Kenneth Rogoff hat ein emotionales Verhältnis zur Ukraine – und das liegt nicht nur an den verstörenden Bildern, die die Weltöffentlichkeit fast täglich sehen muss. Bilder von unschuldigen Zivilisten, getötet von russischen Soldaten in einem absurden Krieg. Der Harvard-Ökonom hat auch enge familiäre Beziehungen in die Ukraine. «Mein Grossvater stammt aus Kiew. Er lebte davon, Ziegenmilch ausserhalb der Grossstadt zu verkaufen», sagt der 68-Jährige. Ob ich Kinder hätte, fragt der Familienvater den Interviewer. «Wenn meine Kinder jetzt in Mitteleuropa lebten, wären sie sehr verängstigt», sagt Rogoff: «Der Krieg ist nah dort.»
Herr Rogoff, die Folgen der Pandemie sind noch nicht überwunden, nun droht mit der Eskalation des Ukraine-Konflikts gleich der nächste grosse Rückschlag. Was bedeutet das für die Weltwirtschaft?
Wie und wann auch immer dieser furchtbare Krieg endet, wir werden einen kräftigen und nachhaltigen Anstieg der Energiepreise erleben und eine empfindliche Schwächung des Wachstums sehen. Die Inflationsraten waren ja schon vor Ausbruch des Konflikts bedenklich hoch. Und auch die Pandemie ist bei Weitem nicht überwunden, obwohl zumindest die ökonomische Erholung im Gange war. Der Krieg und die damit verbundene Unsicherheit gefährden all das wieder.