Rom feiert im Jahr 2025 das «Giubileo», das Heilige Jahr. Millionen von Pilgern werden erwartet. Der Ursprung des Giubileo liegt im jüdischen Jubeljahr. Dieses sah vor, alle 50 Jahre Schulden zu erlassen, enteignetes Land zurückzugeben und die Schuldsklaverei aufzuheben. Ziel war ein umfassender Neuanfang, um damit sozialen Frieden zu ermöglichen.
Von einem solchen Neuanfang träumen heute auch Finanzminister. Die weltweite Verschuldung erreicht historische Werte. Um die Jahrtausendwende forderten Organisationen noch Schuldenerlasse für spezifische Entwicklungs- und Schwellenländer. Inzwischen ist das Problem umfassender. Auch die grossen Währungsräume sind tief in der Schuldenfalle.
Einen einfachen Ausweg gibt es nicht. Sparprogramme stossen auf politischen Widerstand. Verteidigungsausgaben, der demografische Wandel und die Energiewende treiben die Staatsausgaben weiter in die Höhe. Die Hoffnung, sich dank Wirtschaftswachstum zu entschulden, scheitert am begrenzten Wachstumspotenzial entwickelter Volkswirtschaften. Vielerorts mussten Zentralbanken bereits eingreifen, um zu verhindern, dass die Schuldzinsen zu stark anstiegen. Doch auch die Zentralbanken stossen an Grenzen, wie die sinkende Geldwertstabilität zeigt. Das Finanz- und Geldsystem insgesamt scheint in einer Schuldenkrise gefangen zu sein.
Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.
Könnte ein modernes Jubeljahr die Lösung sein? Eine Art globaler Schuldenschnitt, um einen Neustart zu ermöglichen? Auf den ersten Blick erscheint dies verlockend, doch Schulden sind immer auch Vermögen. Ein Schuldenschnitt würde bedeuten, dass Vermögensbesitzer verzichten. Die ursprüngliche Idee des Jubeljahrs hatte dabei eine stark soziale Komponente. Doch ein freiwilliges Jubeljahr wird es gerade bei Staatsschulden kaum geben. Wer würde freiwillig auf sein Vermögen verzichten und damit ausbaden, dass ein Staat in der Vergangenheit über seine Verhältnisse gelebt hat?
Stattdessen drohen staatliche Massnahmen, die einem Jubeljahr durch die Hintertür gleichen. Ein bewährtes Mittel ist die schleichende Enteignung: Staaten zwingen Institutionen wie Banken oder Pensionskassen, Schulden zu niedrigen Zinsen zu halten, während sie mit ihrer Geld- und Fiskalpolitik für erhöhte Inflationsraten sorgen. Diese Strategie war nach der Corona-Krise erfolgreich. Sie ist aber nur durchsetzbar, solange Zentralbanken eine gewisse Glaubwürdigkeit bewahren. Dies ist nicht garantiert. Verlorenes Vertrauen kann rasch zu chaotischen Schuldenkrisen und Währungsreformen führen, die zwar in der Tat Schulden beseitigen, aber enorme Nebenwirkungen aufweisen.
Zweitens müssen Vermögende auch mit einmaligen Vermögensabgaben rechnen. Faktisch entspricht dies einer Teilenteignung, auch wenn es euphemistisch als «Solidaritätszuschlag» oder «Klimarettungsabgabe» bezeichnet würde. Solche Vermögensteuern haben international eine lange Tradition, nicht nur nach Kriegen. So führte Irland im Nachgang der Finanzkrise eine vorübergehende Steuer auf Pensionskassen ein. Eine einmalige Vermögensabgabe ist aus staatlicher Sicht attraktiv, weil sie überraschend kommt und zeitlich begrenzt ist – das minimiert Ausweichmanöver der Abgabepflichtigen.
Angesichts der Ausweglosigkeit der Schuldensituation gilt es, sich auf solche «Jubeljahre» vorzubereiten. Zu jubeln wird es dabei nichts geben. Es bleibt zu hoffen und sich dafür einzusetzen, dass diese Jubeljahre tatsächlich zu einem echten Neuanfang führen, also Regeln und Systeme eingeführt werden, die eine Wiederholung der heutigen Probleme verhindern.