Als Boris Collardi am 26. November, einem Sonntag, seinem Verwaltungsrat das Kündigungsschreiben präsentierte, stand die Bär-Welt Kopf. Der Präsident war sprachlos, das Kader verunsichert, die Investoren nervös. Nur einer war happy – Collardi.

Er hatte längst gespürt: Nach neun fulminanten Jahren an der Spitze waren nicht mehr seine Primärtugenden, das Anreissen und Eintüten, gefragt. Sondern Detailarbeit im Maschinenraum und geordnete Schritte in die Zukunft.

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Doch wer sollte den Überflieger beerben, der Julius Bär zur Referenz im Private Banking gemacht hatte? Der Zweite in der Reihe, Collardis Stellvertreter Bernhard «Bernie» Hodler, hatte eigentlich andere Pläne. Er wollte sich ein für alle Mal aus dem Operativen verabschieden und in den Bär-Verwaltungsrat wechseln; dort sollte er nach ein, zwei Jahren das Präsidium übernehmen. So war es intern abgesprochen, so galt es bis zum Abgang Collardis.

Nun aber musste subito umgedacht werden. Zur Beruhigung der Aktionäre und der Mitarbeitenden war jetzt ein sicherer Wert gefragt. Der naheliegendste: Hodler. So wurde der Mann, der eigentlich nach einer Etage höher strebte, zum Bär-Chef und damit so operativ wie nie zuvor.

Was für Hodler sprach: Er war seit langem die Nummer zwei, kannte nach zwanzig Dienstjahren Personal und Stellschrauben und konnte nach Collardis Freistellung subito übernehmen.

VR-Präsident will Externen

Was intern hingegen mehr erstaunte: Der gebürtige Berner Seeländer, der nach aussen nie in Erscheinung getreten war und stets im Schatten Collardis gestanden hatte, blühte auf. Mehr noch: Er machte sich ab November 2017 daran, die Hinterlassenschaft von Big Boris auf den Prüfstand zu stellen und zu korrigieren. Unterstützung fand Hodler im Verwaltungsrat, wo der Unmut über Präsident Daniel Sauter immer lauter wurde und diesen Frühling in seinem forcierten Abgang gipfelte. Sauter war das Alter Ego von Collardi.

Allzu viel Prime Time bleibt Hodler allerdings nicht. Denn es ist offenbar ausgemachte Sache, dass der Chef übergibt, sobald die Neuausrichtung steht und ein Nachfolger startklar ist. Das dürfte in 6 bis 18 Monaten der Fall sein. Derzeit laufen Gespräch mit internen wie externen Kandidaten, heisst es. Offenbar tendiert der Sauter-Nachfolger auf dem Präsidentenstuhl, Romeo Lacher, zu einer externen Lösung. Offiziell will sich niemand äussern.

Julius Bär: Die ersten vier Monate 2019

Die Vermögensverwaltungsbank Julius Bär hat in den ersten vier Monaten 2019 von der guten Entwicklung der Finanzmärkte profitiert. Die verwalteten Vermögen sind auf einen neuen Rekordstand gestiegen. Sie beliefen sich Ende April auf 427 Milliarden Franken. Ende 2018 waren es noch 382 Milliarden gewesen.

Der Neugeldzufluss harzte allerdings. Und auch beim Aufwands-Ertrags-Verhältnis ist die Bank noch nicht dort, wo sie sein möchte. Das Sparprogramm wird weiter vorangetrieben. Heisst: Zwei Prozent der Stellen fallen weg. Mehr lesen Sie hier.

Einer, der ganz oben auf der Liste von Präsident Lacher steht, ist Iqbal Khan, erster Vermögensverwalter bei der Credit Suisse. Man kennt sich aus gemeinsamen Tagen bei der Grossbank. Was gegen einen Wechsel spricht: Khan wäre teuer, viel zu teuer für Julius Bär. Sein Gehalt bei der CS liegt bei 9 Millionen Franken, bei Bär müsste er sich mit 6 Millionen bescheiden.

Zudem müsste er für seine aufgeschobenen CS-Aktien, die er beim Wechsel verlöre, mit rund 5 Millionen kompensiert werden. Und überhaupt: Die von ihm geführte CS-Division International Wealth Management ist bezüglich Personal und Kundengeldern doppelt so gross wie die gesamte Bär-Bank. Eine Personalie also, die wohl ein Traum bleibt.

Das Aufräumen nach Collardi

Hodler, der Chef auf Zeit, baute derweilen fleissig um und aus. Auch der Stil hat gewechselt. Während sein Vorgänger mit der Schrotflinte nach Kundenportfolios jagte, setzt das neue Team mehr auf Fokussierung und Präzision. Man könnte auch sagen: Hodler ist daran, den Geist Collardis zu verscheuchen.

