Der Instruktor ist nicht zufrieden mit mir. Am Ende der Geraden soll ich stärker anbremsen, damit ich eng in die stark ansteigende erste Kurve einlenken kann, dann in der Mitte bleiben, um für die übernächste Kurve die Linie zu treffen. Dann Geduld haben und in der langen rechts innen bleiben, bevor es voll auf den Pinsel geht, dann vor der Haarnadel hart bremsen, weil der Graswall dahinter keine testweise Toleranzprüfung zulässt. Zwei Schikanen folgen, wo einmal mehr der einfach zu verstehende, aber für Amateure wie mich schwierig auszuübende Grundsatz gilt: lieber langsamer rein, dafür früher ans Gas und damit schneller wieder raus!

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Dirk Ruschmann fährt seit 25 Jahren Auto. Er schreibt über Unternehmen, Manager, Autos und andere bewegliche Teile.

Am Ende grinst er zufrieden, und der Geruch von Reifen- und Bremsenabrieb beweist, dass ordentliche Kräfte am Werk waren. Wir sind auf dem Testgelände des österreichischen Automobilclubs ÖAMTC in Saalfelden, den «Experience-Kurs» hat, so wird mir erzählt, der ehemalige Formel-1-Fahrer Alexander Wurz gestaltet. Ein Privatier soll einmal mit seinem Lamborghini über die erste Kurve hinausgeschossen sein und auch noch die Reifenstapel überflogen haben … Wie heisst es seit vielen Jahren bei Pirelli: Power is nothing without control.

Control hat dieses Auto jede Menge: Denn inmitten der aktuellen Krise am Markt für Elektroautos habe ich kürzlich den Lucid Air getestet. Genauer das «Einstiegsmodell» namens Pure, mit Heckantrieb und umgerechnet 442 Pferdestärken; ich war schon schlampiger motorisiert. Günstiger allerdings auch, der Grundpreis liegt nur wenig unter der berühmten sechsstelligen Schmerzgrenze. Auch vor Ort sind die stärkeren Versionen Touring und Grand Touring, Letzterer mit 831 Pferdchen und gut drei Sekunden auf 100 km/h, ein fast schon lächerlich hoch motorisiertes Topmodell Sapphire soll bald kommen.

Lucid
Quelle: Stefan Bösl / PR

Hinter Lucid, einem US-Hersteller, stecken ja die Saudis, deren Klimastrategie auch nicht vor den E-Fahrzeugen haltmacht. Und Lucid kennt sich ausserdem mit Batterien und E-Antriebssträngen aus, agiert etwa auch als Lieferant der Formel E.

Der Platz wird knapp, jetzt also zackig: Das Ding fährt Bombe, wie man so schön sagt, liegt gut, geht sportlich vorwärts, 800 PS sind natürlich besser als gut 400, aber die reichen auch, um etwas Krawall zu veranstalten. Der Air tritt in der Oberklasse an und kann hier punkto Verarbeitung, Materialien im Interieur, Infotainment und Bedienbarkeit ganz klar mit den deutschen Konkurrenten mithalten und zugleich die Preise, teils deutlich, unterbieten.

Derzeit schreibt Lucid kräftig Verlust, aber die Saudis haben noch Geld. Und es fehlt an Werkstätten und anderen Begleiterscheinungen, die erst mit der Grösse kommen. Aber ein wirklich vielversprechender Anfang ist gemacht.

Lucid Air

Antrieb: E-Antrieb mit 88-kwH-Batterie 

Reichweite: 708 bis  747 km (nach WLTP) 

Leistung: 442 PS (32 kW) 

0–100 km/h:  4,7 s 

Vmax: 200 km/h 

Preis: ab 91'000 Franken

Lucid Air
Quelle: Stefan Bösl / PR