Es war ein Trip unter höchster Geheimhaltung: Am 8. Juni erreichte ein Transport-Zug der ukrainischen Bahn nach fünftägiger Fahrt die Stadt Charkiw. An Bord: 17 Container mit mehr als 200 Tonnen Nahrungsmitteln. Absender war die «Zürich»-Versicherung, die die haltbaren Esswaren von Pasta bis Babynahrung zuvor an die polnisch-ukrainische Grenze geschafft hatte. Es war die grösste Nahrungsmittellieferung, die das vom Krieg besonders betroffene Charkiw bislang erreichte.
Damit zeigt sich der Konzern unter der Ägide von CEO Mario Greco als engagierteste Schweizer Grossfirma im Ukraine-Krieg. Zuvor hatte die Stiftung des Versicherers bereits zwei Millionen Franken für die Flüchtlingshilfe gespendet und zusammen mit dem Kinderhilfswerk Unicef die «Global Coalition for Youth Mental Well-being» gegründet, die sich um jugendliche Ukraine-Flüchtlinge kümmert. Greco, bislang als «Iron Mario» bekannt, verpasst dem grössten Schweizer Versicherer ein zeitgemässeres Image: humaner – und grüner.
Bei Flugreisen etwa ist Greco der radikalste unter den Schweizer Firmenchefs. Drei Monate nach Corona-Beginn verfügte er einen Reisestopp, der auch nach der Pandemie noch Bestand haben sollte: Fliegen sei «eine Belastung für den menschlichen Körper und den Planeten».
Ganz ohne Fliegerei geht es zwar in einem 50'000-Mitarbeiter-Konzern nicht, das musste Greco mit dem Ende der meisten Corona-Restriktionen einsehen. Aber er hat eine klare Direktive an alle Abteilungen ausgegeben: Sie sollen ihre Flugbewegungen um 70 Prozent senken. Und das sei ausdrücklich nicht als Sparmassnahme zu verstehen – die Budgets bleiben davon zunächst unberührt.
Neue Strategieperiode
Der grüne Mario präsentiert sich auch bei der 150-Jahr-Feier der Versicherung: Zu einer Gala im Zürcher Opernhaus hat Greco für den 26. Oktober den Fotografen Sebastião Salgado zu einem grossen Auftritt geladen – der Brasilianer dokumentiert seit Jahren die Abholzung des Regenwalds im Amazonas-Gebiet. «Ein Aufruf zur Selbstreflexion darüber, wie wir Menschen den Planeten beeinflussen», heisst es in der Einladung.
Klingt fast wie ein Vermächtnis des Mannes, der gerade seinen 63. Geburtstag feierte. Gerüchte über seinen Abtritt kursieren seit Längerem, er wurde auch schon als UBS-Präsident gehandelt. Allerdings: Vom Typ her ist er eher vom Schlage eines Oswald Grübel – Chef oder gar nichts. Deshalb gilt er kaum als VR-kompatibel und strebt eine Board-Karriere wohl auch nicht an.
Derzeit plant er die neue Strategieperiode, die ab 2023 für drei Jahre greifen und an einem Investorentag Mitte November präsentiert werden soll. Die Nachfolgefrage wird dann zwangsläufig kommen. Als heissester Anwärter für die Greco-Nachfolge gilt der 55-jährige belgisch-schweizerische Doppelbürger Kristof Terryn, früher als COO bereits einmal die Nummer zwei und seit eineinhalb Jahren Leiter des US-Geschäfts.