline- und Onlinedaten ist aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa keine triviale Aufgabe.»
Die «Startup Navigator»-App des Institute of Technology Management der HSG unter Prof. Dietmar Grichnik vergleicht erfolgsrelevante Faktoren des Start-ups mit dem Branchenschnitt. Zum Download.
Die grosse Stärke?
Rasche Entscheidungen, auch darüber, was nicht getan werden sollte. Stets Neues auszuprobieren und zu schauen, was technologisch passt und was nicht.
Die grösste Herausforderung?
Die Pandemie. In zwei Monaten waren 75 Prozent unserer wiederkehrenden Umsätze auf Eis gelegt, nach sechs Monaten meldete unser grösster Kunde Konkurs an.
Der bisher grösste Erfolg?
Aus einer Anfrage eines internationalen Finanzdienstleisters ist ein Partnermodell entstanden, mit dem wir mittlerweile in mehreren Ländern aktiv sind.
Das Überraschendste bisher?
In wie vielen Sektoren und Ländern Geodaten eingesetzt werden können. Im März 2020 sollten wir für CNN innert 48 Stunden die Covid-19-Bewegungsströme von New York her über die ganzen USA visualisieren. Wir haben es zwar knapp geschafft, doch es ging nicht auf Sendung.
Der nächste Schritt?
Neue Kunden und Partner einbinden, und: solide liefern. Wir sind dieses Jahr leider eher in Verzug.
Expertenmeinung: Zwei Risikokapitalisten über die Chancen von GeoCTRL
«Rechtlich nahe der Grauzone»
«GeoCTRL ist kein guter Name, weil man ihn erklären muss. Aber die Geschäftsidee ist gut. Es gibt bereits Player in diesem Markt, aber die zählen einfach die Leute per Kamera. GeoCTRL verknüpft das clever mit legal zugänglichen Hintergrunddaten wie Nationalität, Reiseroute oder Geschlecht und kann damit viel bessere Auswertungen machen. Dies ergibt interessante Anwendungen für Werbe- und Steuerzwecke etwa im Tourismus oder bei Shoppingcentern. Dabei bewegt sich die Firma aber datenschutzrechtlich und moralisch immer nahe an der Grauzone. Weil sie an der Kante zur Überwachungsgesellschaft surft und viele Angst haben vor chinesischen Verhältnissen, wird sie immer wieder auf Widerstand stossen. Zudem muss sie die sich laufend ändernden Datenschutzbestimmungen in den verschiedenen Ländern im Auge behalten – das wird mittelfristig eine Herausforderung.
Mark Forster und sein Team sind gestandene Unternehmer, sie haben schon mehrere Firmen aufgebaut und wissen, was sie tun – ein grosser Vorteil in jedem Start-up! Aber GeoCTRL ist noch eine Tüftlerbude, verkauft bisher Projekte links und rechts. Damit es skaliert, muss jetzt wirklich ein Produkt entwickelt werden, das sich gezielt online verkaufen lässt, am besten ohne Hardwareinstallateur vor Ort. Und es braucht Fokus, geografisch und nach Branche!»
«Die Chancen stehen 50:50»
«Der Markt für mobile Datenakquisition und -analyse an der Schnittstelle zwischen physischer und digitaler Welt ist spannend, weil dort die Digitalisierung beginnt – allein
in meinem Portfolio finden sich vier Start-ups zu diesem Thema. Es ist also nichts Neues, was GeoCTRL anbietet, die Konkurrenz reicht hier von Start-ups bis SAP. Speziell ist jedoch, dass sich GeoCTRL auf Bewegungsdaten inner- wie auch ausserhalb von Gebäuden spezialisiert und technologieneutral verschiedene Sensoren wie Bluetooth, Wi-Fi oder GPS unterstützt. Das Businessmodell ist überwiegend ein Dataplay mit validierten und kalibrierten Informationen.
Der CEO und das Management machen einen sehr erfahrenen Eindruck. Den Killer-Use-Case hat die Firma jedoch noch nicht gefunden, die Aufträge sind eher zufallsgetrieben. Das Go-to-Market läuft bisher mehrheitlich indirekt über nur einen Partner, was ein Klumpenrisiko ist und entschärft werden muss. Skalierung kann nur über globales Data Sourcing geschehen. Dies ist aufwendig, denn die Datenschutzgesetze variieren von Land zu Land und ändern sich ständig.
Insgesamt sehe ich die Chancen für GeoCTRL bei 50:50. Es geht jetzt vor allem um gute Execution und darum, den Sweet Spot zu finden.»