▶ Person
Sie war hin und her gerissen. Zwischen Kunst und Psychologie. Denn Katharina Henke (59) studierte zwar an der Universität Bern, absolvierte aber auch eine Tanzausbildung. Allerdings habe es dann nicht ganz gereicht, um Primaballerina zu werden, weshalb sie den Tanz zum Hobby zurückstufte – und sich auf Psychologie fokussierte. Konkret spezialisierte sie sich auf die Schnittstelle zwischen Psychologie und Neurologie. In diesem Bereich promovierte sie in Deutschland und absolvierte in den USA ein Postdoc bei Michael Gazzaniga, der dieses Forschungsfeld begründete. «Ich bin heute in beiden Welten daheim.» Und so bewegt sich die heutige Professorin zwischen Medizinischer und Psychologischer Fakultät. Und das wiederum in Bern, wo ihre akademische Laufbahn begann.
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▶ Produkt
Henke schickte sich schon mit ihrer Dissertation an, die klassische Lehrmeinung umzustossen. Diese ging davon aus, dass man nur etwas im episodischen Gedächtnis – der wichtigsten Komponente für das Langzeitgedächtnis – abspeichert, wenn dies bewusst geschieht. «Mit meiner Forschung will ich beweisen, dass der Mensch auch viel unbewusst aufnimmt und es im episodischen Gedächtnis abspeichert.» Die Konsequenz daraus: Wer etwas unbewusst aufnimmt, behält es und wird davon beeinflusst. «Gerade bei komplexen Entscheidungen ist dieser Einfluss gross.» Man spricht dann vom Bauchgefühl. «Die unbewusst aufgenommene und dann gespeicherte Erfahrung weist einem automatisch den richtigen Weg.» So wisse etwa ein erfahrener Chirurg exakt, wie er auf bestimmte Situationen reagieren muss, ohne sein Vorgehen genau erklären zu können.
▶ Potenzial
Mit einer neuen Studie hat die Forscherin kürzlich gezeigt, dass alltäglich unbewusst Erlebtes eben nicht direkt gelöscht, sondern ebenfalls abgespeichert wird. Und dies sogar besser als Dinge, die wir etwa bewusst lernen. Denn beim unbewussten Lernen speichern Nervenzellen meist nur eine einzige Erinnerung ab und nicht mehrere. Es gibt daher keine Überschneidungen. Erste Daten zeigen, dass amnestische Personen noch immer unbewusst Sachen abspeichern können. Mit Hilfe von Magnetstimulationen möchte Katharina Henke die Gedächtnisspuren stärken, sodass sich Amnestiker wieder bewusst erinnern können.
2 Kommentare
Verändert das den Intelligenzbegriff? Ist das ein Beweis für Intuition oder das Bauchgefühl? Wie könnten wir mit dem Bewusstsein auf solche unbewussten Wissensquellen zurückgreifen?
Das Thema ist ultraspannend. Super, dass es Leute gibt, die sich damit auseinandersetzen und neue Erkenntnisse hervorbringen. Vor allem beim Lernen gibt es noch viel zu erforschen. Ist unser Bildungssystem eigentlich nützlich auf die Bedürfnisse der Jugendlichen ausgerichtet? Präziser lässt sich Fragen, welche Konsequenzen können wir aus solchen Studien für unsere Bildung ziehen und diese Weiterentwickeln? Wie sehen die Bildungsräume der Zukunft aus?