Kriege hinterlassen grausame Spuren. Mit dem Krieg in der Ukraine und dem Terrorangriff gegen Israel sind kriegerische Auseinandersetzungen geografisch noch näher gerückt. Die Bilder treffen uns, die Grausamkeiten, die uns vor Augen geführt werden, sind schwer zu ertragen. Was hingegen angesichts der noch laufenden Kriegshandlungen kaum Schlagzeilen macht, sind die unzähligen Opfer, die es unter der Zivilbevölkerung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu beklagen geben wird. Nach Kriegsende bleiben riesige Flächen und Lebensräume für lange Zeit durch Minen – aber auch Blindgänger und andere Kampfmittel – belastet zurück. Minenverseuchte Gebiete sind Todeszonen, die für Menschen nicht mehr sicher zugänglich sind und auch nicht mehr bewirtschaftet werden können. Landminen gehören damit zu den perfidesten Waffen des Krieges. Die grössten Minenfelder der Welt liegen derzeit in der Ukraine. Es wird geschätzt, dass rund 174 000 Quadratkilometer vermint sind, sogenannte Verdachtsflächen – eine Fläche, die viermal so gross ist wie die Schweiz. Die humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm, allein die erheblichen Ernteausfälle führen dazu, dass Menschen nicht nur im Land selber leiden, sondern auch dort, wo man auf die Lieferung der Agrarprodukte dringend angewiesen wäre, etwa in Entwicklungsländern.
PHILIPP VON MICHAELIS ist CEO von Global Clearance Solutions (GCS) in Freienbach SZ, dem weltweit führenden Unternehmen zur Beseitigung von Landminen.
Die Herausforderungen sind komplex, aber nicht unlösbar. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass ein sicherer Wiederaufbau abgebildet werden kann, im Fall der Ukraine kommen allerdings ein erhöhter Zeitdruck und ein Grad an Kontaminierung hinzu, der historisch einzigartig ist.
Was es an erster Stelle braucht, ist eine transparente Abstimmung zwischen den nationalen und internationalen Stakeholdern. Darüber hinaus muss allen Beteiligten bewusst sein, dass es in den kommenden Jahren bedeutende finanzielle Ressourcen braucht, um die Ukraine zu befähigen, den Wiederaufbau schnellstmöglich voranzutreiben. Es braucht aber auch – und das zeigt unsere lange Tätigkeit in diesem Bereich – das Zusammenspiel zwischen operationeller Einsatzerfahrung und dem Einsatz moderner Technologien. 2015 haben wir Global Clearance Solutions (GCS) gegründet. Unser Team entwickelt seit rund 20 Jahren Technologien und Dienstleistungen für die Beseitigung explosiver Gefahren. Das Zusammenspiel von Erfahrung und Technik erzeugt Effizienz, und die ist wichtig, um grosse Flächen schnell freigeben zu können. Werden die Schwerpunkte richtig gesetzt, dann könnten die Verdachtsflächen in einem überschaubaren Zeitraum auf die wirklich kontaminierten Gebiete reduziert und die Räumung priorisiert werden.
Es braucht also Gesamtlösungen, die auf spezifische Rahmenbedingungen abgestimmt sind und dadurch eine höhere Wirkung erzielen. Das zeigen erfolgreiche Beispiele in vielen Ländern, etwa im Irak. Im Norden des Landes haben wir, unter dem Mantel der Vereinten Nationen, Tausende von Hektaren an kontaminierten Flächen von Landminen und Sprengfallen befreit, über hundert Iraker zu Experten in der Minenräumung ausgebildet und unzähligen Familien wieder eine sichere Lebensgrundlage schaffen können.
In der Ukraine sind wir – ein Schweizer Unternehmen notabene – heute der grösste Lieferant für Minenräumtechnologien. Bei jedem meiner Besuche beeindruckt mich die Entschlossenheit der Menschen vor Ort, ihre Heimat zu schützen und wiederaufzubauen. Es motiviert mich und uns als Team, unseren Beitrag dazu zu leisten, schnell sichere Lebensgrundlagen für die Menschen in Kriegsgebieten zu schaffen.