Dieser hat die Firma mit unbändiger Lust auf Wachstum und Tempo geführt. Gab es irgendwo ein Team anzuheuern, winkte ein margenstarkes Geschäftsfeld, waren Firmenteile mit opulentem Kundenstamm zu ergattern, war der Italo-Schweizer garantiert nicht weit. Es lockte die Expansion ins Asset Management, der Fussabdruck in Panama, Peru, den Niederlanden.

Hodler aber hat andere Pläne: Den Ausflug ins Asset Management hat er gestoppt. Die erst vor drei Jahren übernommene Bär-Tochter Karios in Italien steht zum Verkauf. Die Büros in Peru und Panama sind dicht, das Holland-Geschäft mit 1 Million Euro Vermögen verkauft. Die Ableger waren entweder zu risikobehaftet oder schlicht unrentabel. Frontleute klagen auch, dass Kunden, denen man mit Nachfragen auf die Pelle rückte, stets ein offenes Ohr im Chefbüro fanden. Hodler setzt derweilen lieber auf standardisierte Prozesse – und holt sich so den Applaus der Kundenberater.

Banken oder Versicherer: Wer zahlt besser?

Die Bandbreite ist gross: Berufseinsteiger unter 20 Jahren verdienen bei Banken rund 5'000 Franken im Monat. Ohne Kaderfunktion kann ein Bankangestellter bis zur Pensionierung mit rund 7'400 Franken entlohnt werden. Kommt Verantwortung hinzu, verdient etwa ein Gruppenleiter zwischen rund 7'100 und 9'800 Franken.

Im Kader kann der Monatslohn bis auf 12'000 Franken steigen. Im oberen Kader und der Geschäftsleitung werden Manager mindestens mit 11'000 Franken entlöhnt, sofern sie es schon in den Zwanzigern in eine solche Position schaffen. Über 50-Jährige Top-Manager verdienen rund 20'000 Franken im Monat. 

So zumindest sieht es statistisch aus. Mehr lesen Sie hier.

Doch der langjährige Risiko-Verantwortliche hat selber Altlasten abzutragen. Denn die Bank war in der Vergangenheit immer wieder mit schlagzeilenstarken Unfällen beschäftigt. Im Crossborder-Geschäft mit den USA konstatierte die Finma ein «ungenügendes Risikomanagement» und bereits läuft wegen Fifa- und Venezuela-Kontakten ein nächstes Enforcement.

Es soll gegen Ende Jahr abgeschlossen sein. Die Finma dürfte wieder einen zu laschen Umgang mit heiklen Kunden konstatieren. Offen ist, ob – wie bei der Credit Suisse – der Bär-Bank ein Aufpasser auf Zeit aufgehalst wird.

Atlas-Projekt kostet 100 Millionen

Immerhin hat man ab 2016 die Zügel angezogen. Hodler, damals noch Chief Risk Officer, stiess das Projekt Atlas an, das den gesamten Kundenstamm nach heissen Dossiers durchforstet. Kunden, welche die verlangte Transparenz nicht erfüllen können oder wollen, sind unerwünscht. Die Putzaktion, die unter dem Titel «Client Documentation Upgrade» firmiert, ist Ende Jahr abgeschlossen.

Die Folgen lassen tief blicken: Insgesamt sollen risikobehaftete Vermögenswerte in der Höhe von gegen 2 Milliarden aus den Bär-Tresoren eliminiert worden sein. Die Aktion zur Risikominimierung geht ins Tuch: Ursprünglich hatte man die Kosten für das Projekt Atlas auf 40 Millionen veranschlagt, mittlerweile sind sie auf das Zweieinhalbfache angewachsen, auf stolze 100 Millionen.

Es wird weiter gegen lichtscheue Kunden aufgerüstet. Eine Special Investigation Unit wird aufgebaut, wie Jobportalen zu entnehmen ist, wo Stellen für Senior Compliance Officers ausgeschrieben sind. Diese sollen sich um besonders komplexe Kundendossiers kümmern. Ein Upgrade gibts auch bei ihren Betreuern. Künftig heissen sie nicht mehr Relationship Manager, sondern Wealth Architects. Sie sollen vermögende Clans im Verbund mit Fachexperten rundumbetreuen. Im neuen Bär-Slang: «holistisch».

Im Gespräch als Bär-CEO

Diese Kandidaten sind im Gespräch als Chef von Julius Bär. 

Khan

Iqbal Khan: Chef-Vermögensverwalter CS, Topkandidat, aber teuer.

Quelle: ZVG
Christine Novakovic

Christine Novakovic: Chefin UBS-Wealth-Management Europa, Nahost, Afrika.

Quelle: ZVG
Josef «Joe» Stadler

Josef «Joe» Stadler: Chef der Superreichen-Unit der UBS, Topmann, fordernd.

Quelle: ZVG
SABINE KELLER BUSSE

Sabine Keller-Busse: COO der UBS, vielseitig, aber keine Fronterfahrung.

Quelle: Gabi Vogt / 13 Photo