Die Uhr tickt, fasse dich kurz! Mit diesem Imperativ im Kopf beginnt für viele Klienten das Gespräch mit ihrem Anwalt. Die «Billable Hour», die verrechenbare Stunde, ist seit Jahrzehnten die übliche Basis für die Rechnungsstellung von Anwaltskanzleien. Jede Minute kostet. In den usa und Grossbritannien ist dieses Modell nun stark unter Druck. Klienten forderten Alternativen, um die Kosten besser im Griff zu haben.
Nach anfänglichem Zögern – kein Anwalt wollte die heilige Kuh der Billable Hours schlachten – kamen etliche Kanzleien dem Kundenwunsch nach, wie eine Untersuchung in England ergab. Kleine und mittlere Kanzleien waren dabei empfänglicher für alternative Pricing-Modelle.
Gefragte Alternativen
Die Befragung von über 250 Anwälten und Juristen ergab, dass andere Entlöhnungsmodelle, etwa Erfolgshonorare, Pauschalen oder Kostendächer, mittlerweile häufiger vorkommen als die Abrechnung nach Stunden (46 gegenüber 40 Prozent). Ungefähr 85 Prozent der Anwaltskanzleien geben an, dass sie auf Nachfrage ihrer Mandanten alternative Abrechnungsmethoden anbieten müssten. Und von den Rechtsabteilungen in den Unternehmen geben 81 Prozent an, dass sie andere Honorarformen nutzen, um Kosten zu senken. Die Anzahl Kanzleien, die Alternativen zur Abrechnung nach Stunden anbieten, ist seit der Pandemie deutlich gestiegen.
Hierzulande wurde alternatives Pricing zwar durchaus schon besprochen, etwa an einer Tagung der Universität St. Gallen 2019. Dennoch ist die Abrechnung nach Stunden noch das häufigste Modell. Gefolgt von Pauschalen. «In kleineren und überschaubaren Angelegenheiten erhalten wir oft Anfragen, ob wir Mandate zu einem Pauschalpreis übernehmen können», sagt Gennaro Mastronardi von Graf & Mastronardi Rechtsanwälte in Baden. Dabei gehe es den Rechtssuchenden vor allem um die Kostensicherheit. «Sie möchten genau wissen, welche Kosten sie für die eigene anwaltliche Vertretung und für ein Verfahren vor Gericht im Falle eines Obsiegens oder Unterliegens zu tragen haben werden.»
Die gängigsten Alternativen zur Billable Hour
Die folgenden Pricing-Modelle werden auch in der Schweiz vermehrt nachgefragt.
Flat Fees
Bei Pauschalhonoraren vereinbaren Klienten und Anwälte einen im Voraus festgelegten Betrag für eine bestimmte Rechtsdienstleistung. Der Vorteil ist die Planbarkeit der Kosten respektive des Aufwands. Für Kunden können Pauschalen den Nachteil haben, dass der Anwalt die Extrameile nicht mehr geht. Anwälten kann es passieren, dass ihr Aufwand deutlich grösser ist als das Honorar.
Capped Fees
Grundlage bei gedeckelten Honoraren ist das altbekannte Modell der Stundenabrechnung. Es wird allerdings eine vereinbarte Kostenobergrenze ausgemacht. Klienten haben die Kosten im Griff, Anwälte können ihren Aufwand planen. Nachteil ist auch hier, dass Anwälte unter Umständen die letzte Meile nicht gehen oder einen höheren Aufwand nicht vergütet bekommen.
Blended Fees
Eine Mischrechnung, bei der ein Durchschnitt zwischen Junior- und Senior-Stundensätzen verrechnet wird. Wenn vor allem Seniors die Arbeit erledigen, dann sind Blended Fees für den Klienten natürlich vorteilhaft. Anders sieht es aus, wenn die Arbeit praktisch nur von Juniors erledigt wird, der Kunde aber auch Senior-Leistungen bezahlt.
Upsides / Success Fees
Was eine Success Fee, eine Erfolgsprämie, ist, sagt schon der Name. Im Fall eines Upside erhält der Anwalt unabhängig vom Ausgang des Falls ein Basishonorar plus im Gewinnfall zusätzlich ein im Voraus bestimmtes Erfolgshonorar.
Unbundled Legal Services
Bei ungebündelten Rechtsdienstleistungen wählen die Mandanten bestimmte Aufgaben aus, die sie selbst erledigen und dafür nichts zahlen, etwa den Entwurf eines Vertrags. Der Anwalt redigiert ihn noch. Der Klient bezahlt die beanspruchten Dienstleistungen.
Abonnements
Bei Abonnements beanspruchen Klienten, typischerweise Rechtsabteilungen von Unternehmen, bestimmte Dienstleistungen regelmässig, etwa bei der Beratung in arbeitsrechtlichen Fragen. Die Kosten sind übersichtlich. Sowohl Klienten wie Kanzleien müssen bei diesem Modell stark darauf achten, dass nicht zu viele respektive zu wenige Leistungen abgerufen werden.
Ratenzahlungen
Manche Kanzleien akzeptieren Zahlungen auf Raten. Unter Umständen wird dabei auch ein Zins erhoben.